# taz.de -- Militarismus: Comeback der Soldatenkirche | |
> Die Potsdamer Garnisonkirche, in der Hitler einst Hindenburg umarmte, | |
> soll wieder aufgebaut werden. Den früheren Pfarrer Uwe Dittmer ärgert | |
> das: Wer braucht noch dieses militärische Symbol? | |
Bild: Die Garnisionskirche auf einer alten Postkarte | |
Pfarrer Uwe Dittmer leitete im April 1968 den letzten Gottesdienst in der | |
Potsdamer Garnisonkirche. Bis zuletzt sprach er sich gegen den Abbruch aus. | |
"Wir haben gesagt, ein solches barockes Bauwerk reißt man nicht einfach | |
ab." Aber jeglicher Appell war zwecklos. Die Sprengung wenige Wochen später | |
erfolgte auf Anordnung Walter Ulbrichts. | |
Dem damaligen DDR-Staatsoberhaupt war es ein besonderes Anliegen, | |
preußische Prunkbauten zu schleifen. Für die barocke Kirche aus dem 18. | |
Jahrhundert, die wie kein anderes Gebäude für eine kriegerische Tradition | |
stand, war kein Platz mehr. In der Kirche waren der Soldatenkönig Friedrich | |
Wilhelm I. und sein Sohn Friedrich II. bestattet, Pfarrer segneten die | |
Verbände, bevor sie in den Krieg zogen. Hitler nutzte beim "Tag von | |
Potsdam" 1933 die Kirche, um den greisen Hindenburg zu umgarnen und das | |
Militär hinter sich zu bringen. Die Sprengung 1968 war eine Abrechnung mit | |
dem militärischen Erbe. | |
Uwe Dittmer kam 1966 als junger Pfarrer nach Potsdam und fand eine | |
konservative Heilig-Kreuz-Gemeinde in den Straßen rund um die | |
Garnisonkirche vor. Unter dem neuen Pfarrer änderte sich das Gemeindeleben. | |
Dittmer arbeitete mit Jugendlichen und Studenten zusammen und versuchte sie | |
in das Gemeindeleben zu integrieren. "Dafür mussten wir autoritäre Rituale | |
aufweichen, wo der Pfarrer leitet und die Gemeinde empfängt", erinnert sich | |
der seit neun Jahren pensionierte Dittmer. Als Ort für die Gottesdienste | |
diente eine improvisierte Kapelle im Turm der Garnisonkirche. Das große | |
Kirchenschiff blieb eine Ruine. Niemand habe ernsthaft darüber nachgedacht, | |
die Kirche wieder aufzubauen, so Dittmer. "Wer soll das denn bezahlen und | |
wer unterhalten? Und was soll eine kleine Gemeinde mit einer Kirche für | |
2.000 Leute?", fragte er damals. Als die Kirche dann im Juni 1968 | |
verschwunden war und die Gemeinde mit 600.000 Mark entschädigt wurde, war | |
er doch froh, dass der militärische Ballast endlich fort war. | |
Kurz nach dem Fall der Mauer verurteilte die Potsdamer | |
Stadtverordnetenversammlung den Abriss der barocken Kirche als Akt der | |
"kulturellen Barbarei". Seitdem gibt es Bemühungen, die Garnisonkirche | |
wieder aufzubauen. Vor drei Jahren hat der Evangelische Kirchenkreis | |
Potsdam ein Nutzungskonzept dafür erstellt. Demnach soll das Gotteshaus | |
eine Stadtkirche werden und vor allem der Friedens- und Versöhnungsarbeit | |
dienen. Nun erfolgte am 40. Jahrestag der Sprengung die Gründung einer | |
Stiftung, der die Stadt Potsdam sowie kirchliche Träger, darunter auch die | |
Landeskirche, beigetreten sind. Die Stadt bringt das Grundstück mit in die | |
Stiftung ein. Stadtkirchenpfarrer Markus Schütte freut das. Dann sei es | |
leichter, Förderer zu finden, hofft er. Denn die Finanzierung soll | |
weitestgehend mit privaten Spenden erfolgen. | |
Dittmer fühlte sich bei der Grundstücksvergabe nach der Wende allerdings | |
übergangen: Die Rückübertragung hätte nämlich der Heilig-Kreuz-Gemeinde | |
zugestanden. Die Treuhand aber verkaufte das Gebäude an Alldata Systems - | |
eine IT-Firma, die im Bankwesen arbeitet - mit dem ausdrücklichen Zusatz, | |
dass bei einer Neuerrichtung der Kirche das Grundstück der Stadt zufallen | |
solle. Wohlweislich sei die Heilig-Kreuz-Gemeinde außen vor geblieben, | |
meint Pfarrer Dittmer, weil sie sich klipp und klar gegen den Wiederaufbau | |
der Soldatenkirche ausgesprochen habe. "Wir haben uns gefragt, für wen soll | |
denn die Kirche wieder aufgebaut werden?" | |
Im näheren Umkreis der Garnisonkirche gebe es drei große evangelische | |
Kirchen, und bei den Gottesdiensten herrsche meistens gähnende Leere. Es | |
gebe zwar vielfältige Nutzungsvorschläge für die neue Kirche, aber die | |
könnten alle auch in den bestehenden Häusern umgesetzt werden, findet | |
Dittmer. "Das geschieht aber nicht. Da entsteht der Eindruck, dass das | |
alles Geschwätz ist. Nur der Wille, die Kirche wieder aufzubauen, der ist | |
unerschütterlich." | |
Das Geld für den Wiederaufbau könne nun weiß Gott sinnvoller genutzt | |
werden, so der alte Pfarrer. "Ich bin doch kein Christ wegen der hübschen | |
Kirchen, sondern weil mich Jesus Christus fasziniert. Und der würde heute | |
wahrscheinlich fragen: Sagt mal, hört ihr keine Nachrichten? Habt ihr | |
nichts anderes im Kopf?" Pfarrer Dittmer erzürnt sich und kramt im | |
Papierkorb ein Schreiben der Katharina-Witt-Stiftung hervor, auch ein | |
Spendenaufruf, der dem behinderten Jungen Tony aus Indien mit einer | |
Beinprothese helfen soll, neuen Lebensmut zu bekommen. | |
Für den Aufbau der Garnisonkirche, der nach Schätzungen 90 bis 100 | |
Millionen Euro veranschlagt, fehlen bislang die Mittel. Der symbolische | |
Grundsteinlegung zum 60. Jahrestag der Bombardierung Potsdams vor drei | |
Jahren folgte der "Ruf aus Potsdam". | |
Dieser groß angelegte Spendenaufruf hat allerdings bislang nur wenig | |
Aufmerksamkeit bekommen - trotz der vielfach prominenten Unterstützung, | |
etwa vom ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, | |
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) oder Innenminister Jörg Schönbohm | |
(CDU). Lutz Boede von der Potsdamer Fraktion Die Anderen wundert das wenig: | |
"Die Garnisonkirche hatte zu keiner Zeit eine bürgerliche Tradition. Sie | |
war immer eine Soldatenkirche. Warum sollte sich also das Bürgertum jetzt | |
auf einmal für einen Aufbau starkmachen?", fragt der Bürgerrechtler. | |
Allerdings gab es auch in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung eine | |
Mehrheit für die Stiftungsgründung. Selbst Teile der Linken stimmten zu - | |
allerdings wohl weniger aus Affinität zum preußischen Prunk, als um sich | |
vor der Kommunalwahl schon mal als Koalitionspartner für die SPD zu | |
empfehlen. | |
Eine symbolische Tragweite hat der Wiederaufbau der Soldatenkirche dagegen | |
für rechte Kreise; dort findet er entsprechend Unterstützung. Eine | |
Traditionsgemeinschaft um den Oberstleutnant a. D. Max Klaar aus | |
Nordrhein-Westfalen hat bereits 1991 das Glockenspiel der Kirche mittels | |
Spenden finanziert. Obwohl es für einen Wiederaufbau noch gar keine | |
konkreten Pläne gab, wurde weiter jahrelang Gelder gesammelt. Laut Klaar | |
kamen dabei bislang 5,8 Millionen Euro zusammen. Als vor drei Jahren die | |
evangelische Kirche in Potsdam ein Nutzungskonzept für die Garnisonkirche | |
erarbeitete, kam es zum Disput. Denn Preußenschwärmer Klaar lehnt jegliche | |
Versöhnungsarbeit in der Kirche strikt ab - und hat sich aus der Debatte | |
zurückgezogen. Die Spenden verwaltet indessen eine von ihm gegründete | |
"Preußische Stiftung für Kultur" - offenbar in Lauerstellung, um zu | |
gegebener Zeit wieder ins Geschehen eingreifen zu können. | |
Diese Gefahr wittert zumindest Dittmer. Denn die anfängliche Priorität des | |
Erinnerns und Versöhnens im Nutzungskonzept sieht der Pfarrer im weiteren | |
Planungsverlauf der Stiftung mehr und mehr vernachlässigt. Dass das aus | |
Kalkül geschieht und nicht aus juristischer Notwendigkeit einer | |
Stiftungsgründung, wie das sein Kollege Markus Schütte behauptet, kann sich | |
Dittmer durchaus vorstellen. Schließlich gebe es ja noch die knapp 6 | |
Millionen Euro von dem Zirkel um Max Klaar. | |
Angesichts dieser großen Summe, die Militaristen an der Schwelle zum | |
Rechtsextremismus gesammelt haben, erinnert Lutz Boede nachdrücklich an den | |
Symbolwert des Gebäudes: "In jedem Schulbuch ist schließlich der Handschlag | |
von Hitler und Hindenburg abgebildet", sagt Boede. Stadtkirchenpfarrer | |
Markus Schütte erkennt darin wiederum linke Stimmungsmache. Man dürfe 236 | |
Jahre Kirchengeschichte nicht an einem Tag messen, an dem die Nazis die | |
barocke Kirche missbraucht hätten. | |
Dass aber eine wiederaufgebaute Garnisonkirche dem rechten Rand zum Symbol | |
werden könne - sei es dem plumpen Neonazi oder einem in die Vergangenheit | |
gewandten Militaristen -, hält auch Uwe Dittmer für möglich. "Man kann sich | |
ja gar nicht vorstellen, was für Predigten in dieser Kirche vor den | |
preußischen Soldaten gehalten wurden, die in den Krieg ziehen sollten." | |
10 Sep 2008 | |
## AUTOREN | |
Stefan Otto | |
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Potsdam | |
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