| # taz.de -- Der Glücksburger Adel und die Nazis: Kaffee mit dem Gestapo-Chef | |
| > Prinzessin Helena von Glücksburg empfing Nazi-Granden, und Prinz | |
| > Friedrich Ferdinand unterstützte nach 1945 Ex-SS-Leute. Eine Aufarbeitung | |
| > fehlt bis heute | |
| Bild: Äußert sich nicht zur Nähe einiger seiner Vorfahren zum NS-Regime: Pri… | |
| GLÜCKSBURG taz | Adel fängt im Vorzimmer an: „So, so, zur NS-Zeit wollen | |
| Sie forschen“, sagt die Sekretärin auf Gut Grünholz leicht indigniert. „Da | |
| muss ich erst den Prinzen fragen.“ Der Prinz – das ist Christoph, aktuelles | |
| Oberhaupt der Herzöge von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, einer | |
| 1825 gegründeten Nebenlinie des Hauses Oldenburg. | |
| Bis heute stellen die Schleswig-Holsteiner die Monarchen von Dänemark und | |
| Norwegen, besitzen neben Schloss Glücksburg das erwähnte Gut Grünholz mit | |
| über 1.200 Hektar Land. Auch Schloss Louisenlund und Gut Bienebek gehören | |
| dem 66-jährigen Land- und Forstwirtschafts-Ingenieur, seiner Frau und den | |
| vier Kindern. | |
| Künftiger Schlossherr soll der älteste Sohn Friedrich Ferdinand werden, so | |
| will es die Tradition. Und nicht nur das: Selbstverständlich hat er den Ruf | |
| der Familie zu wahren und dem Vaterland zu dienen. Das versteht sich für | |
| Angehörige des Adels bis heute von selbst. | |
| Konkret heißt das, erstens, amouröse Skandale voriger Jahrhunderte bis auf | |
| den heutigen Tag zu vertuschen, obwohl kein Hahn mehr danach kräht. | |
| Zweitens impliziert es eine Nähe zum Militär, des traditionell | |
| vorherrschenden, weil sicheren Karriereweges für nachgeborene Söhne ohne | |
| ererbte Ländereien. | |
| Diese Affinität des Adels zur Armee gilt auch für die NS-Zeit. Aber was | |
| genau die Vorfahren taten, arbeitet das schleswig-holsteinische Herzogshaus | |
| so wenig auf wie die anderen Adelsfamilien. „Der schleswig-holsteinische | |
| Adel schottet sich ab und öffnet keine Archive“, bestätigt Rainer Hering, | |
| Leiter des Landesarchivs Schleswig-Holstein. „Deshalb gibt es wenig | |
| Forschung dazu.“ | |
| Das Kalkül, Spuren durch Schweigen zu verwischen, scheint also aufzugehen. | |
| Doch wer schweigt, macht sich verdächtig, und wenn die bekannten Fakten nur | |
| die Spitze des Eisbergs wären, hätten sich die zu | |
| Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg mittelfristig keinen Gefallen | |
| getan. | |
| Da wäre zum Beispiel das denkwürdige Verhalten der Prinzessin Helena | |
| Adelheid Viktoria Marie (1888–1962). 1909 heiratete sie Prinz Harald von | |
| Dänemark; es war die einzige deutsch-dänische Ehe des Hauses Glücksburg | |
| überhaupt. Prompt scheiterte die Prinzessin an der Doppel-Identität, indem | |
| sie ihr Deutschtum auch dann noch betonte und pflegte, als die Wehrmacht | |
| von 1940 bis 1945 Dänemark besetzte. | |
| Während der gesamten Besatzungszeit habe sie Wehrmachtsoffiziere und | |
| Gestapo-Granden in ihrer Villa empfangen, sagt Gerd Steinwascher, | |
| Geschichtsprofessor an der Uni Oldenburg. Das erboste nicht nur die | |
| dänische Bevölkerung, sondern auch Helenas Schwager, König Christian X., | |
| der die Nazis stets auf Abstand hielt. Sofort nach Kriegsende verbannte er | |
| Helena nach Glücksburg, ließ sie erst zwei Jahre später wieder ins Land, | |
| als ihr Mann erkrankte. | |
| Aufgearbeitet hat die traditionsbewusste Familie den Fall bis heute nicht, | |
| ganz zu schweigen von einer Distanzierung. | |
| ## Gesinnung nach 1945 | |
| Die unterblieb auch im Fall des Friedrich Ferdinand zu | |
| Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1913–1989). Früh hatte er mit dem | |
| NS-Regime sympathisiert, war 1932 zur Schwarzen Reichswehr gegangen, wurde | |
| 1941 Rittmeister, Wehrmachtsoffizier in Serbien, war Panzergrenadier in | |
| Schlesien, im Sudetenland. | |
| Über seine dortigen Taten weiß man nichts, wohl aber über seine Gesinnung | |
| nach 1945. Die blieb stramm rechts, was sich unter anderem darin zeigte, | |
| dass er in den 1960er Jahren Präsident der HIAG wurde – der | |
| „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der | |
| Waffen-SS“. | |
| Bundesweit auffällig wurde Friedrich Ferdinand während des „Flensburger | |
| Denkmalstreits“ von 1967. Vier junge Pastoren hatten die Entfernung eines | |
| steinernen Soldaten aus der Ex-Garnisonskirche St. Marien gefordert – eines | |
| kriegsverherrlichenden Ehrenmals für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. | |
| Schnell bildeten sich – sowohl unter Bischöfen und Pastoren als auch unter | |
| Politikern – zwei Fraktionen, die einander bundesweit anfeindeten.„Den | |
| Aufstand gegen die Entfernung des Ehrenmals führte Friedrich Ferdinand an“, | |
| sagt der Hamburger Historiker Stephan Linck, der gerade eine Ausstellung | |
| darüber vorbereitet. | |
| Zum damaligen Eklat gehörte auch, dass Friedrich Ferdinand zu einem | |
| Krisengespräch in einer Flensburger Gaststätte mit 50 Kameraden | |
| aufmarschierte, unter denen auch HIAG-Leute waren. „Ein befreundeter | |
| Konteradmiral ließ sogar einen Tagesbefehl verlesen, in dem er die jungen | |
| Pastoren beschimpfte“, berichtet Linck. | |
| Irgendwann wurde das umstrittene Denkmal entfernt, aber ein Verwundern über | |
| die starre, antidemokratische Haltung des Adligen bleibt: „Friedrich | |
| Ferdinand hat einfach nicht verstanden, dass die Leute nicht mehr die | |
| Hacken zusammenschlagen und tun, was er sagt. Dass sie ihm sogar zu | |
| widersprechen wagen“, sagt Linck. | |
| Wie das aktuelle Oberhaupt derer zu | |
| Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg dazu steht, erfuhr die taz nicht. | |
| Prinz Christoph meldete sich bis Redaktionsschluss nicht zurück. | |
| 6 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
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