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# taz.de -- Wiederaufbau der Garnisonkirche: Das Kreuz mit der Kirche
> Die Garnisonkirche beherbergte einst Preußens Könige. Dort fand der
> Festakt zur Gründung des NS-Staats statt. Jetzt soll Frieden einziehen.
> Wirklich?
Bild: Die einstige Garnisonskirche: ein Symbol des Militarismus
Potsdam taz | An der Breiten Straße in Potsdam klafft eine Baugrube.
Arbeiter flechten mit mächtigen Zangen an einem Stahlgerüst. Ist es mit
Beton umhüllt, wird ein Turm emporsteigen und den Himmel über Potsdam
beherrschen, wie er ihn schon einmal beherrscht hat. Das höchstes Bauwerk
der Stadt, der Turm der Garnisonkirche, wird sich nach fünfzig Jahren aus
dem Staub erheben und in seinem Äußeren so original wiederhergestellt, dass
sich ihr Erbauer, der Soldatenkönig Friedrich-Wilhelm I., die Augen reiben
würde, käme er noch einmal nach Potsdam. Oder sein Sohn, der Alte Fritz.
Oder Adolf Hitler.
An einem Juniabend steht Gerhard Bauz hinter der Grube und begreift die
Menschen um sich herum nicht mehr. Sie kommen aus der „Nagelkreuzkapelle“.
Eher einem Baucontainer ähnlich als einem Kirchlein, ist sie das
provisorische Heim der künftigen Garnisonkirchengemeinde. Die Kapelle
bietet einen Vorgeschmack dessen, was der barocke Wiedergänger einmal alles
sein soll: Gottesdienstraum, Erinnerungsstätte, Treffpunkt, Versöhnungsort.
Das Nagelkreuz, ein pazifistisches Zeichen aus dem kriegszerstörten
englischen Coventry, ist ihr Namensgeber.
„Wie kann man bloß diese Kirche wieder aufbauen?“, fragte Bauz. Er ist ein
freundlicher, geradezu unverdächtiger Mann – Oberlippenbart, Leinenanzug,
rosafarbenes Hemd –, Personalberater und Supervisor, die meiste Zeit im
Dienste der evangelischen Kirche. Im Ehrenamt ist der 68-Jährige Mitglied
der Martin-Niemöller-Stiftung, eine der hartnäckigsten Gegnerinnen des
Wiederaufbaus der Kirche. Und mit dieser Mission ist Bauz hier so etwas wie
der Gottseibeiuns.
Wie ein Fremdkörper steht Bauz im Strom der Menschen, die sich aus der
Nagelkreuzkapelle verlieren. Bauz mustert die Gesichter, viele ältere
Menschen, kirchlich geprägt, kurzum: Bildungsbürgertum. Menschen wie er.
Menschen, die es nicht erwarten können, den Turm wachsen zu sehen. Für sie
ist es die architektonische Krone im Bemühen um die Nachbildung der
historischen Mitte der alten preußischen Residenz. Für Bauz ist es ein
Skandal.
## „Üb immer Treu und Redlichkeit“
Keine Kirche hat eine so unselige Geschichte wie die Potsdamer
Garnisonkirche mit ihrem früher einmal fast 90 Meter hohen Turm. In seiner
Spitze mahnte das Glockenspiel „Üb immer Treu und Redlichkeit!“ und auf dem
Grunde des Turm ruhten die Sarkophage vom Soldatenkönig und seinem Sohn
Friedrich Zwo wie preußische Reliquien. Am Turmschaft klebten stilisierte
Waffenbündel, Brustpanzer, Helme, und im Innern hingen erbeutete
Kriegsfahnen im Dutzend. Zwischen Exerzierplätzen, Kasernen und
Pferdeställen war der Bau die Ruhmeshalle der preußischen Armee.
Kein Wunder, dass nach dem Untergang des Hohenzollern-Reiches Kompanien vom
„Stahlhelm“ und vom Kyffhäuserbund, Monarchisten, Militaristen,
Demokratieverächter in die Garnisonkirche pilgerten, um Gott anzurufen, das
„Irrenhaus“ von Weimar zu beenden. Und als die Gebete erhört waren, fand
hier der Staatsakt statt. Am 21. März 1933 reichte der 85 Jahre alte
Reichspräsident Paul von Hindenburg dem 43-jährigen Hitler die Hand.
Der Generalfeldmarschall übergab den Staffelstab an den Reichskanzler. Der
Reichsrundfunk übertrug die Weihestunde bis in das letzte deutsche Gehöft,
Reichswehrsoldaten versammelten sich zu Feldgottesdiensten, Kinder hatten
schulfrei. Denn das Übel von Weimar war vorüber, die erste deutsche
Republik zerstört. Das neue, das Dritte Reich war geboren.
Und jetzt wird sein Geburtshaus wieder errichtet – mit dem Segen der
evangelischen Kirche, unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten und
mit einer Beihilfe von 12 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt. Eine „alte
Wunde“ solle in Potsdam geheilt werden, heißt es zur Begründung. Mit der
Garnisonkirche „wird ein national bedeutsames Bauwerk wiederhergestellt,
das in einem barbarischen Akt vom SED-Regime zerstört wurde“.
## Eine „alte Wunde“ soll geschlossen werden
Zerstört wurde der Bau aber schon durch britische Bomber am 14. April 1945.
Die SED sprengte im Juni 1968 nur noch die Mauern und den Turmstumpf weg,
um die Brache mit einem Rechenzentrum zu bebauen. Den Riegel schmückten die
Genossen mit einem umlaufenden Mosaik mit allerlei Raketen, Planeten und
Forschern, sein Titel: „Der Mensch bezwingt den Kosmos“.
Bauz wirkt merkwürdig gelassen, nur die Oberlippe zittert leicht und verrät
die Anspannung. Um ein Haar wäre er eben aus der Nagelkreuzkapelle
hinausgeflogen. Er hatte es gegen die ausdrückliche Bitte der Pfarrerin
gewagt, in der Veranstaltung, die eben zu Ende ging, das Wort zu ergreifen.
Man möge heute, wo man an die Sprengung der Kirchenruine vor 50 Jahren
gedenkt, zuhören, aber nicht diskutieren. Wer das nicht akzeptiere, wäre
fehl am Platz. Danach erzählten Zeitzeugen. Es schien wie eine
Gedächtnisfeier für einen alten Gefährten. Bis Bauz aufstand. Der kam zwar
nicht zu Wort, hatte aber die Andacht gesprengt.
„Ich wollte doch nur Erfahrungen danebenstellen.“ Bauz lächelt. Welche
Erfahrungen? „Die Ruine der Weißfrauenkirche in Frankfurt am Main stand
1952 einer Straße im Wege und wurde abgerissen.“ Kirchen wurden nach dem
Krieg auch anderswo beseitigt. Stadtplaner ließen im Westen Kirchenruinen
abreißen – für Bürobauten, für Magistralen. Doch das will keiner hören. …
Wahrheit werde hier, fast dreißig Jahre nach dem Ende der DDR, das
„Feindbild SED“ gepflegt und Geschichte verdreht: Und plötzlich ist
SED-Chef Walter Ulbricht der Barbar, nicht Hitler.
„Die werden Mühe haben, die Kirche zu bauen“, prophezeit Bauz. Bisher
reiche das Geld, der größte Posten sind die 12 Millionen Bundesmittel, nur
für einen unvollkommen Turm, ein Torso ohne barocken Zierrat und ohne
Spitze. Für den kompletten Turm braucht es noch einmal gut 10 Millionen
Euro, und um die Kirche samt Schiff zu vollenden, wären etwa 100 Millionen
Euro nötig. „Keine kirchlichen und keine öffentlichen Gelder für diesen
Bau“, fasst Bauz die Ziele der Niemöller-Stiftung zusammen. Dann sagt er:
„Eigentlich hätte ich vorhin Hesse zitieren müssen: Wohlan denn, Herz, nimm
Abschied und gesunde.“
## Die Potsdamer sind skeptisch
Es ist nicht so, dass ganz Potsdam unter Herzweh leidet. 2014 haben sich in
einem Bürgerbegehren binnen weniger Wochen mehr als 16.000 Bürgerinnen und
Bürger gegen die Kirche ausgesprochen. Das Votum blieb allerdings
folgenlos. Durch taktische Züge im Stadtrat wurde das Bürgerbegehren, das
hätte folgen sollen, ausgebremst. Zuvor hatte die brandenburgische
Landeshauptstadt der Bauherrin, der kirchlichen Stiftung Garnisonkirche,
das Grundstück geschenkt und im Kuratorium der Stiftung einen Sitz
erhalten, so wie das Land auch. Die Mehrheit stellt allerdings das
Establishment der evangelischen Kirche, dazu gesellen sich die
brandenburgischen Provinzfürsten Manfred Stolpe, Jörg Schönbohm und
Matthias Platzeck.
Der Motor aber ist Wolfgang Huber. Der ehemaligen Ratsvorsitzenden der
Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist auf vielen gesellschaftlichen
Baustellen im Land unterwegs, der Garnisonkirche aber dürfte seine
besondere Leidenschaft gelten. Huber, damals Bischof von Berlin,
Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz, hat sich in das Projekt
eingeklinkt, als das Vorhaben in eine bizarre Richtung abzudriften drohte.
Denn nicht eine Potsdamer Kirchengemeinde oder protestantische Autoritäten
waren von der Vision beseelt, die bekannteste deutsche Militärkirche
auferstehen zu lassen, sondern ein Oberstleutnant der Bundeswehr. Max Klaar
war in den achtziger Jahren Kommandeur eines Fallschirmjägerbataillons in
Iserlohn und propagierte – vorsichtig formuliert – ein sehr konservatives
Geschichts- und Werteverständnis. So räsonierte er öffentlich über die
deutsche Kriegsschuld beim Überfall auf Polen und sprach sich 1989 für die
Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 aus.
Was liegt da näher, als den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu erträumen?
Klaar gründete einen Verein, sammelte Geld, ließ zunächst das Glockenspiel
rekonstruieren und übergab es seinen Fallschirmjägern. Nach der deutschen
Einheit schenkte Klaar das Instrument der Stadt Potsdam und versicherte,
den Wiederaufbau der Kirche nun nach Kräften zu fördern. Der
Oberbürgermeister nahm das Wort mit Wohlwollen entgegen. Wenn er 20
Millionen Mark beisammen habe, so hieß es aus dem Rathaus, könnte Klaar mit
dem Bau beginnen.
Als der Oberstleutnant über 6 Millionen Euro gesammelt hatte, wurde es
ernst – und Klaar formulierte seine Pläne für die neue Garnisonkirche:
Keine Segnung von Schwulen, kein Kirchenasyl, keine feministische
Theologie. Das war der Moment, als sich Wolfgang Huber einschaltete. 2008
wurde die kirchliche Stiftung Garnisonkirche gegründet. Klaar stieg mitsamt
seinen Spendenmillionen aus.
## Ein Glockenspiel mit harten Tönen
Wer die Ohren spitzt, kann von der Nagelkreuzkapelle etwas vom Glockenspiel
erhaschen. 200 Meter hinter der Baustelle erhebt sich das Gerüst mit den 40
Glocken und hämmert den Passanten sein „Üb immer Treu und Redlichkeit“ ei…
eigentlich eine fröhliche Melodie aus Mozarts „Zauberflöte“. Die preußis…
Umdeutung dieser Arie hätte nicht umfassender sein können. Jetzt wird die
gesamte Kirche umgedeutet. Ein Ohrenschmaus ist das Glockenspiel allerdings
nicht. Die Töne klingen hart, regelrecht kalt, als würde jemand mit einem
Hammer auf einen Panzer schlagen. Irgendwie hat sich die Gesinnung von Max
Klaar eingebrannt.
„Ich stehe für eine Theologie und eine Arbeit, die das Gegenprogramm zu Max
Klaar ist“, sagt Cornelia Radeke-Engst. Die Pfarrerin der
Nagelkreuzgemeinde hat nichts Militärisches an sich. In der sächsischen
Oberlausitz geboren, kann sie auch kaum als Preußin gelten. Dem Turm werde
ein neuer Geist innewohnen, versichert sie. Und so wird nicht nur das alte
Lied von Unterordnung und Pflichterfüllung über Potsdam erklingen, sondern
ebenso ein pazifistisches Gebet. „Gibt Frieden, Herr, gib Frieden“ wird das
Repertoire des Glockenspiels am neuen Turm ergänzen, erzählt Radeke-Engst.
Und auch zu ebener Erde werde es eine andere Intention geben. „‚Richte
unsere Füße auf den Weg des Friedens‘, wird in fünf Sprachen am Sockel
stehen“, sagt Radeke-Engst. Das Wort aus dem Lukasevangelium wird den Turm
in mächtigen Lettern umlaufen.
Auch wenn der Turm wegen der Finanzlücke zunächst unvollendet bleibt, soll
er doch voll funktionsfähig sein – mit Café, Aussichtsplattform und einer
Bildungsstätte für „Friedens- und Versöhnungsarbeit“. Die Erinnerung an …
„Tag von Potsdam“ wird genauso thematisiert wie der Widerstand des
Infanterieregiments 9. Einige ihrer Offiziere, alle Gemeindeglieder der
Garnisonkirche, waren führend an der Verschwörung vom 20. Juli 1944
beteiligt.
Es wird Angebote an Gruppen geben, an Schulklassen, Kirchengemeinden, mit
Gottesdiensten, Seminaren, gar von einer „Schule des Gewissens“ ist die
Rede. Unter dem Dreiklang „Geschichte erinnern, Verantwortung lernen,
Versöhnung leben“ wirft die evangelische Kirche Argument über Argument in
die Diskussion, um ein Kunststück zu vollbringen, das heikel ist: Einen
alten Turm so originalgetreu wieder entstehen zu lassen, dass alten und
neuen Preußen das Herz in der Brust bebt, und der doch nichts mit dem
reaktionären Geist zu tun haben darf. Cornelia Radeke-Engst formuliert es
so: „Sobald du den alten Turm aufbaust mit der Zier, dann zieht der alte
Geist wieder in die Kirche ein, wie die Kritiker sagen – so kann man als
Christ nicht denken.“
## Der Protest formiert sich
„Warum muss man die ehemalige Garnisonkirche wieder errichten, um, wie
behauptet wird, die Ideologie und Wirkungsgeschichte, die sie
repräsentiert, zu widerlegen?“, lautet die Gegenfrage. Kritiker haben sie
an Frank-Walter Steinmeier gerichtet. Sie fürchten, dass rechtsextreme,
nationalistische und geschichtsrevisionistische Kräfte „den Wiederaufbau
der Garnisonkirche als Bestätigung ihrer politischen Ansichten in Anspruch
nehmen und propagieren“.
91 Unterschriften trägt der entsprechende Brief an den Bundespräsidenten,
der im Juni 2017 die Schirmherrschaft über den Wiederaufbau übernommen hat.
Unterzeichnet von Mitgliedern der Initiative „Christen brauchen keine
Garnisonkirche“, von ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern wie Ruth Misselwitz und
Friedrich Schorlemmer, von Künstlern und Publizisten, etwa Klaus Staeck,
Uwe-Karsten Heye und natürlich Gerhard Bauz von der
Martin-Niemöller-Stiftung. Der Mann hat nach jenem Abend, an dem er von
Cornelia Radeke-Engst ermahnt wurde, Hausverbot in der Nagelkreuzkapelle
erhalten.
Steinmeier hat sich zu dem Schreiben nicht öffentlich geäußert, aktiv wurde
das Bundespräsidialamt trotzdem. Am 12. Oktober 2018 trat in der
Nagelkreuzkapelle unter Vorsitz des Historikers Paul Nolte erstmals eine
„Wissenschaftlicher Beirat“ zusammen, der den Wiederaufbau mit „kritischem
Blick“ verfolgen und mit „Sachverstand“ unterstützen soll. Nolte, Profes…
für Neuere Geschichte in Berlin, verspricht, dass man sich als Erstes um
die Online-Ausstellung der Stiftung Garnisonkirche kümmern wolle.
Als gäbe es keinen „Tag von Potsdam“, keine Festpredigt, keine
protestantisch-nationale Erhebung, thematisiert die virtuelle Exposition
nur die Geschichte der Kirche von 1945 bis zu ihrer Sprengung 1968. Ihr
Tenor: Die evangelische Kirche war Opfer, sei es als Einrichtung, sei es
als Bauwerk. Doch wesentliche Personen bleiben dabei unterbelichtet.
Etwa Winfried Wendland. Der Kirchenbaurat gilt als Retter der
Garnisonkirche, weil er nach Kriegsende den Turmstumpf sichern und im
Innern eine Kapelle einrichteten ließ. Zuvor jedoch hatte Wendland zu
Nazi-Zeiten eine glänzende Karriere hingelegt, als „Reichsreferent für
bildende Kunst der deutschen Christen“, Referent für Kunst im preußischen
Kultusministerium und Autor von Aufsätzen über die „nationalsozialistische
Kulturpolitik“. Wendland träumte nach dem siegreichen Krieg von bedeutenden
Kirchenbauten mitsamt Kriegerehrung.
## Blinde Flecke in der Kirchengeschichte
Es kam anders. Das nötige Geld für die Turmkapelle besorgte sich Wendland
bei seinem Freund Oskar Söhngen, Oberkonsistorialrat in Berlin. Vor 1945
tat sich Söhngen als Musikdezernent bei der „Entjudung“ der deutschen
Kirchenmusik hervor. Söhngens Vorgesetzter war der Berliner Bischof Otto
Dibelius. Dibelius, der sich seines Antisemitismus rühmte, brachte das
Kunststück fertig, nicht nur am „Tag von Potsdam“ die Festpredigt zu
halten, sondern auch bei der Eröffnung des ersten Deutschen Bundestags
1949, da war er schon CDU-Mitglied – eine protestantische Karriere. Anders
als etwa Martin Niemöller, den Namensgeber der Stiftung, in dessen Vorstand
Gerhard Bauz sitzt. Niemöller, im Ersten Weltkrieg U-Boot-Kommandant, nach
1933 „Schutzhäftling“ Hitlers in Sachsenhausen und Dachau, hat sich nach
1945 vehement für die atomare Abrüstung eingesetzt. So sehr, dass er in der
EKD bald als „Kommunistenfreund“ galt und an den Rand gedrängt wurde. Der
Wissenschaftliche Beirat wird gut zu tun haben, auch bei der Bewertung der
Rolle der Kirche am „Tag von Potsdam“.
Egal, mit wem man sich aus der Stiftung Garnisonkirche unterhält – ein
Hinweis fehlt nie: Was sind 45 Minuten Staatsakt bei einer Kirche, die mehr
als 200 Jahre existiert hat? Ein Vogelschiss, würde der Potsdamer Alexander
Gauland wohl antworten. Der AfD-Mann sei einmal kurz in der
Nagelkreuzkapelle gesichtet worden, heißt es, sei aber bald verschwunden.
Das muss kein Zeichen von Desinteresse sein. Die AfD arbeitet gerade an der
„erinnerungspolitischen Wende“. Ihr Initiator Björn Höcke hat die
Rekonstruktionen von Schlössern und Kirchen fest im Blick, für ihn Zeichen
des Selbstbehauptungswillens eines gebeutelten Volkes. Nur eines fehlt
noch. „Es geht darum, den neu entstandenen Fassaden einen neuen, würdigen
Geist einzuhauchen“, sagte Höcke bei seiner Dresdner Rede im Januar 2017.
Auf den neuen, friedfertigen Geist sind sie in der Garnisonkirche besonders
stolz. Doch Geist ist etwas Flüchtiges. Nur Mauern sind stabil.
1 Nov 2018
## AUTOREN
Thomas Gerlach
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Kolonialgeschichte
Schwerpunkt Nationalsozialismus
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