# taz.de -- Vorwürfe gegen Ausländerbehörde: Alarmierende Abschiebepraktiken | |
> Der Flüchtlingsrat berichtet: Bei einer Abschiebung seien Familien | |
> gewaltsam getrennt und andere Schutzbedürftige medikamentös ruhiggestellt | |
> worden. | |
Bild: Eine schwangere Frau, die sich nicht hinsetzen wollte, soll vor dem Start… | |
Berlin taz | Der Flüchtlingsrat Berlin [1][erhebt schwere Vorwürfe gegen | |
das Land Berlin] im Zusammenhang mit einer Sammelabschiebung vom 6. Juni | |
von Berlin-Schönefeld nach Madrid. Betroffene hätten berichtet, dass | |
sedierende Medikamente zwangsweise verabreicht wurden, besonders | |
Schutzbedürftigen gefesselt und Familien gewaltsam getrennt worden seien. | |
Außerdem sollen Menschen von den Polizisten geschlagen worden sein. | |
Federführend wurde die Abschiebung von 90 Asylsuchenden aus dem gesamten | |
Bundesgebiet von der Berliner Ausländerbehörde organisiert, die der | |
rot-rot-grünen Regierung unterstellt ist. Dies wurde durch die Antworten | |
auf parlamentarische Anfragen der Berliner Grünen-Abgeordneten Bettina | |
Jarasch und der Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke bekannt. 83 | |
Bundespolizisten und vier Ärzte und Sanitäter wurden von der Berliner | |
Ausländerbehörde für die Sammelabschiebung beauftragt. | |
Abgeschobene haben dem Flüchtlingsrat unter anderem berichtet, dass ein | |
Arzt einem geistig behinderten Mann gegen dessen Willen und in Abwesenheit | |
des gesetzlichen Betreuers ein sedierendes Medikament verabreicht habe. Der | |
Arzt soll diesen Mann für flugtauglich erklärt haben, obwohl dieser ein | |
psychiatrisches Attest mit sich führte, das eine Reiseunfähigkeit | |
bestätigte. Auch soll eine Frau mit mehreren Kleinkindern ohne ihren Mann | |
abgeschoben und gefesselt worden seien, weil sie nach ihrem Mann rief. | |
Im Flugzeug seien außerdem eine schwangere Frau und weitere abgelehnte | |
Flüchtlinge geschlagen worden, die sich nicht hinsetzen wollten. Die | |
Berliner Polizei soll zudem Abgeschobenen verweigert haben, Rufnummern aus | |
ihren Handys zu notieren, um Anwälte und Angehörige zu informieren. | |
Weinende Kinder und Erwachsene seien von Polizisten auf dem Weg zum | |
Flughafen ausgelacht worden. | |
## „Blackbox Abschiebung“ | |
Die zuständige Innenverwaltung Berlins widerspricht den Vorwürfen | |
teilweise. „Der Polizeiärztliche Dienst verabreicht von sich aus keine | |
sedierenden Medikamente. Sollten in Einzelfällen Medikamente verabreicht | |
werden, geschieht das auf Anforderung des Patienten“, sagte eine Sprecherin | |
zur taz. Dass es in drei Fällen zur Trennung von Familien gekommen sei, | |
stimme – die Zuständigkeiten dafür lägen allerdings jeweils bei Behörden | |
anderer Bundesländer. | |
„Die erhobenen allgemeinen Vorwürfe physischer Gewaltanwendungen durch | |
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte können nicht bestätigt werden“, sagte | |
die Sprecherin weiter. Mobiltelefone seien zwar abgenommen worden seien, | |
„um Befreiungsversuchen vorzubeugen“. Die Betroffenen seien allerdings | |
darauf hingewiesen worden, „sich gegebenenfalls Telefonnummern separat zu | |
notieren“, um über Telefone der Polizei Kontakt mit Angehörigen und | |
Anwälten aufnehmen zu können. | |
„Bezogen auf die Beendigung des Aufenthaltes will die Koalition einen | |
Paradigmenwechsel“, heißt es im [2][zwischen SPD, Linken und Grünen | |
vereinbarten Koalitionsvertrag.] Die „Trennung von Familien bei | |
Abschiebungen“ werde „es nicht mehr geben.“ Zudem wurde vereinbart, dass | |
auch während der Vollstreckung von Abschiebungen der „Anspruch auf | |
anwaltliche Betreuung und Begleitung“ gilt. Dazu sagt die Sprecherin der | |
Innenverwaltung, dass die Vereinbarung „selbstverständlich umgesetzt“ | |
werde. „Familien aus dem Land Berlin wurden nicht getrennt.“ | |
„Die Berichte der betroffenen Geflüchteten von der Sammelabschiebung am 6. | |
Juni geben einen alarmierenden Einblick in die ‚Blackbox Abschiebung‘. | |
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit versuchen Behörden mit allen Mitteln, | |
Asylsuchende außer Landes zu schaffen und lassen dabei jede Menschlichkeit | |
außer Acht“, kritisiert Martina Mauer vom Flüchtlingsrat Berlin. Zudem | |
fordert sie eine lückenlose Aufklärung der Vorfälle. | |
## Unabhängige Abschiebungsbeobachterin | |
Auch die Berliner Linkspartei fordert den Innensenator auf, für Aufklärung | |
zu sorgen. „Der Ausländerbehörde scheint egal zu sein, was im | |
Koalitionsvertrag steht. Sollte das so sein, kann sich der Innensenator | |
offenbar nicht gegen die Ausländerbehörde durchsetzen“, sagt [3][die | |
Landesvorsitzende Katina Schubert] zur taz. | |
Sollten die Vorwürfe sich als richtig erweisen, müssten diese im | |
Koalitionsausschuss thematisiert werden. „Die Trennung von Familien bei | |
Abschiebungen widerspricht dem Koalitionsvertrag, auch die Fesselung und | |
Sedierung von Geflüchteten widersprechen dem Geist unserer gemeinsamen | |
Regierungsgrundlage“, so Schubert. Die Grünen-Abgeordnete Bettina Jarasch | |
forderte, die unabhängige Abschiebungsbeobachterin in den Innenausschuss | |
einzuladen. | |
23 Oct 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://fluechtlingsrat-berlin.de/print_neue_meldungen2.php?post_id=878 | |
[2] /Koalitionsvertrag-von-R2G-in-Berlin/!5358580 | |
[3] /Linksparteichefin-ueber-Mietenpolitik/!5495622 | |
## AUTOREN | |
Frederik Schindler | |
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