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# taz.de -- Vizechefin der FDP über Groko und Quote: „Quote ist wie Körperv…
> Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist Vize-FDP-Chefin. Sie findet: Seehofer
> sollte zurücktreten und die Liberalen brauchen doch eine Frauenquote.
> Vielleicht.
Bild: Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Mitte) wollte unbedingt in den Verteidigun…
taz: Frau Strack-Zimmermann, Sie sind stellvertretende FDP-Vorsitzende,
Ihre Fraktion sitzt seit einem Jahr im Bundestag. Wenn Sie sich [1][das
Gebaren der Regierungskoalition] anschauen – denken Sie dann nicht
manchmal, das würde mit uns aber laufen?
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Im Gegenteil. Wir haben während der
Verhandlungen das Chaos nicht nur im Ablauf schon kommen sehen. Die
Situation zwischen der Kanzlerin und Herrn Seehofer war bereits während der
Jamaika-Verhandlungen nicht nur spürbar, sondern erlebbar. Als
Regierungspartner wären wir heute in der selben Abwärtsspirale, in der sich
die SPD befindet. Die Sozialdemokraten zahlen ja aktuell auch die Zeche
dafür, dass CDU und CSU sich heftig streiten.
Ihr Parteivorsitzender [2][Christian Lindner] hat an dem dramatischen Abend
des 19. November beim Abbruch der Koalitionsgespräche erklärt, es sei
„besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“. Hätte er nicht
ehrlicherweise sagen müssen „als jetzt schon zu regieren“?
Wir waren zuvor vier Jahre nicht existent, es haben sich viele gefreut, als
wir aus dem Bundestag rausgeflogen sind. Erst kam Häme, dann folgte
Mitleid, man weiß gar nicht, was schlimmer war. Wir haben uns diese
Rückkehr also selbst hart erarbeitet. Selbstverständlich, wer antritt,
möchte gewinnen, und wer gewinnt, möchte regieren. Aber bei unseren
Kernthemen Bildung, Digitalisierung und steuerliche Entlastung der Mitte
stießen wir auf schwarz/grüne Ignoranz. Wie schlechte Kompromisse für den
Regierungspartner ausgehen, sehen Sie an der SPD.
Sie sprechen von Macht. Seit einem halben Jahr ist die CSU Teil der Macht,
[3][ihr Innenminister steht stark in der Kritik], schon mehrfach wurde sein
Rücktritt gefordert. Würde das überhaupt nützen?
Die CSU, die ja bei der Bundestagswahl so tat, als habe sie die absolute
Mehrheit erreicht, liegt bundesweit bei gerade mal sechs Prozent. Trotzdem
läuft Herr Seehofer breitbeinig durch diese Republik und meint, ohne ihn
ginge es nicht.
Geht es denn mit ihm?
Offensichtlich nicht. Mir ist völlig schleierhaft, warum die CSU zugelassen
hat, dass Herr Seehofer Minister geworden ist und sie täte gut daran, ihn
auszuwechseln und jemand anderen aufs Spielfeld zu holen. Ich bin
überzeugt, dass da sonst keine Ruhe einkehrt. Persönliche
Auseinandersetzungen zwischen Kanzlerin und Innenminister sind nicht das,
was dieses Land braucht. Wir haben weiß Gott anderes zu tun.
Wie lange geben Sie dieser Koalition noch?
Solange Frau Merkel Kanzlerin bleiben will. Jede Form der Neuwahl wäre für
die Union und vor allem für die SPD dramatisch. Ich kann nur sagen: Wir als
FDP machen unseren Job: konstruktive Opposition. Wenn die Koalition nicht
mehr in der Lage ist, ihrer Arbeit nachzugehen, muss neu gewählt werden.
Wir sind auf alle Fälle jederzeit bereit, uns dem Votum der Wählerinnen und
Wähler zu stellen.
Schauen wir mal auf Ihre Fraktion. Wissen Sie, wie hoch aktuell der
Frauenanteil in Ihren Reihen ist?
Wir sind 80 Mitglieder, davon 19 Frauen.
Das sind 23,7 Prozent. Sind Sie zufrieden damit?
Nein, natürlich nicht. Es dürften gerne mehr sein. Allerdings bin ich froh,
dass wir so viele so engagierte Frauen in der Fraktion haben. Meine
Kolleginnen machen einen exzellenten Job, von unseren drei
Ausschussvorsitzenden sind zwei Frauen. Uns mangelt es also nicht an
Selbstbewusstsein. Das Problem, Frauen zu motivieren, liegt aber viel
tiefer. Wir bemühen uns sehr um weiblichen Nachwuchs. Als Kreisvorsitzende
in Düsseldorf liege ich geradezu auf der Lauer, junge Frauen, die
altersmäßig noch eine politische Zukunft vor sich haben, zu finden und
diese dann zu fördern, so fern sie das überhaupt wollen. Es ist nämlich gar
nicht so leicht. Frauen sind wesentlich selbstkritischer, viele haben einen
Beruf und Familie…
Männer haben doch auch den Beruf und die Familie.
Ja, aber Männer… ich sag's mal so. Sie fragen einen Mann: Möchtest du
diesen Job zusätzlich machen? Und er wird ja sagen. Dann wird er merken,
das ist vielleicht doch ein bisschen viel Arbeit, aber er wird trotzdem
weitermachen. Wenn Sie eine Frau fragen, sagt diese: Toll, dass ich gefragt
werde, aber ich habe einen Job, Familie; ich weiß nicht, ob ich das hundert
Prozent leisten kann. Da sind Frauen definitiv selbstkritischer und sagen
leider häufig, ich möchte den Job lieber nicht als halb machen. Das ist die
Realität.
Also sind die Frauen selber schuld?
Natürlich nicht, aber sie müssen auch wollen. Ich mache sehr gute
Erfahrungen mit Frauen, die Mitte vierzig und älter sind. Die sind in einer
Lebensphase, in der sie freier aufschlagen können. Junge Frauen zu
motivieren ist schwierig. Das ist für uns auch deshalb bedauerlich, weil
wir sie natürlich auch als Wählerinnen ansprechen wollen. Und die schauen
natürlich, welche Partei wird auch von Frauen repräsentiert.
Seit vielen Jahren sagt die FDP, man bemühe sich um Frauen. Mühe allein
genügt ja offensichtlich nicht. Auf die Frage nach einer Quote hat Ihre
Generalsekretärin einmal im taz-Interview geantwortet, die FDP brauche
keine. Müssten Sie nicht langsam mal Regeln einführen?
Quoten haben etwas Bemühtes und sind nicht immer gerecht. Aber wenn man neu
denkt, was die FDP für sich in Anspruch nimmt, würde ich eine Quote nicht
grundsätzlich ausschließen. Das wäre dann aber die ultima ratio, dass man
sagt: Liebe Kollegen, wenn das nicht langsam mal funktioniert, müssen wir
auch darüber nachdenken. Aber offen gestanden ist eine Quote für Liberale
ein bisschen wie Körperverletzung.
In der neuen bayerischen FDP-Landtagsfraktion sind zehn Männer und eine
Frau. Wo ist denn da jetzt das neue Denken?
In Bayern werden Erst- und Zweitstimmen zusammengezählt. Wir hatten dort
mehrere Frauen auf der Liste. Die Wähler haben aber dann den Männern mehr
Stimmen gegeben und sie dadurch an den Kandidatinnen nach vorne geschoben.
In anderen Bundesländern gibt es Listen, da kann die Partei das besser
steuern. Aber in Bayern geht das nicht. Das gehört zur Wahrheit dazu. Es
ist nebenbei bemerkt sehr demokratisch.
Letzte Frage. Sie sind Mitglied im Verteidigungsausschuss. War das Ihr
Wunsch, als Sie in den Bundestag kamen, in diesem männlich dominierten
Themenfeld zu arbeiten?
Ja, das habe ich mir gewünscht.
Warum?
Ich bin 1958 geboren und habe mich schon sehr früh, noch vor dem Mauerfall,
dafür interessiert, wie sich Deutschland außenpolitisch aufstellt. Meine
Beobachtung war, dass wir nach dem Ende des Kalten Krieges die
Verantwortung für unser Land und Europa unseren Verbündeten überlassen –
salopp gesagt, uns einen schlanken Fuß gemacht haben. Wir können doch nicht
ernsthaft den Partnern in der NATO und in der EU alleine, um ein Beispiel
zu nennen, den Schutz der europäischen Außengrenzen überlassen – da hat
Deutschland es sich jahrzehntelange ganz schön bequem gemacht. Es wird
Zeit, dass auch wir neu denken und mehr Verantwortung übernehmen.
24 Oct 2018
## LINKS
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## AUTOREN
Anja Maier
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Wolfgang Kubicki
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