Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Einwanderungsgesetz: Nein, längst nicht jeder kann bleib…
> Für viele abgelehnte Asylsuchende ändern die neuen Regeln nichts. Dennoch
> poltert die CSU im Einklang mit der AfD gegen den Kompromiss.
Bild: Drei Geflüchtete arbeiten bei Siemens
Wer die Schlagzeilen zu den Plänen für [1][das
Fachkräfte-Einwanderungsgesetz] am Dienstag las, mochte denken, dass für
Flüchtlinge nun bequeme Zeiten anbrechen: Wer beim Bundesamt mit seinem
Antrag abgelehnt wird, geht einfach eine Tür weiter zum Arbeitsamt – und
darf für immer in Deutschland bleiben. So jedenfalls stellen CSU und AfD
den so genannten „Spurwechsel“-Kompromiss hin, auf den sich die Große
Koalition vorerst geeinigt hat. Mit der Realität hat das nichts zu tun.
Die Koalition will – das ist das einzige, was zur „Spurwechsel“-Frage in
dem Papier steht – „klare Kriterien für einen verlässlichen Status
Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren
Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind“.
Wer abgelehnt wird und abgeschoben werden kann, für den ändert sich gar
nichts. In der Regel können Geduldete nur dann, wenn eine Abschiebung gar
nicht möglich ist eine Arbeitserlaubnis bekommen. Nur wenn diese erteilt
wird, kann (vielleicht) künftig eine Aufenthaltsverfestigung beantragt
werden.
Die Ausländerbehörden verweigern diese Arbeitserlaubnis aber vielen
Geduldeten. Sie tun dies unter anderem um Druck zu machen, damit die
Menschen von allein ausreisen oder an ihrer Abschiebung mitwirken. Deshalb
können sie ihren Lebensunterhalt gar nicht selbst erwirtschaften. Und für
sie kommt auch künftig kein Spurwechsel in Frage. Die Menschen bleiben nur
geduldet.
## Überfällige Neuerung
Und zweifellos werden bis zum fertigen Gesetz noch zusätzliche
Ausschlusskriterien festgelegt werden: Straftäter oder Menschen etwa, denen
Identitätsverschleierung vorgeworfen wird, fallen höchstwahrscheinlich
raus.
Schon lange stellt sich die Frage, warum langfristig Geduldeten nicht
ohnehin ein Aufenthaltstitel ausgestellt wird, statt sie jahrelang in
diesem rechtlosen – und hochgradig unproduktiven – Zustand der Duldung zu
halten. In der Vergangenheit gab es für diese Gruppe teils
Stichtagsregelungen, 2016 trat dann eine neue so genannte
Bleiberechtsregelung in Kraft: Wer acht Jahre in Deutschland lebt und für
sich sorgt, kann ein Bleiberecht erhalten. Zukünftig könnten Geduldete
dieses Bleiberecht nun vielleicht deutlich schneller bekommen. Ein
Fortschritt, keine Frage.
Dass es diesen Vorstoß nun überhaupt gibt, hat auch mit dem massiven Druck
der Wirtschaft zu tun. Sie braucht Arbeitskräfte und sieht die Sache – im
Gegensatz zur CSU – halbwegs unverbohrt und pragmatisch: Wem soll geholfen
sein, wenn man Menschen die schon hier sind, abschiebt, um gleichzeitig
andere ins Land zu holen?
Geradezu infam ist, wie die CSU nun versucht zu verhindern, dass dieser
Fortschritt tatsächlich Gesetz wird. Der Spurwechsel sei ein „fatales
Signal“, schreibt sie. Er folge dem Motto: „Es ist vollkommen egal, ob
jemand anerkannter Asylbewerber ist oder ob er abgelehnt wurde – er kann in
jedem Fall bleiben.“ Wer dies fordere, wolle „nichts anderes, als das
geltende Rechtssystem ausheben,“ twitterte Landesgruppenchef Alexander
Dobrindt, dem wirklich keine Äußerung zu dumm scheint.
Die AfD nahm diese böswillige Verdrehung der Vereinbarung mit Kusshand an –
und giftete, „illegale Einwanderer dürfen für immer bei uns bleiben, sobald
sie unsere Grenzen überschritten haben.“
Davon kann, wenn das „Eckpunktepapier“ umgesetzt wird, keine Rede sein. Das
weiß die CSU ganz genau. Seit Jahren ist eine Reform hier fällig. Doch
statt diese mitzutragen, bildet sie nun lieber eine rhetorische Koalition
mit der AfD, um den Rest der Großen Koalition in dieser wichtigen Frage
aufzuhalten.
2 Oct 2018
## LINKS
[1] /Koalition-beraet-ueber-Einwanderungsgesetz/!5539848
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Einwanderungsgesetz
Fachkräfte
Abschiebung
Migration
Zuwanderung
Fachkräftezuwanderungsgesetz
Einwanderungsgesetz
Einwanderungsgesetz
Jugendämter
Spanien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Entwurf gegen Fachkräftemangel: Ein kleines bisschen Einwanderung
Das BMI legt einen Entwurf für die Einwanderung von Fachkräften vor. Doch
Opposition und Gewerkschaft geht der nicht weit genug.
Fachkräftemangel in Deutschland: Frau Bui rettet die deutsche Wurst
Ein Fleischer aus Schmalkalden findet keine Azubis mehr – in Thüringen, in
Deutschland, in Europa. Aber in Vietnam.
Kommentar zum Einwanderungsgesetz: Mehr Pragmatismus, bitte
Die Regierung plant ein Einwanderungsgesetz für Fachkräfte. Für die Union
ist das ein Schritt nach vorn – aber wie groß der wird, ist offen.
Zuwanderungskonzept der Koalition: Einigung im Einwanderungsstreit
Die Große Koalition hat sich auf Eckpunkte für ein Zuwanderungskonzept
geeinigt. Auch Asylsuchende sollen profitieren, aber nur in bestimmten
Fällen.
Berliner Jugendämter: Kinderschutz braucht Personal
Mitarbeiter der Jugendämter sind überlastet, der Krankenstand ist hoch, die
Bezahlung mies. Verdi ruft am Tag der Einheit zum Protest auf.
Migrationsziel Spanien löst Italien ab: Sichere Ankunft, unsichere Zukunft
Die Menschen kommen übers Meer. Damián Malia holt sie mit seinem
Rettungsboot an Land. Sie landen in Aufnahmezentren. Dann verschwinden sie.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.