# taz.de -- AfD und Verfassungsschutz: Die Angst vor der Panik | |
> Den Rechtspopulisten droht die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. | |
> Das löst in der Partei einen Aktionismus aus, der nicht allen gefällt. | |
Bild: Will keinen Anlass zur Beobachtung bieten: Hans-Thomas Tillschneider | |
Wenn sich der neurechte Vordenker Götz Kubitschek sorgt, die AfD könnte | |
sich auf einen falschen Weg begeben, dann meldet er sich gern im mahnenden | |
Duktus auf der Website seiner Zeitschrift Sezession zu Wort. Kubitschek ist | |
kein Parteimitglied, er ist mit dem radikal rechten Flügel der Partei aber | |
eng verbandelt. | |
Für ihn ist die AfD ein Instrument, um seine Ideologie in der Mitte der | |
Gesellschaft zu verankern – auf das sie in nicht allzu ferner Zukunft | |
Realität werde. Eigentlich fühlt er sich seinem Traum gerade näher als je | |
zuvor. Wenn da nicht die Gefahr wäre, dass sich die AfD doch noch | |
aufspaltet. | |
Nach dem „Schweigemarsch“ in Chemnitz, den die AfD dank Blockaden nicht zu | |
Ende bringen konnte, riet Kubitschek via Sezession der Partei, von solchen | |
Veranstaltungen künftig abzusehen. Anfang der Woche nun schrieb er unter | |
der Überschrift „Verfassungsschutz und AfD – keine Fehler machen!“, die | |
Partei dürfe angesichts der drohenden Beobachtung nicht in Panik verfallen | |
und müsse Kurs halten. | |
Besonders den „sogenannten Liberalen in der Partei“ (Kubitschek) versuchte | |
er einzubleuen: „Der Gegner befindet sich außerhalb der Partei. Außerhalb! | |
AUSSERHALB!!“ Auch, wenn Parteichef Alexander Gauland gerne betont, eine | |
Beobachtung durch den Verfassungsschutz würde der AfD nicht schaden: In der | |
Partei haben die Entwicklungen der vergangenen Wochen Unruhe ausgelöst. | |
## Erst Niedersachsen und Bremen, dann Thüringen | |
[1][Erst entschieden Niedersachsen und Bremen], die Landesverbände der | |
Jungen Alternative, der Nachwuchsorganisation der Partei, künftig zu | |
beobachten. Dann [2][verkündete der Chef des Thüringer | |
Verfassungsschutzes], dass seine Behörde prüfe, ob der dortige | |
AfD-Landesverband mit nachrichtendienstlichen Mitteln auszuspähen sei. | |
Inzwischen schließt Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius eine | |
Beobachtung des niedersächsischen Landesverbands nicht mehr aus. Und jetzt | |
ist auch noch [3][der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, | |
Hans-Georg Maaßen, weg], der innerhalb der AfD als Garant dafür galt, dass | |
die Partei schon nicht vom Verfassungsschutz beobachtet würde. | |
Die Partei reagierte schnell. Der Bundesvorstand setzte unter Leitung von | |
Roland Hartwig eine fünfköpfige Kommission sein, die eine Beoachtung durch | |
den Verfassungsschutz verhindern soll. Hartwig war früher Chef-Justitiar | |
bei Bayer, heute ist er Fraktionsvize der AfD im Bundestag – und für | |
Kubitschek wohl das, was dieser einen „sogenannten Liberalen in der Partei“ | |
nennt. | |
Unter Hartwigs Führung sollen unter anderem interne Ermittler gegen | |
extremistische Entwicklungen in der Partei vorgehen. In Hartwigs | |
Vorstellung düfte das auch heißen, dass manche am rechten Rand der Partei | |
diese wohl besser verlassen sollen. Die Kommission, zu der auch Parteichef | |
Jörg Meuthen gehört, habe sich bereits einmal getroffen,sagte Hartwig der | |
taz. Jetzt würden Strategien erarbeitet. Details wollte er nicht nennen. | |
## Identitäre Bewegung wird als rechtsextrem eingestuft | |
Der JA-Chef Damian Lohr hat bereits verkündet, die Landesverbände in | |
Niedersachsen und Bremen auflösen zu wollen. Im Fall von Niedersachen sagte | |
der AfD-Bundesvorstand Unterstützung zu, die Situation der JA-Bremen soll | |
noch näher geprüft werden. Ein Bundeskongress der JA soll zeitnah – | |
vermutlich im Lauf der kommenden zwei Monate – über die Auflösungen | |
entscheiden. | |
Hans-Thomas Tillschneider, Vorsitzender der Patriotischen Plattform, einer | |
kleinen, radikal rechten Gruppierung innerhalb der AfD, hat seinen | |
Mitgliedern gerade die Selbstauflösung empfohlen. Zudem kündigte | |
Tillschneider, Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt, an, aus dem | |
Kontrakultur-Haus der Identitären Bewegung (IB) in Halle auszuziehen. | |
Tillschneider, der aus seiner Nähe zur den Identitären nie einen Hehl | |
gemacht hat, hat bislang dort ein Büro. [4][Die Identitäre Bewegung wird | |
vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft] und beobachtet. | |
Tillschneiders Begründung macht klar, dass so manche der parteiinternen | |
Aktionen derzeit rein strategisch sind. „Wir reagieren darauf am besten, | |
indem wir keine Anlässe zur Beobachtung bieten“, heißt es in der Erklärung, | |
die er unter dem Titel „Die Kernfrage“ auf Facebook veröffentlicht hat. | |
Darin lässt er keinen Zweifel daran, dass sich an seiner Position | |
inhaltlich nichts verändert hat. | |
Die Patriotische Plattform sei heute schlicht überflüssig: „Wozu dient sie | |
noch, wenn wir alles, was wir in und mit der Patriotischen Plattform tun, | |
auch in und mit der AfD können?“ schreibt Tillschneider. Früher – soll | |
heißen: unter den ehemaligen Parteichefs Bernd Lucke und Frauke Petry – sei | |
das anders gewesen. Auch halte man, so Tillschneider weiter, „trotz | |
struktureller Entflechtung“ an allem fest, wofür AfD und IB stünden – was | |
ohnehin das gleiche sei. | |
## AfD und Identitäre Bewegung | |
Die Kernfrage ist für Tillschneider „das Festhalten am deutschen Volk“ und | |
der „Ethnopluralismus“ – eine aus seiner Sicht „in höchstem Maße | |
vernünfige, wirklichkeitsbezogene Ansicht“. Dieses neurechte Konzept | |
beinhaltet kurz gesagt, dass man Kulturen – von Rassen spricht der | |
Neurechte ja nicht mehr so gern – besser nicht mischt, weil diese sonst | |
geschwächt würden. | |
Wie nervös manche in der AfD sind, zeigt auch, dass sich nach | |
Tillschneiders Veröffentlichung umgehend die nordrhein-westfälische AfD zu | |
Wort meldete. AfD und IB seien „grundlegend wesensverschieden“, heißt es in | |
ihrer Erklärung. Auch sei die Patriotische Plattform in der AfD niemals | |
mehrheitsfähig gewesen. „Unser Ziel ist die Gestaltung unseres Landes | |
wieder hin zu einer bürgerlich-liberal-konservativen Gesellschaft.“ Ob das | |
in der AfD noch mehrheitsfähig ist, erläuern sie nicht. | |
Neben solchen Äußerungen dürfte Kubitschek auch ein Interview in der Jungen | |
Freiheit, mit der er ohnehin über Kreuz liegt, zu seiner Intervention | |
gebracht haben. Dort wird Rolf Schlierer, langjähriger Vorsitzender der | |
Republikaner, zu den Konsequenzen befragt, die die Beobachtung durch den | |
Verfassungsschutz für seine Partei gehabt habe. Fatale, führt Schlierer aus | |
und rät, von manchen Mitgliedern am rechte Rand müsse sich Partei eben | |
trennen. | |
26 Sep 2018 | |
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Sabine am Orde | |
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