# taz.de -- Kommentar EU-Gipfel in Salzburg: Hauptsache abschotten | |
> Statt Flüchtlinge in der EU fair zu verteilen, sollen Autokraten Europas | |
> Migrationsproblem in den Griff bekommen. Ein Armutszeugnis. | |
Bild: Kurz und Merkel suchen die Lösung außerhalb Europas – zum Beispiel Ä… | |
Worte sind verräterisch. Ägypten habe seine Grenze zum Mittelmeer | |
„erfolgreich gesichert“, sagte ein hochrangiger EU-Vertreter vor dem | |
[1][Sondergipfel der 28 Staats- und Regierungschefs], der heute in Salzburg | |
zu Ende geht. Deshalb sei seit einem Jahr kein einziger Bootsflüchtling aus | |
dem Land in Europa angekommen. „Und dafür mussten wir nicht einmal zahlen“, | |
freute sich der Mann. | |
Das Militärregime in Kairo macht für uns die Schotten dicht – und das sogar | |
gratis – wenn das kein Grund zur Freude ist! Da könne man doch glatt zu | |
einer „vertieften Zusammenarbeit“ übergehen, heißt es denn auch beim Gipf… | |
in Salzburg. Fest eingeplant ist bereits ein weiteres Treffen der EU mit | |
der Arabischen Liga in Kairo. | |
Nach der Türkei könnten also bald weitere autokratisch regierte Länder | |
helfen, einen „Ring von Freunden“ – oder eine hochaufgerüstete Mauer von | |
Vasallenstaaten – rund um das Mittelmeer zu schaffen. Das Ganze natürlich | |
im „Dialog“, bei dem auch die Menschenrechte angesprochen werden, wie | |
Kanzlerin Angela Merkel gerne betont. | |
Dass Amnesty International dem Militärregime in Kairo schwere | |
Menschenrechtsverstöße vorwirft, stört dabei wohl nicht weiter. | |
„Asylsuchende und Flüchtlinge mussten mit Festnahme, Inhaftierung und | |
Abschiebung rechnen, wenn sie das Land ohne gültige Reisedokumente betreten | |
oder verlassen wollten“, [2][heißt es im aktuellen Bericht] der | |
Menschenrechtsorganisation. | |
## Ein Entgegenkommen für Seehofer | |
Hauptsache abschotten – das scheint das Motto des Salzburger Treffens zu | |
sein, zu dem Österreichs rechtslastiger Kanzler Sebastian Kurz geladen hat. | |
Der „Alpen-Macron“, wie er schon einmal spöttisch genannt wird, sieht es | |
als Erfolg an, dass die EU nun mit Staaten wie Ägypten spricht und den | |
EU-Grenzschutz massiv ausbaut. | |
Auch der Kanzlerin ist das ganz recht. Denn zum einen kommt sie damit den | |
Wünschen ihres Innenministers Horst Seehofer entgegen, der eine ganz | |
ähnliche Agenda wie Kurz verfolgt. Zum anderen kann sie davon ablenken, | |
dass sie ihrem Ziel – eine europäische, solidarische Lösung in der | |
Flüchtlingspolitik – nicht näher kommt. | |
In Salzburg steht eine faire Umverteilung der Asylbewerber nicht einmal | |
mehr auf der Tagesordnung. Die Debatte am zweiten und letzten Tag dürfte | |
vielmehr um die Frage kreisen, was man mit den vergleichsweise wenigen | |
Bootsflüchtlingen macht, die derzeit noch in Italien ankommen. Denn die | |
populistische Regierung in Rom weigert sich weiterhin, die Migranten allein | |
aufzunehmen. | |
Deshalb kommt es immer wieder zum Eklat. Beim letzten Mal mußte neben | |
Albanien sogar die Katholische Kirche einspringen, um den Menschen, die auf | |
dem Schiff „Diciotti“ festsaßen, eine Bleibe zu sichern. Eine „europäis… | |
Lösung“ war das nicht, auch wenn Merkel davon immer noch spricht. Es war | |
eine Notlösung. | |
## Autokratisch regierte Länder als Türsteher | |
Man darf gespannt sein, ob die Kanzlerin in Salzburg – neben ihrer | |
wohlklingenden Rhetorik – mehr zu bieten hat. Aus der SPD kommen bereits | |
Forderungen, Italien und Osteuropa rechts liegen zu lassen und mit einer | |
„Koalition der Willigen“ voranzugehen. Das hatte Merkel allerdings bereits | |
2016 versucht. Ohne Ergebnis. | |
Wie man es auch dreht und wendet: Die EU ist mit ihrer Flüchtlingspolitik | |
in einer Sackgasse gelandet. Vernünftige Lösungen scheitern immer wieder am | |
mangelnden Einigungswillen der 28 Mitgliedsstaaten. Doch statt sich das | |
endlich einzugestehen und einen Neustart zu versuchen, suchen Kurz und | |
Merkel die Lösung außerhalb Europas – in der Türkei oder in Ägypten. | |
Autokratisch regierte Länder sollen den Türsteher machen, damit drinnen, im | |
europäischen Haus, ein Burgfriede geschlossen werden kann mit Populisten | |
und Nationalisten. Dies dürfte das Ergebnis von Salzburg sein. Es ist kein | |
Signal des Aufbruchs, sondern ein Armutszeugnis. | |
20 Sep 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Flucht-und-Migration-nach-Europa/!5537165 | |
[2] https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/aegypten | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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