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# taz.de -- SPD fordert Entschädigungen: Kashoggi stoppt Waffenexporte
> Nach der Kashoggi-Affäre will Deutschland keine Waffen mehr nach
> Saudi-Arabien exportieren. Betroffene Regionen hoffen auf
> Entschädigungen.
Bild: Patrouillenboote wie dieses werden von Lürssen nach Saudi-Arabien verkau…
Bremen taz | Der von der Bundesregierung angekündigte Stopp von
Waffenexporten nach Saudi-Arabien wird besonders die Wirtschaft in
Norddeutschland treffen. Aus Mecklenburg-Vorpommern wird deshalb bereits
eine Entschädigung für die auf Eis liegenden Rüstungslieferungen gefordert.
Seit über drei Jahren führt Saudi-Arabien Krieg im Jemen. Zehntausende
Zivilisten kamen bei den Kämpfen ums Leben. Nach Angaben der Vereinten
Nationen (UN) sind 22 Millionen Menschen dort auf Hilfsgüter angewiesen.
Rund die Hälfte der Menschen in dem Land leiden unter Hunger. Trotzdem hat
die Bundesregierung in den ersten neun Monaten [1][2018 Rüstungsexporte in
Höhe von 416 Millionen Euro genehmigt].
Der erst kürzlich in der Türkei offenbar aufs Grausamste ermordete
regimekritische Journalist Jamal Kashoggi sorgt nun dafür, dass Deutschland
[2][seine Rüstungsexporte an das sunnitische Königreich bis auf Weiteres
stoppen will]. Bis zur Aufklärung des Falles seien keine Grundlagen für
Rüstungsgenehmigungen gegeben, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das
Bundeswirtschaftsministerium teilte zudem mit, dass eine
[3][gesamteuropäische Lösung angestrebt werde]. Unklar ist noch, ob das
auch für bereits genehmigte Lieferungen gilt.
Die Bremer Firma Lürssen fürchtet um bereits genehmigte Exporte von
bewaffneten Patrouillenbooten, die im mecklenburg-vorpommerschen Wolgast
auf der Peene-Werft gebaut werden. Das ist auch der Grund, warum die
dortige rot-schwarze Landesregierung um Ministerpräsidentin Manuela
Schwesig (SPD) nun ihre Felle davon schwimmen sieht:
Es sei zwar verständlich, dass die Bundesregierung ihre Haltung zu
Rüstungsexporten überprüfe – man brauche aber schnell Klarheit, wie es mit
der Werft in Wolgast weitergehe. „Es wäre sicherer, wenn die Werft stärker
Schiffe für die Bundeswehr bauen könnte“, teilte die Landesregierung mit –
schließlich sei Lürssen der wichtigste Arbeitgeber in einer der
„strukturschwächsten Regionen Deutschlands“.
Der Parlamentarische Staatssekretär für Vorpommern, Patrick Dahlemann (SPD)
forderte zudem Entschädigungen, wenn die Zukunft der Werft ungewiss bleiben
sollte: „Wenn der Bund eine negative Entscheidung trifft, muss es dafür
einen Ausgleich geben“, findet Dahlemann. Tatsächlich können Unternehmen
unter Umständen Entschädigungen geltend machen, wenn bereits vorgenehmigte
Rüstungsexporte doch noch von der Bundesregierung kassiert werden.
In Bremen, wo Lürssen sitzt, hat die rot-grüne Koalition bislang – auch zu
den jüngeren Exportgenehmigungen nach Saudi-Arabien – weitgehend
geschwiegen. Jetzt, da neben der [4][Bundesbeauftragten für Menschenrechte,
Bärbel Kofler,] selbst die Bundes-CDU eine sofortigen Stopp auch bereits
genehmigter Exporte befürwortet, sieht das auch die Bremer Landesregierung
so.
Auch hier fordert die SPD mit dem Fraktionsvorsitzenden Björn Tschöpe eine
Entschädigung für Lürssen. Die Grünen in Bremen hingegen sagen: selbst
schuld. Wer an Saudi-Arabien Waffen verkaufe und dann auf den Verlusten
sitzen bleibt, müsse sich nicht wundern.
Das Unternehmen beantwortet keine Fragen zur Bewertung oder möglichen
Entschädigungen und verweist auf ein schriftliches Statement:
„Selbstverständlich werden wir jede politische Entscheidung über die
Ausfuhr der in Wolgast gefertigten Boote respektieren.“ Ein bisschen weh
tut es aber wohl: „Auch nach Jahren leistet der Auftrag zur
Serienproduktion der Küstenwachboote nach wie vor einen großen Beitrag zur
Auslastung der Peene-Werft.“
## Die schwerste humanitäre Krise weltweit
Ende 2012 hatte Saudi-Arabien Patrouillenboote bei Lürssen für 1,5
Milliarden Euro bestellt. Der Bundessicherheitsrat genehmigte die Ausfuhr
2013, pro Stück sollen die Boote zwischen zehn und 25 Millionen Euro
kosten. Den Verkauf weiterer 48 Patrouillenboote genehmigte die
Bundesregierung 2016.
Das war allerdings schon vor dem Fall Kashoggi umstritten: Denn seit März
2015 führt Saudi-Arabien eine Militärallianz im Krieg im Jemen an und wird
dabei unter anderem von den USA, Frankreich und Großbritannien logistisch
unterstützt. Es griff damit in einen jemenitischen Konflikt zwischen dem
faktisch entmachteten und sunnitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi
und den vom Iran unterstützten schiitischen Huthi-Rebellen ein. Opfer der
Kämpfe, Luftangriffe und der Seeblockaden sind zu einem großen Teil
Zivilisten. Aus Sicht der Vereinten Nationen ist es die schwerste
humanitäre Krise weltweit.
Gekämpft wird zu einem großen Teil mit US-amerikanischen und britischen,
aber auch mit deutschen Waffen, die aus Norddeutschland und von anderen
Standorten geliefert werden: Die Lürssen-Patrouillenboote sollen auch bei
der Seeblockade Jemens zum Einsatz kommen, wie etwa der Grünen-Politiker
Omid Nouripour kritisierte. Weitere deutsche Firmen liefern auch Bauteile
für in England angefertigte Euro-Fighter, von denen Saudi-Arabien 48 Stück
in Auftrag gegeben hat.
Neben Lürssen exportierten weitere [5][Bremer Firmen in den vergangenen
Jahren] nach Saudi-Arabien: Von [6][Atlas Elektronik entwickelte
Torpedo-Bauteile wurden geliefert], ebenso [7][Airbus-Tankflugzeuge] und an
Kommunikationsausrüstung und Schiffssimulatoren soll Rheinmetall Defence
Electronics mitgearbeitet haben.
Eigentlich ist im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbart, keine
Waffen an Staaten zu liefern, die wie Saudi-Arabien an Kriegen beteiligt
sind. Ausnahme waren bereits genehmigte Ausfuhren. Weil das nun überprüft
werden soll, könnte es sein, dass [8][Lürssen auf bereits fertig gestellten
Patrouillenbooten sitzen bleibt].
Fraglich ist, wie lange der plötzlich verhängte Export-Stopp wirklich
gelten soll: Die Bundesregierung sprach noch Anfang der Woche davon, dass
keine Exporte genehmigt würden, solange der Fall Kashoggi unzureichend
aufgeklärt sei. Am Mittwochnachmittag erklärten sich die saudischen
Behörden bereits bereit, Untersuchungen durch die türkische Polizei im
Konsulat zuzulassen.
24 Oct 2018
## LINKS
[1] https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&…
[2] /Archiv-Suche/!5541061&s=waffen+saudi+arabien/
[3] https://www.deutschlandfunk.de/fall-khashoggi-debatte-ueber-ruestungsexport…
[4] /Archiv-Suche/!5543912&s=r%C3%BCstung+saudi+arabien/
[5] /Archiv-Suche/!5266050&s=atlas+elektronik+bremen/
[6] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/politik/luerssen-werft-export-saud…
[7] https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2015-03/tankflugzeug-a330-ruestu…
[8] https://www.stern.de/politik/deutschland/ruestung--in-wolgast-werden-noch-i…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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