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# taz.de -- Staatsdefizite in der Eurozone: Brüssel rüffelt nicht nur Italien
> Auch Frankreich, Spanien und Portugal bekommen einen blauen Brief der
> EU-Kommission. Die Begründung ist jedoch selbst unter Ökonomen
> umstritten.
Bild: Ministerpräsident Giuseppe Conte (l.) will höhere Schulden machen als d…
Brüssel taz | Die EU-Kommission fordert nicht nur von Italien einen
härteren Sparkurs. Die Brüsseler Behörde hat auch an fünf weitere
Euroländer einen blauen Brief geschickt – Frankreich, Spanien, Belgien,
Slowenien und sogar an das Boom-Land Portugal. Am Dienstag will sie über
das weitere Vorgehen beraten. Dann könnte es zum Eklat kommen.
Kommissionskreise hielten es am Montag für zwar wahrscheinlich, dass die
EU-Behörde den italienischen Budgetentwurf zurückweist. Dies wäre eine
Premiere in der Geschichte des Euro und der (seit der Eurokrise
verschärften) Haushaltsüberwachung. Ein Veto aus Brüssel – und der darauf
folgende Konflikt mit Rom – könnte jedoch zu neuen Turbulenzen an den
Finanzmärkten führen.
Für eine harte Linie hat sich der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger
(CDU) ausgesprochen. Dagegen erklärte der eigentlich zuständige
Finanzkommissar Pierre Moscovici, er wolle keine Krise in den Beziehungen
zu Italien. Ministerpräsident Giuseppe Conte lehnte am Montag Änderungen am
Entwurf seiner Regierung ab. Das geplante Budgetdefizit von 2,4 Prozent sei
eine Obergrenze, „die wir geloben einzuhalten“, sagte Conte. Es sei sogar
möglich, dass das Defizit niedriger ausfalle. Italien werde auf jeden Fall
in der Eurozone bleiben. „Es gibt keine Chance auf einen Italexit, auf
einen Austritt“, sagte Conte.
Damit rechnet auch in Brüssel derzeit niemand. Die Hauptsorge der EU gilt
der Stabilität des Euro, die durch eine zu [1][hohe Neuverschuldung und den
riesigen Schuldenberg in Italien] gefährdet werden könnte. Neben dem
Stabilitätspakt berufen sich die Brüsseler Budgetwächter auch auf den
Fiskalpakt, der einen Abbau der Gesamtschulden fordert.
Um dieses Ziel zu erreichen, fordert die EU-Kommission eine Senkung des
sogenannten strukturellen Defizits. Es bezeichnet jenen Teil der Schulden,
der nicht auf konjunkturelle Schwankungen zurückzuführen ist. Allerdings
ist dieser Messwert unter Ökonomen umstritten. Um ihn zu berechnen, muss
nämlich das Wachstum geschätzt werden.
## Keine Gefahr für die Stabilität
In Italien wie auch in anderen EU-Ländern lag die Wachstumsschätzung der
Kommission jedoch oft daneben. So ist die italienische Wirtschaft zuletzt
weit weniger stark gewachsen, als Brüssel erwartet hatte. Dies führte dazu,
dass der Schuldenberg stieg – obwohl Rom in der Vergangenheit die
EU-Vorgaben eingehalten hat.
Auch andere Länder haben Probleme mit dem strukturellen Defizit. So plant
Belgien nur mit einem Abbau dieser Kennzahl um 0,2 Prozent der
Wirtschaftsleistung – die EU-Kommission hatte 0,6 Prozent gefordert.
Dieselbe Abweichung ergibt sich für Frankreich und Portugal. Spanien will
sein strukturelles Defizit nur um 0,4 Prozent abbauen – und wird deshalb
ebenfalls gerügt. Insgesamt hat die EU-Kommission sechs blaue Briefe
verschickt. Dabei kann von einer Gefahr für die Stabilität des Euro derzeit
kaum die Rede sein. Denn sowohl das Defizit als auch der Schuldenstand sind
in der Eurozone gesunken. Das öffentliche Defizit lag 2017 mit 1,0 Prozent
weit unter dem erlaubten Zielwert von 3,0 Prozent.
Spanien und Portugal zählten zudem zu den Wachstums-Lokomotiven – trotzdem
haben sich beide Länder eine Rüge eingefangen. Die Reform des
Stabilitätspaktes im Zuge der Eurokrise sei weit über das Ziel
hinausgeschossen, kritisierte jüngst sogar der „European Fiscal Board“, der
die EU-Kommission berät. Die Regeln seien zu kompliziert und
widersprüchlich und müssten vereinfacht werden.
## Alle in einem Sack
Kritik kommt auch aus Belgien. Es sei „lächerlich“, sein Land in einem
Atemzug mit Italien zu nennen, beschwerte sich Finanzminister Johan Van
Overtveldt. „Die Kommission steckt alle Länder in einen Sack, obwohl
Belgien sicher nicht da hineingehört“, so der flämische Politiker. Im
Gegensatz zu Italien sei es Belgien gelungen, seinen Schuldenberg
abzubauen.
Auch Spanien protestiert. Man werde Abgaben wie eine
Finanztransaktionsteuer einführen und so dafür sorgen, die Sparziele aus
Brüssel einzuhalten, heißt es in Madrid. Spanien hatte vor der Eurokrise
weniger Schulden als Deutschland. Infolge der Bankenrettung und eines von
der EU verordneten Hilfsprogramms rutschte das Land jedoch tief in die
Miesen – und muss immer noch Ausgaben kürzen.
Die EU-Kommission steht jedoch nicht nur wegen ihres Austeritätskurses in
der Kritik. Ärger droht auch mit Berlin. Die Bundesregierung versucht, der
Behörde die Aufsicht über die Schulden der Euroländer zu entziehen. Geht
es nach Deutschland, soll dafür künftig der Eurorettungsfonds ESM zuständig
sein. Die Kommission will das verhindern – und gibt den Druck an die
„Schuldensünder“ weiter.
22 Oct 2018
## LINKS
[1] /Italiens-Schuldenstreit-mit-der-EU/!5539652
## AUTOREN
Eric Bonse
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