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# taz.de -- Journalistinnenbund ehrt Karikaturistin: Streit um Kopftuch-Cartoons
> Der Journalistinnenbund zeichnet die Karikaturistin Franziska Becker für
> ihr Lebenswerk aus. Doch ihr wird Rassismus vorgeworfen.
Bild: Franziska Becker bei einer Pressekonferenz im Jahr 2012
Seit Anfang Juni schon ist es öffentlich, jetzt regt sich Kritik: Franziska
Becker, Karikaturistin und Zeichnerin, erhält am kommenden Samstag die
Hedwig-Dohm-Urkunde. Mit dieser ehrt der Journalistinnenbund jährlich
Journalistinnen für ihr frauenpolitisches Engagement. Becker, 1949 geboren,
erhält sie für ihr Lebenswerk. Becker sei, so die [1][Pressemitteilung] vom
4. Juni, „eine der profiliertesten, journalistisch-feministisch engagierten
und erfolgreichen Persönlichkeiten“, die „spitzfedrig und scharfzüngig das
Mit-, Für- und Gegeneinander von Frauen und Männern genüsslich in Szene zu
setzen weiß“.
Inwieweit Franziska Becker tatsächlich das Mit- und Füreinander in Szene
setzt, hat bei Twitter eine Diskussion entfacht. Mehrere Feministinnen
empörten sich über die Auszeichnung für Becker, ihre Zeichnungen seien
rassistisch und islamophob.
Sie beziehen sich vor allem auf Beckers Kopftuch-Cartoons. Darin zu sehen
sind unter anderem eine Kopftuchtragende Bankangestellte, die Kundinnen nur
noch bedient, wenn deren Ehemann, Bruder oder Vater schriftlich zugestimmt
hat. Ein anderes Bild zeigt eine Polizistin in Kopftuch und Uniform, die
einem Dieb die Hand abhackt. Wer so zeichne, so lautet die Kritik bei
Twitter, leiste antimuslimischen Ressentiments Vorschub.
Der Journalistinnenbund zeigt sich überrascht von der Kritik. „Franziska
Becker engagiert sich seit den 1970er Jahren für Frauenrechte. Mit ihrem
umfassenden Lebenswerk ist sie ein wesentlicher Bestandteil der
feministischen Bewegung. Wir als Journalistinnenbund sehen es als unsere
Aufgabe, die ganze Breite dieser Bewegung abzubilden“, sagt Rebecca
Beerheide, Vorsitzende des Journalistinnenbundes.
Beckers Lebenswerk sei getragen von Selbstironie und Pointiertheit
gegenüber vielen Gruppen. In den 80er Jahren habe sie auch ausführlich die
katholische Kirche und deren Frauenfeindlichkeit kritisiert. „Ihr Werk nun
auf eine Handvoll Karikaturen zu verkürzen, halte ich für falsch. Zudem
sind die genannten Karikaturen nicht islamkritisch, sondern richten sich
gegen den islamistischen Fundamentalismus.“
Beerheide persönlich könne trotzdem verstehen, wenn sich Menschen von
einigen Karikaturen Beckers angegriffen fühlten. Die Jury der Dohm-Urkunde,
bestehend aus dem Vorstand des Journalistinnenbundes, habe diese
Zeichnungen konkret nicht im Blick gehabt, als sie über den Preis
entschieden habe. Die Auszeichnung aber wegen der Kritik zurückzuziehen,
sei keine Option. Lieber wolle der Verband zeigen, wie divers er ist, so
Beerheide.
Auch Isabel Rohner, Biografin und Herausgeberin der Werke von Hedwig Dohm,
sieht Beckers Arbeiten im Einklang mit der Namensgeberin. „Es ist die
Aufgabe von Cartoonisten zu provozieren, um uns zum Nachdenken anzuregen.
Das schafft Franziska Becker seit vielen Jahrzehnten.“ Auch Dohm habe
provoziert, als sie als erste in Deutschland die ökonomische, soziale und
politische Gleichberechtigung von Männern und Frauen gefordert habe.
Die Zeichnerin Franziska Becker war eine der ersten weiblichen
Karikaturistinnen überhaupt und eine der ersten, die Feminismus und
Sexismus zum Inhalt politischer Cartoons machte. Bis heute ist die Szene
der Karikaturisten männlich dominiert. Becker war für eine Stellungnahme
bisher nicht zu erreichen.
## Umstrittene Grenzen
Hinter dieser Debatte steht eine breitere gesellschaftliche Diskussion über
die Frage, wie weit Satire gehen darf. Da waren die Mohammed-Karikaturen
der dänischen Zeitung Jyllands Posten, [2][die Zeichnungen der
französischen] Charlie Hebdo, denen auch immer wieder Rassismus und
Islamfeindlichkeit vorgeworfen wurde. Da war die Süddeutsche, die im
vergangenen Jahr die Zusammenarbeit mit Dieter Hanitzsch [3][nach einer
antisemitischen Karikatur] beendete, da war Jan Böhmermann, der vor Jahren
gegenüber – Böhmermann selbst sagt in Zusammenarbeit mit – dem jüdischen
Komiker Oliver Polak [4][einen antisemitischen Witz] gemacht hatte.
Auf die Frage: „Was darf Satire?“ gibt es immer wieder die gleichen zwei
Antworten: die eine, frei nach Tucholsky, „Satire darf alles“, die andere,
sensibel für Identitätspolitik und Minderheiten: „Satire darf nicht nach
unten treten“.
Die New York Times hat aus dieser Debatte und der immer wiederkehrenden
Kritik an einzelnen Karikaturen gerade den Schluss gezogen, [5][gar keine
politischen Cartoons] mehr zu drucken.
25 Jun 2019
## LINKS
[1] https://www.journalistinnen.de/journalistinnenbund-ehrt-herausragende-kolle…
[2] /Kommentar-Charlie-Hebdo-Anschlag/!5261492/
[3] /Antisemitische-Karikatur-in-der-SZ/!5506527/
[4] /Antisemitismusvorwurf-an-Boehmermann/!5546031/
[5] /Chappatte-ueber-Ende-der-NYT-Cartoons/!5600125/
## AUTOREN
Anne Fromm
## TAGS
Karikatur
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Frauenrechte
Solidarität
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