| # taz.de -- Streit um Garnisonkirche in Potsdam: Ein Fall von Kirchturmpolitik | |
| > Eine Stiftung will den Wiederaufbau der Kirche – gegen den es ein | |
| > Bürgerbegehren gab. Nachdem die Stiftung auf mehrere Millionen Euro | |
| > hoffen darf, verschärft sich der Streit erneut. | |
| Bild: Hier stand sie mal, hier soll sie wieder hin: einstiger Standort der Garn… | |
| Ganz nah am Himmel. Vom höchsten Aussichtspunkt der Stadt könnte der Blick | |
| über das wiederaufgebaute Stadtschloss, schmucke Stadthäuser und den Park | |
| Sanssouci von einer barocken Perle zur anderen schweifen. 57 Meter hoch und | |
| barrierefrei zu erreichen – gegen einen kleinen Obolus. So ist es in einer | |
| Broschüre beschrieben, mit der die Befürworter des Projekts um Zustimmung | |
| werben. | |
| Doch was da beworben wird, ist alles andere als ein simpler Aussichtspunkt, | |
| sondern der Turm der Potsdamer Garnisonkirche. Die im Zweiten Weltkrieg | |
| schwer beschädigte und 1968 gesprengte Kirche soll nämlich wieder aufgebaut | |
| werden. | |
| Dieses Ziel versucht eine vor zehn Jahren gegründete Stiftung zu erreichen | |
| – bisher ohne Erfolg. Wie sich gezeigt hat, ist es alles andere als leicht, | |
| dafür Geld aufzutreiben. Gerade mal 6,6 Millionen Euro Spenden sind bisher | |
| im Klingelbeutel gelandet – und größtenteils bereits für die Bauplanung | |
| ausgegeben worden, wie die Stiftung am Montag mitteilte. Insgesamt | |
| veranschlagt sie nun 37,8 Millionen Euro Gesamtkosten. Rechnet man eine | |
| Förderzusage des Bundes aus dem Jahr 2013 über zwölf Millionen Euro für das | |
| „Projekt von nationaler Bedeutung“ und weitere versprochene Mittel ein, | |
| fehlen nach wie vor fast 17 Millionen Euro. | |
| ## Neuer Geldsegen | |
| Doch nun deutet sich ein Geldsegen für das Kirchbauprojekt an: Die | |
| Garnisonkichenstiftung und die Evangelischen Kirche | |
| Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Ekbo) führen Gespräche. Dabei | |
| soll es um eine Starthilfe für den Bau des Turms gehen, wie | |
| Kommunikationsvorstand Wieland Eschenburg es nennt. Die Ekbo kommuniziert | |
| das etwas zurückhaltender. Stiftungsvertreter hätten die Kirchenleitung | |
| über den Stand des Projekts informiert, so eine Sprecherin. Es soll um fünf | |
| Millionen Euro gehen. Ob das Geld als direkter Zuschuss, als Darlehen oder | |
| als Bürgschaft fließt, wird derzeit kirchenintern noch überlegt. | |
| Entscheiden müsste am Ende die Landessynode als oberstes Leitungsgremium | |
| der Ekbo. Dort sind unter anderem Mitglieder der 80 Kirchenkreise | |
| vertreten. So müssten also auch Gemeindevertreter, deren Kirchen in der | |
| ländlichen Uckermark verfallen, über die Millionenspritze für den | |
| Kirchenbau in der Potsdamer Innenstadt abstimmen. Tatsächlich gibt es in | |
| Brandenburger Gotteshäusern Sanierungsbedarf. Etwa 200 Dorfkirchen sind | |
| nach Angaben der Ekbo akut in ihrem Bestand gefährdet. Für | |
| Bestandssicherung und Sanierungen sind jährlich etwa 20 Millionen Euro | |
| nötig. | |
| Darauf spielen auch die Gegner des Wiederaufbaus an, die Bürgerinitiative | |
| für ein Potsdam ohne Garnisonkirche: „Die evangelische Kirche verliert ihre | |
| Glaubwürdigkeit bei ihren Mitgliedern, wenn sie um staatliche | |
| Denkmalpflege-Gelder und Spenden für ihre bestandsgefährdeten Gebäude | |
| bittet, während für einen umstrittenen Kirchenneubau ohne kirchliche | |
| Gemeinde eine große finanzielle Beteiligung durch die Kirche möglich | |
| erscheint“, so Sprecher Simon Wohlfahrt. | |
| Auch die Linke entdeckt ihr Herz für marode Sakralbauten: „Im ganzen Land | |
| Brandenburg zerfallen die Kirchen“, so Potsdams Linke-Vorsitzender Sascha | |
| Krämer. Und nun solle die Landeskirche fünf Millionen Euro für eine nicht | |
| vorhandene Kirche ausgeben. „Was wird das für ein Schlag ins Gesicht aller, | |
| die um den Erhalt ihrer Kirche kämpfen?“, so Krämer. | |
| Doch für die eine oder andere Dorfkirche gab es kürzlich unerwartete | |
| Unterstützung – und auch die steht in Zusammenhang mit der Garnisonkirche. | |
| So flossen mehrere Millionen Euro unter anderem an drei Kirchengemeinden in | |
| Potsdam. Das Geld stammt aus Spenden, die die „Stiftung preußisches | |
| Kulturerbe“ unter Leitung des ehemaligen Bundeswehroffiziers Max Klaar | |
| gesammelt hat – ursprünglich für den Wiederaufbau der Garnisonkirche „als | |
| Symbol des christlichen Preußens“. Klaar, der in der Vergangenheit unter | |
| anderem gegen die sogenannte Befreiungslüge ätzte und den Angriff | |
| Hitlerdeutschlands auf Polen 1939 infrage stellte, konnte sich mit dem | |
| offiziellen Konzept der Garnisonkirche als Versöhnungszentrum nicht | |
| anfreunden. Im vergangenen Jahr erklärte er seinen Ausstieg aus dem | |
| Projekt. | |
| Offiziell hatte die evangelische Landeskirche im Sommer 2015 ihren | |
| Gemeinden empfohlen, kein Geld von der Klaar-Stiftung anzunehmen. Härter | |
| reagierte das katholische Erzbistum, das eine Zusammenarbeit mit der | |
| Klaar-Stiftung ausschloss. Der Landtag Brandenburg sprach gar von | |
| „kontaminiertem Geld“, das nicht für die Aufstellung einiger historischer | |
| Figuren auf dem Dach der Volksvertretung genutzt werden dürfe. | |
| Der Wiederaufbau der Kirche ist auch wegen seiner historischen Belastung | |
| umstritten: Am 21. März 1933 gaben sich dort Hitler und Hindenburg | |
| anlässlich der Eröffnung des neuen Reichstages die Hand. Die | |
| konstituierende Sitzung fand in der Garnisonkirche statt, weil das Berliner | |
| Reichstagsgebäude wenige Wochen vorher abgebrannt war. Aber der Ort war | |
| auch ein Symbol. Im 18. Jahrhundert war die Kirche unter dem sogenannten | |
| Soldatenkönig errichtet worden. Jahrhunderte war die Garnisonkirche eine | |
| Militärkirche. Für so ziemlich jeden Krieg Preußens wurden dort die Waffen | |
| gesegnet. Wie das zum postulierten Versöhnungsgedanken der | |
| Wiederaufbaubefürworter passen soll, fragen seit Jahren die Gegner der | |
| Garnisonkirche. | |
| Die Positionen in der Sache sind jedenfalls bisher unversöhnlich. | |
| Befürworter pochen auf ihr Baurecht, Gegner verweisen auf ein erfolgreiches | |
| Bürgerbegehren. Vor zwei Jahren hatten mehr als 14.000 Potsdamer gegen den | |
| Wiederaufbau unterschrieben. Kurioserweise akzeptierte das Stadtparlament | |
| mit der Mehrheit der Wiederaufbaubefürworter – und gab damit dem | |
| Oberbürgermeister den Auftrag, im Stiftungskuratorium den Verzicht auf das | |
| Projekt zu beantragen. Was dort natürlich abgelehnt wurde. Die | |
| Organisatoren des Bürgerbegehrens fühlten sich verschaukelt. | |
| Seit dem vergangenen Jahr versucht die Stadtspitze die Wogen mit einen | |
| sogenannten Bürgerdialog zu glätten. Doch die Teilnehmer konnten sich | |
| bisher nicht mal über das Format des Dialogs einig werden. Schließlich | |
| würde ein ergebnisoffenes Gespräch bedeuten, dass beide Seiten auf ihre | |
| Maximalforderungen verzichten. Gegner der Kirche beklagen, es fehle die | |
| Möglichkeit zu wirklicher Mitbestimmung, und drohen mit dem Ausstieg. | |
| Unterdessen hat die Stadtspitze eine besonders kreative Idee gehabt, wie | |
| man den Konflikt lösen kann: Sie will 25 zufällig ausgewählte Einwohner | |
| einen Kompromiss erarbeiten lassen. Die Linke und die Bürgerinitiative für | |
| ein Potsdam ohne Garnisonkirche fordern dagegen eine Bürgerbefragung. | |
| Die Unterstützung der evangelischen Kirche käme für Freunde der | |
| Garnisonkirche gerade recht. Denn dem Projekt läuft die Zeit davon. Vor | |
| drei Jahren hatte die Stiftung eine Baugenehmigung beantragt – wohl auch in | |
| der Hoffnung, damit potenzielle Spender zu animieren. Nach | |
| brandenburgischem Baurecht läuft die Genehmigung im Jahr 2019 aus, so ein | |
| Sprecher der Stadtverwaltung. Mit dem Bau müsste demnach spätestens 2018 | |
| begonnen werden. Der insgesamt 88 Meter hohe Turm müsste innerhalb von zwei | |
| Jahren hochgezogen werden. Die Stiftung selbst peilt einen Baustart im | |
| kommenden Jahr an. | |
| Wie sie das schaffen will, ist noch nicht klar. Am Montag gab die Stiftung | |
| erstmals an, möglicherweise auf Pump mit dem Bau zu beginnen. Die Stiftung | |
| müsste das geliehene Geld dann später abstottern. Dabei soll schließlich | |
| die Idee mit der Aussichtsplattform helfen. Stiftung und Fördergesellschaft | |
| rechnen nämlich mit bis zu 100.000 Besuchern jährlich. In der benachbarten | |
| Nikolaikirche kostet der Zutritt zur Aussichtsturm fünf Euro. Legt man das | |
| zugrunde, würde es etwa 34 Jahre dauern, das geliehene Geld zurückzuzahlen | |
| – Zinsen nicht mitgerechnet. | |
| 19 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Zschieck | |
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