# taz.de -- Umstrittene Potsdamer Garnisonkirche: Mehrausgaben und Mehrbedarf | |
> Die Kirche werde größtenteils aus Steuergeldern finanziert, sagt das | |
> „Rechercheteam Lernort Garnisonkirche“. Doch das Geld reiche nicht. | |
Bild: Die Baustelle der Garnisonkirche in Potsdam Anfang Dezember 2020 | |
Wenn man wissen möchte, wie weit die Rekonstruktion des Kirchturms der | |
Garnisonkirche in Potsdam seit Baubeginn 2017 vorangeschritten ist, dann | |
kann man sich über eine Webcam ein Bild machen. Auf der Website der | |
Stiftung Garnisonkirche Potsdam (SGP) übertragen zwei Kameras alle 15 | |
Minuten ein Bild der Baustelle: eins aus der Vogelperspektive, ein anderes | |
von schräg unten. | |
An diesem Märzvormittag ist der Himmel grau verhangen und eigentlich sieht | |
man gar nichts. Es fällt schwer, dieses Webcam-Bild nicht metaphorisch für | |
die aktuelle Situation des Bauprojekts zu verstehen. Denn diese scheint | |
wahrhaft trüb. | |
Die Rekonstruktion der Garnisonkirche, deren Original durch Bombardements | |
im Jahr 1945 stark zerstört und schließlich 1968 in der DDR abgerissen | |
wurde, [1][ist seit drei Jahrzehnten hoch umstritten]. Dass die Kirche | |
wiederaufgebaut werden soll, vor deren Portal am 21. März 1933 Paul von | |
Hindenburg seinem Kanzler Adolf Hitler am geschichtsträchtigen „Tag von | |
Potsdam“ die Hand schüttelte und den Schulterschluss der preußischen | |
Militärs mit den nationalsozialistischen Kräften besiegelte, stößt | |
bundesweit wie auch in Potsdam auf Unverständnis. | |
Nachdem man den rechtsradikalen Initiator des Rekonstruktionsvorhabens, | |
Oberstleutnant a. D. Max Klaar, von dem Projekt entfernte, wurden Schritte | |
unternommen, um den Wiederaufbau der ehemaligen Militärkirche in die Mitte | |
der Gesellschaft zu rücken. | |
## Mit Steuergeldern finanziert | |
„Geschichte erinnern, Verantwortung lernen, Versöhnung leben“ lautet | |
seither der Slogan. Die Schirmherrschaft übernahm der Bundespräsident. Auf | |
der Website der Stiftung finden sich Zitate von prominenten | |
Persönlichkeiten, in der sie ihre Unterstützung begründen. Wolfgang | |
Schäuble etwa, dessen Argumentation „… weil man Geschichte nicht unter den | |
Tisch kehren kann“ zumindest zweifelhaft gerät. Die Bundespolitik, das wird | |
jedenfalls klar, ist involviert. Nicht nur repräsentativ, sondern vor allem | |
finanziell. Und zwar mehr als geplant und möglicherweise nicht | |
rechtskonform. | |
Laut einem Bericht des „Rechercheteams Lernort Garnisonkirche“ vom 10. | |
Februar werde das privatrechtlich konzipierte Projekt [2][größtenteils aus | |
Steuergeldern finanziert] – „jedoch reicht das Geld immer noch nicht“. Das | |
Rechercheteam setzt sich aus Philipp Oswalt, Professor für | |
Architekturtheorie, Sara Krieg von der „Bürgerinitiative für ein Potsdam | |
ohne Garnisonkirche“ und Carsten Linke vom „Verein zur Förderung | |
antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam“ zusammen. | |
In ihrem 24-seitigen Recherchebericht wird die erste Förderung des Bundes | |
von 12 Millionen Euro im Jahr des Baubeginns 2017 untersucht, an deren | |
Rechtmäßigkeit zu zweifeln sei. Wie vor Kurzem bekannt wurde, wird die | |
Förderung seit Mai 2020 auch vom Bundesrechnungshof geprüft. | |
Einer der Vorwürfe lautet, dass die Gesamtfinanzierung des Projekts zum | |
Zeitpunkt der staatlichen Förderung nicht gegeben war – und bis heute nicht | |
ist. Um diesen Umstand zu kaschieren, habe die SGP die | |
Rekonstruktionsarbeiten in zwei Bauphasen geteilt. Im Recherchebericht wird | |
dieses Vorgehen als „Kunstgriff“ bezeichnet, „um den Eindruck einer | |
gesicherten Finanzierung für die erste Phase darstellen zu können“. | |
## Zu wenig Spendengelder | |
Wurden von der Stiftung ursprünglich 40,3 Millionen Euro für diese erste | |
Phase veranschlagt, so sind die Kosten für den Förderantrag auf 35,6 | |
Millionen Euro heruntergerechnet worden, ohne dass weniger Baumaßnahmen | |
vorgesehen waren. Mittlerweile sind die Kosten auf über 44 Millionen Euro | |
gestiegen. | |
Eigentlich sollte die Rekonstruktion aber zum größten Teil aus privaten | |
Mitteln, insbesondere aus Spenden, finanziert werden. So führte die | |
Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Monika Grütters, 2014 aus, die | |
öffentlichen Mittel sollten als Anreiz für potenzielle Spender wirken, „der | |
weitaus größere Teil der Kosten muss – so wie es auch die Initiatoren der | |
Stiftung Garnisonkirche Potsdam stets bekunden – aus privaten Mitteln | |
aufgebracht werden“. | |
Doch der erhoffte Umfang des Spendenaufkommens blieb aus – wohl auch | |
aufgrund der anhaltenden Kritik am Projekt. Bereits jetzt übersteigt die | |
Förderquote aus staatlichen Mitteln deutlich die 50-Prozent-Marke. | |
Philipp Oswalt hält es für „durchaus denkbar, dass es im BKM auch Bedenken | |
bezüglich der Zulässigkeit der Förderung gab und gibt“. Nicht ohne Grund | |
habe es von der Einstellung in den Haushalt 2013 bis zur Ausstellung des | |
Förderbescheids knapp vier Jahre gedauert. Die Förderbewilligung wurde erst | |
drei Tage vor dem offiziellen Baustart ausgestellt, an dessen Festakt auch | |
viele prominente Politiker teilnahmen. | |
## „Unvorhersehbarkeit“ der Finanzierungslücke? | |
Zwei Tage nach der Veröffentlichung der Forderungen des Rechercheteams | |
kündigte eine Sprecherin des BKM eine zweite Förderung von 8,25 Millionen | |
Euro aus öffentlichen Mitteln an. Diese könnte möglicherweise gegen | |
Förderrecht verstoßen, da die erste Förderung als eine sogenannte | |
Festbetragsförderung deklariert wurde und somit weitere Zuwendungen | |
ausschließe. | |
„Der Ergänzungsantrag der Stiftung Garnisonkirche Potsdam wurde“, laut | |
einem Sprecher des BKM, „umfassend nach den zuwendungsrechtlichen und | |
baufachlichen Vorgaben mit dem Ergebnis der uneingeschränkten | |
Förderfähigkeit geprüft“. Grund seien unvorhergesehene „Mehrausgaben und | |
Mehrbedarf“. | |
Das Rechercheteam Lernort Garnisonkirche zweifelt jedoch stark an der | |
„Unvorhersehbarkeit“ dieser Finanzierungslücke. Außerdem wirft es dem BKM | |
vor, durch die Auszahlung erneuter Fördermittel noch vor dem Ende der | |
Prüfung durch den Bundesrechnungshof einen „Point of no return“ zu | |
erzwingen. Ein Oppositionsantrag, das Prüfungsergebnis abzuwarten, wurde im | |
Haushaltsausschuss des Bundestages in einer Sitzung vom 24. Februar | |
abgelehnt. | |
„Hier werden im Kleinen jene Muster reproduziert, die der Öffentlichkeit | |
aus den großen Bauskandalen des letzten Jahrzehnts hinlänglich bekannt | |
sind“, schreibt das Rechercheteam. Aufgrund des hohen politischen Drucks, | |
den man selbst erzeugt hat, versucht man eine Aktenlage herzustellen, die | |
wenigstens auf dem Papier korrekt aussieht. Der Förderantrag liegt nun dem | |
Bundesministerium der Finanzen vor, mit einer Freigabe ist zu rechnen. Das | |
Mindeste wäre dann eine Verpflichtung der Stiftung zu mehr Transparenz über | |
ihre Finanzen. | |
16 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Marlene Militz | |
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