| # taz.de -- Ausstellung zur ersten Frauenbewegung: 100 Jahre Frauenwahlrecht | |
| > Eine Ausstellung würdigt die Protagonistinnen der breiten Frauenbewegung | |
| > im Deutschen Kaiserreich. Sie wurden zu Unrecht vergessen. | |
| Bild: Historische Plakate mit Wahlaufrufen an Frauen im Museum in Frankfurt | |
| Aufs Ganze gesehen kam die deutsche Revolution von 1918/19 auf halbem Weg | |
| zum Stehen. Aber sie brachte einen bis dahin in Deutschland einzigartigen | |
| Demokratisierungsschub hervor. Zum 19. Januar 1919 erlangten die Frauen, | |
| also rund die Hälfte der Bevölkerung, die politische Gleichberechtigung und | |
| erhielten das gleiche, geheime und direkte Wahlrecht. | |
| Das im letzten Jahr neu eröffnete Historische Museum Frankfurt widmet seine | |
| erste Ausstellung unter dem Titel „Damenwahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht“ | |
| [1][diesem historischen Durchbruch in der abgründigen Geschichte] der | |
| Demokratie in Deutschland. | |
| Die umfangreiche Ausstellung dokumentiert das Doppelgesicht des | |
| Kaiserreichs, das wirtschaftlich, technisch und wissenschaftlich | |
| prosperierte, aber politisch und gesellschaftlich stagnierte – mit dem | |
| Dreiklassenwahlrecht in Preußen und einer in obrigkeitsstaatlichen | |
| Traditionen verwurzelten politischen und militärischen Elite. Die Stellung, | |
| die Frauen im Reich zukam, formulierte der Historiker Heinrich von | |
| Treitschke um 1900 mit den Worten: „Der eigentliche Beruf des Weibes wird | |
| zu allen Zeiten das Haus und die Ehe sein. Sie soll Kinder gebären und | |
| erziehen.“ | |
| Damit war der dreifache Imperativ, unter dem Frauen standen – „Heiraten! | |
| Kinder kriegen! Haushalt führen!“–, bündig formuliert. Das in vielen Teil… | |
| fortschrittliche „Bürgerliche Gesetzbuch“ (BGB), das 1900 in Kraft trat, | |
| ratifizierte diese Imperative und verweigerte Frauen die Geschäftsfähigkeit | |
| und Verfügungsgewalt über ihr Vermögen. Die Zulassung zum | |
| Universitätsstudium erhielten Frauen in ganz Deutschland erst 1908, ebenso | |
| wie das Recht zur Mitgliedschaft in politischen Vereinen. | |
| ## Internationale Kongresse | |
| Trotzdem bilden solche Einschränkungen die Situation der Frauen im | |
| Kaiserreich nur einseitig ab. Denn um 1900 gab es nicht nur den | |
| Antifeminismus von Psychiatern, Politikern, Pastoren und Militärs, sondern | |
| eine vielfältige Frauenbewegung, getragen von katholischen, evangelischen, | |
| jüdischen und sozialdemokratischen Frauenvereinen, die sich für | |
| Gleichberechtigung, Bildungschancen und das politische Wahlrecht | |
| einsetzten. | |
| Die Ausstellung gewährt den zu Unrecht vergessenen Vorkämpferinnen dieser | |
| Bewegung mit Kurzbiografien den berechtigten Platz: Louise Otto-Peters, | |
| Marie Stritt, Minna Cauer, [2][Hedwig Dohm], Bertha Pappenheim, Helene | |
| Lange, Lily Braun, Clara Zetkin. | |
| Einen Mann mit beträchtlichen Verdiensten für die erste Frauenbewegung in | |
| Deutschland behandeln die Ausstellung und der sonst informative Katalog gar | |
| nicht beziehungsweise nur stiefmütterlich: den Sozialdemokraten August | |
| Bebel, [3][der bereits 1879 das Buch „Die Frau und der Sozialismus“ | |
| herausbrachte.] Es erschien 1909 in 50. (!) Auflage und kann in seiner | |
| Wirkung kaum hoch genug eingeschätzt werden. Im Vorwort zu dieser Auflage | |
| schrieb Bebel: „Es dürfte kaum eine zweite Bewegung geben, die in so kurzer | |
| Zeit so günstige Resultate erzielte.“ | |
| Das gilt für die Breite der inhaltlichen Ziele von der Bildung und dem | |
| Sport bis zum Wahlrecht, dem Arbeitsschutz, der Erziehung, der Gesundheit | |
| und der Sexualität. Ebenso zentral war die internationale Vernetzung der | |
| Frauenbewegungen in Europa mit regelmäßigen internationalen Kongressen. | |
| Nach dem Kriegsausbruch 1914 stimmten viele Frauenvereine „in den | |
| nationalistischen Chor ein“ (Jenny Jung), distanzierten sich von | |
| pazifistischen Positionen und stellten sich den Aufgaben im „nationalen | |
| Frauendienst“ als Krankenschwestern und Rüstungsarbeiterinnen. | |
| ## Linke und liberale Frauenvereine | |
| Die Weimarer Reichsverfassung stellte die staatsbürgerliche | |
| Gleichberechtigung der Frauen her. Die Frauenvereine mischten erstmals im | |
| Wahlkampf mit und die politischen Parteien kümmerten sich um die Stimmen | |
| der Frauen. | |
| Trotz der politischen Dynamik, die linke und liberale Frauenvereine in der | |
| Revolutionszeit entfachten, stimmte die Mehrheit der Frauen in den Wahlen | |
| zur Nationalversammlung für konservative und rechte Parteien. Die | |
| Wahlbeteiligung der Frauen war mit 82,3 Prozent hoch – der Frauenanteil mit | |
| 37 gewählten Frauen von 423 Abgeordneten (8,7 Prozent) allerdings gering. | |
| Die Ausstellung bietet mit Hörstationen, Fotos, Plakaten, Flugblättern und | |
| Grafiken einen informativen Einblick in die personelle Zusammensetzung, die | |
| organisatorischen Strukturen und die politischen Zielsetzungen der | |
| Frauenbewegung. | |
| 9 Oct 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rudolf Walther | |
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