# taz.de -- Schutz für den Radverkehr: Poller sind wie Sekt | |
> An der Holzmarktstraße in Mitte beginnt ein neues Zeitalter für | |
> RadlerInnen: mit einem extrem breiten gesicherten Schutzstreifen. Kritik | |
> gibt es aber auch. | |
Bild: Hauptsache gut gepollert: Radstreifen auf der Holzmarktstraße | |
Der weißrote Poller ist erstaunlich elastisch: [1][Man kann die | |
Kunststoffstange bis zum Boden knicken, ohne dass sie bricht – stattdessen | |
schnellt sie zurück und nimmt ihre aufrechte Position ein.] So roh mit dem | |
Verkehrsmöbel umzugehen hätte sich der Redakteur eigentlich gar nicht | |
getraut, aber ein paar Männer vom Fach mit orange leuchtenden Westen hatten | |
ihn geradezu ermuntert: „Ne Kiste Bier darauf, dass Sie den bis heute Abend | |
nicht abjebrochen kriegen.“ | |
Ort des Belastungstests ist die Holzmarktstraße unweit des S-Bahnhofs | |
Jannowitzbrücke, Anlass die Einweihung von Berlins erstem geschützten | |
Radstreifen. Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) ist am | |
Donnerstagmittag mit ihrem besten Fahrrad erschienen, um die grün | |
eingefärbten und abgepollerten 300 Meter einmal hin- und zurückzurollen. | |
Mit 3,50 Meter Breite hat der Streifen luxuriöse Maße – der noch zu | |
verfassende Berliner Radverkehrsplan wird wohl nur 2 Meter vorschreiben. | |
Mehr wird auf vielen Straßen auch gar nicht drin sein, denn nur das | |
realsozialistische Profil einer Holzmarktstraße bietet so viel Raum. Auch | |
die Karl-Marx-Allee bietet sich an, und nicht von ungefähr wird hier seit | |
Juni gearbeitet: Zwischen Alexander- und Strausberger Platz entstehen im | |
Zuge der Fahrbahnsanierung auch geschützte Radfahrstreifen. Wenn der lange | |
angekündigte geschützte Streifen auf der Kreuzberger Hasenheide tatsächlich | |
noch im November begonnen wird, kann die Senatsverwaltung immerhin schon | |
auf drei „Protected Bike Lanes“ verweisen. | |
2019 sollen noch sechs dazukommen: an der Karl-Marx-Straße in Neukölln, der | |
Frankfurter Allee in Friedrichshain, in der Straße Alt-Friedrichsfelde in | |
Lichtenberg, auf der Amrumer Straße im Wedding, dem Dahlemer Weg in | |
Zehlendorf und an der Märkischen Allee in Marzahn-Hellersdorf. Es handelt | |
sich um einen Modellversuch, bei dem fünf Jahre lang Erfahrungen gesammelt | |
werden sollen – mit dem Sicherheitsempfinden der RadfahrerInnen, aber auch | |
mit der Qualität der Farbbeschichtung und verschiedenen Pollern. | |
Natürlich ist die Senatorin voll des Lobs: „Wir gehen damit einen neuen Weg | |
in Deutschland, und darauf sind wir stolz“, sagt sie in die Kameras. Berlin | |
wolle ein „Zeichen setzen, dass wir ganz weit vorne sind und die | |
Verkehrssicherheit der Schwächsten uns wichtig ist“. | |
## Problemfall „Fahrradweiche“ | |
Die AktivistInnen von ADFC und Changing Cities e.V. sind nicht ganz ihrer | |
Meinung. Einige halten Schilder hoch, auf denen „Sekt auf der Strecke, | |
Selters an der Kreuzung“ steht. Was sie damit meinen: Der Streifen ist | |
prima, aber rund 100 Meter, bevor die Holzmarkt- auf die Alexanderstraße | |
trifft, wechselt er die Farbe (zu klassischem Rot) und öffnet sich zu einer | |
„Fahrradweiche“ – ein schmaler Streifen führt geradeaus, ein weiterer | |
erwartet die Rechtsabbieger, dazwischen liegt die Kfz-Abbiegespur. | |
„Das birgt die Gefahr, dass abbiegende AutofahrerInnen jemanden auf dem | |
Geradeaus-Radstreifen übersehen“, sagt Jens Steckel von Changing Cities. | |
„Wenn dann ein alter Mensch oder ein Kind zwischen zwei Lastwagen hindurch | |
muss, ist das alles andere als ideal.“ | |
Regine Günther hat die Kritik vernommen. „Wir werden uns mit dem Problem | |
befassen“, verspricht sie. | |
8 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/taz_berlin/status/1060502151917682688 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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