# taz.de -- Kommentar Garnisonkirche Potsdam: Von wegen Versöhnung | |
> Die rekonstruierte Garnisonkirche in Potsdam soll ein Versöhnungszentrum | |
> werden. Doch das Gebäude war auch immer ein Magnet für Rechte. | |
Bild: Stein des Anstoßes: Marianne von Weizsäcker und Wolfgang Huber unterst�… | |
Seit fast dreißig Jahren wird über den [1][Wiederaufbau der Potsdamer | |
Garnisonkirche] gestritten. Ein Ende ist noch immer nicht in Sicht. Wer den | |
Streit verstehen will, der muss sich mit der verhängnisvollen Geschichte | |
des Gebäudes beschäftigen. Denn die Garnisonkirche war nie irgendein | |
Bauwerk, sondern ein überregional bekannter politischer Symbolbau, der vor | |
allem auf rechtsgerichtete Kreise eine magnetische Anziehungskraft ausgeübt | |
hat. Weltweit bekannt wurde sie am sogenannten „Tag von Potsdam“ am 21. | |
März 1933, als Hitler und Hindenburg in der Garnisonkirche die Gründung des | |
„Dritten Reiches“ per Handschlag besiegelten. | |
Die politische Karriere des Gebäudes begann allerdings viel früher. | |
Spätestens seit der Reichsgründung 1871 bildete die Kirche die Kulisse für | |
martialische Siegesfeiern und nationalistische Aufmärsche. Diese Funktion | |
wurde durch die Architektur wirkungsvoll unterstrichen: Der 88 Meter hohe | |
Turm, der als höchstes Bauwerk die Potsdamer Stadtsilhouette beherrschte, | |
trumpfte mit einer Unzahl an Waffenbündeln, Gewehren, Schwertern und | |
Pistolen auf. | |
Diese Bedeutung ging auch nach der Novemberrevolution 1918 nicht verloren. | |
Im Gegenteil: Die Garnisonkirche entwickelte sich nun zur | |
demokratiefeindlichen Trutzburg, in der rechtsextreme Organisationen ihren | |
Hass demonstrierten. Dieser Weg führte weiter ins „Dritte Reich“, in dem | |
die Garnisonkirche als „erste Soldatenkirche der Wehrmacht“ fungierte. Der | |
hier propagierte Krieg schlug schließlich auf die Kirche zurück: Am 14. | |
April 1945 wurde sie durch einen britischen Luftangriff zerstört, 1968 die | |
Ruine abgerissen. | |
Doch 1968 war die Geschichte noch keineswegs beendet. Denn die | |
Zivilgemeinde der Garnisonkirche, die sich nun Heilig-Kreuz-Gemeinde | |
nannte, blieb bestehen und vollzog einen eindrucksvollen Wandlungsprozess. | |
Als Ersatz für die Garnisonkirche baute sie sich eine neue Heimstätte, das | |
Heilig-Kreuz-Haus, das in vielen Punkten das Gegenteil der Garnisonkirche | |
verkörperte. | |
## Zwischen Friedensbewegung und rechtem Aktivismus | |
Es entstand ein betont schlichtes Gebäude ohne jeden Waffenschmuck, dafür | |
aber mit freundlichen, vielfältig nutzbaren Räumen für Gottesdienste, | |
Lesungen, Konzerte, Diskussionen. Mehr noch: Das Heilig-Kreuz-Haus | |
entwickelte sich zu einem überregional bekannten Zentrum der kirchlichen | |
Friedens- und Demokratiebewegung in der DDR, das den Boden für die | |
Friedliche Revolution von 1989/90 bereitete. | |
1990 zeigte sich dann allerdings auch, dass die Anziehungskraft der alten | |
Garnisonkirche noch immer virulent war. Gleich nach der deutschen Einheit | |
setzten Wiederaufbaubemühungen ein. Die Heilig-Kreuz-Gemeinde trat diesen | |
Bestrebungen entgegen: Der Gemeindekirchenrat sprach sich 1990 klar gegen | |
den Wiederaufbau aus. Bewirkt hat er nichts. Sowohl die 2004 gegründete | |
Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche (FWG) wie auch | |
die 2008 gebildete [2][Stiftung Garnisonkirche Potsdam (SGP)] arbeiten | |
seitdem am Wiederaufbauprojekt. Mit Erfolg: Im Oktober 2017 war Baustart | |
für den Turm. | |
Die Wiederaufbauaktivisten betonen immer wieder, dass in der Garnisonkirche | |
keine rechte Wallfahrtsstätte, sondern ein Friedens- und Versöhnungszentrum | |
entstehen soll. Es ist auch keine Frage, dass im Kuratorium der SGP | |
durchaus honorige Persönlichkeiten, wie der ehemalige brandenburgische | |
Ministerpräsident Matthias Platzeck, vertreten sind. Doch gleichzeitig | |
entfaltet die Garnisonkirche schon jetzt eine verhängnisvolle Eigendynamik, | |
die kaum zu kontrollieren ist. | |
Für das Gebäude, dessen Architektur so eindeutig die militärische Stärke | |
feiert, begeistern sich eben weniger friedensorientierte Kräfte als | |
rechtsgerichtete Aktivisten. In Internetforen erhält man schnell einen | |
Eindruck davon, welche Anziehungskraft das Gebäude noch immer auf sie | |
ausübt. Auch die Spender, die den Wiederaufbau ja in erster Linie | |
finanzieren sollen, rekrutieren sich nicht vorrangig aus | |
friedensorientierten Kreisen. Nach einer Übersicht der FWG engagieren sich | |
nur 5 Prozent der Spender für den Wiederaufbau, weil sie eine Friedens- und | |
Versöhnungsarbeit wollen. | |
## Skandale begleiten den Wiederaufbau | |
Nicht zuletzt wegen dieses Dilemmas sorgt das Wiederaufbauprojekt | |
regelmäßig für Skandale. 2004 erregte ein von der FWG verbreiteter „Ruf aus | |
Potsdam“ Aufsehen. In diesem wurde der Eindruck erweckt, dass der britische | |
Luftangriff vom 14. April 1945 ungerechtfertigt gewesen wäre. | |
2015 lobte der damalige FWG-Vorsitzende [3][Burkhart Franck] die | |
„beispiellosen organisatorischen Leistungen der Wehrmacht bei der | |
Vorbereitung, Durchführung und Fortsetzung der Mobilmachung bis zum | |
Äußersten“. Ein anderes Vorstandsmitglied, Andreas Kitschke, fiel mehrfach | |
durch geschichtsrevisionistische Thesen auf. Er behauptete etwa, dass der | |
Handschlag zwischen Hitler und Hindenburg am „Tag von Potsdam“ in der | |
Garnisonkirche nie stattgefunden hätte. | |
SGP und FWG fällt es schwer, sich von diesen Umtrieben zu distanzieren. Der | |
„Ruf aus Potsdam“ ist nach wie vor auf der gemeinsamen Internetpräsenz zu | |
finden, und Andreas Kitschke darf weiterhin sein Gedankengut auf | |
Veranstaltungen der Wiederaufbaubefürworter verbreiten. Ganz anders ergeht | |
es dagegen Kräften, die sich den Traditionen der kirchlichen | |
Friedensbewegung verpflichtet fühlen. Die Martin-Niemöller-Stiftung etwa | |
engagiert sich für ein Friedenszentrum ohne Waffenschmuck, das auch die | |
friedenspolitischen Traditionen der Heilig-Kreuz-Gemeinde aufgreift. | |
Doch von der SGP und FWG wird die Martin-Niemöller-Stiftung wie ein Gegner | |
behandelt. Ein Mitarbeiter der Stiftung erhielt sogar Hausverbot, weil er | |
auf einer Veranstaltung der SGP einen Diskussionsbeitrag halten wollte. Die | |
Heilig-Kreuz-Gemeinde wiederum wurde Anfang dieses Jahres an eine andere | |
Gemeinde angegliedert. Am Ende wird der Turm vielleicht fertig. Doch ein | |
Friedens- und Versöhnungszentrum wird auf diese Weise kaum entstehen. | |
12 Mar 2019 | |
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## AUTOREN | |
matthias grünzig | |
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