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# taz.de -- 40 Jahre taz: Frauenbewegung: Der Urknall feministischen Erwachens
> Mit einem Tomatenwurf fing alles an: Im Kaisersaal des Frankfurter Römers
> wurde der 50. Geburtstag der zweiten Frauenbewegung begangen.
Bild: Die zweite Welle des Feminismus erreichte auch die taz – hier drohten d…
„Wir suchen (…) nur die Dinge in der Vergangenheit, die heute noch
interessant und relevant sind.“
Mit diesem Satz hat der Schauspieler und Sänger Jan Josef Liefers recht.
Anders lässt sich der große Andrang und das Interesse am 50-jährigen
Jubiläum der zweiten Frauenbewegung im Kaisersaal des Frankfurter Römers am
14. September kaum erklären. 300 Gäste zwischen 24 und 84 Jahren kamen, um
zu hören, zu sehen und um gesehen zu werden – „50 Jahre nach dem
Tomatenwurf“.
Die feministische Aktionsforscherin Halina Bendkowski und die Filmemacherin
Helke Sander würdigten Sigrid Rüger, die 1968 empört Tomaten auf ignorante
Genossen warf, und sie sprachen über widerständige Frauen in dieser Zeit.
Sie reflektierten den Wert des Feminismus für unsere Gesellschaft.
Gleich um die Ecke des Frankfurter Römers, im Historischen Museum,
präsentiert sich punktgenau eine großartige Ausstellung über den Kampf für
das Frauenwahlrecht: Damenwahl! – 100 Jahre Frauenwahlrecht. Eine
anschauliche und aussagekräftige Nachhilfestunde über die
Frauenrechtlerinnen von einst.
## Fehlende Geschichtsschreibung in Schulbüchern
Das war nach dem Geschmack von Halina Bendkowski. „Feministischer
Geschichtsalarm“, so der Titel ihrer Rede. Sie wies auf die fehlende
Geschichtsschreibung in den Schulbüchern über die Frauenbewegung sowohl von
vor 100 wie auch vor 50 Jahren hin: „Uns Schülerinnen der Nachkriegszeit
wurde (…) schulamtlich zugemutet, die erste Frauenbewegung (…) satirisch
als Blaustrümpfe veralbert zu sehen. Wie sollten sich die Mädchen und
Jungen für diese erste historische Gleichstellung interessieren oder gar
begeistern?“
Leidenschaftlich plädierte Bendkowski für eine „ge-wissen-hafte
Geschichtsdarstellung vor allem der Medien, statt immer nur die gleichen
Parolen von Massendemonstrationen zu bringen. Die Flut von Literatur käme
meistens „zum Echojahr 1968 gänzlich ohne Frauen aus (…); abgesehen von
„lila Latzhosenklischees“. Auch diese Veranstaltung fand in keinem anderen
Medium eine Würdigung.
Halina Bendkowski warnte: Immer wenn Frauen Rechte erreichen, kommt ein
Backslash, der es den Frauen schwerer macht, ihre Rechte auch
durchzusetzen. Unruhe und Protest entstand unter einigen Zuhörerinnen, als
Bendkowski den „Intersektionalen Feminismus“ scharf kritisierte als
entpolitisierende Kategorie, die (wieder) die Trias
„Klasse/Rasse/Geschlecht“ hervorkrame.
## Positiv ins Wanken gebracht
Helke Sander zeigte auf, wie sehr feministische Theorie und Praxis das
Leben und Selbstverständnis von Frauen und Männern positiv ins Wanken
gebracht und das Leben von Frauen, auch durch Gesetzesänderungen,
erleichtert hätten.
Sie, damals Filmstudentin, wollte im Dezember 1967 in Berlin keine
Revolution anzetteln. Stattdessen verfasste sie ein Flugblatt zusammen mit
Marianne Herzog, um eine öffentliche Kinderbetreuung zu fordern. Als
alleinerziehende Mutter und Mitglied im Sozialistischen Deutschen
Studentenbund (SDS) machte sie die Erfahrung, dass Kampfflugzeuge in ihrem
Leben nicht so wichtig waren wie Kinderbetreuung.
Die Gründung des Aktionsrates zur Befreiung der Frauen im Januar 1968 war
dann auch „der Urknall“ des Erwachens von Selbstbewusstsein, wie sie sagte,
weil die Frauen plötzlich erkannten, dass Frauen etwas beschließen können,
ohne Männer vorher zu fragen. In den Diskussionsrunden, wonach damals
Männer redeten und Frauen lächelten, war passé. Was sie wollte, war, dass
der SDS die spezifische Problematik der Frauen begreifen müsse und dass
Kindererziehung und Hausarbeit nicht Privatsache der Frauen sei.
## Auch die „Kopftuch-Debatte“ war Thema
Die immer noch gültige Erkenntnis ihrer berühmt gewordenen Rede auf dem 23.
SDS-Kongress: „Das Private ist politisch!“ Es sei ein Politikum, wenn die
Scharia über das Grundgesetz gestellt würde. Kritische Musliminnen und
Muslime würden diskriminiert, wenn Religionsfreiheit höher geachtet werde
als die Freiheit der Frauen.
Sie bezog sich auf die „Kopftuch-Debatte“, in der Musliminnen der dritten
und vierten Generation für sich reklamieren, islamische Feministinnen zu
sein, das islampolitische Patriarchat im Privatleben aber ausblenden.
In ihrem Resümee schlägt Helke Sander vor, bei Art. 4 GG zur
Religionsfreiheit eine Ergänzung vorzunehmen: Religionsfreiheit besteht
dann, solange die ausgeübten Religionen das GG als oberste Richtschnur
anerkennen. Das würde ein wenig mehr Rechtssicherheit schaffen. Eine
interessante und relevante Debatte in der Gegenwart.
2 Oct 2018
## AUTOREN
Gisela Wülffing
## TAGS
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Feminismus
Studentenbewegung
Novemberrevolution 1918
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