# taz.de -- Palästina-Hilfe der UN: Hochkommissar auf Sammeltour | |
> Die USA stellen ihre Zahlungen ans UN-Hilfswerk für palästinensische | |
> Flüchtlinge ein. Die Organisation warnt vor der Politisierung humanitärer | |
> Hilfe. | |
Bild: Schulalltag unter Finanznot: UNRWA-Schule in Amman, Jordanien | |
KAIRO taz | Der Hochkommissar wirkt erleichtert: „Wir haben es geschafft, | |
unsere 700 Schulen nach den Sommerferien mit über einer halben Million | |
Schulkindern wieder zu öffnen“, sagt Pierre Krähenbühl, Chef der | |
UN-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA). Doch er | |
verleiht seiner Aussage gleich einen Dämpfer: „Wir wissen nicht, wie lange | |
wir sie offen halten können.“ | |
In Krähenbühls Organisation herrscht Notstand, [1][seit die USA vor zwei | |
Wochen verkündeten, ihre finanziellen Mittel für die UNRWA einzustellen]. | |
Die 300 Millionen US-Dollar machten ein Viertel des Budgets aus. Wie geht | |
es nun weiter mit der UN-Organisation, die vor fast vor 70 Jahren, nach der | |
Gründung Israels, ins Leben gerufen worden war, um sich den vertriebenen | |
palästinensischen Flüchtlingen anzunehmen? | |
Die UNRWA ist laut Mandat für über fünf Millionen palästinensische | |
Flüchtlinge im Gazastreifen, im Westjordanland, im Libanon, in Syrien und | |
Jordanien zuständig. Über drei Millionen Menschen nutzen ihre | |
Gesundheitseinrichtungen, eine halbe Million Kinder geht in ihre Schulen. | |
Die US-Entscheidung sende ein katastrophales Signal, kritisiert Krähenbühl. | |
„Als 14-jähriger Schüler hat man in Gaza schon drei Kriege erlebt. Die | |
Arbeitslosigkeit liegt bei über 40 Prozent, bei Jugendlichen bei 65 | |
Prozent“, sagt er im Gespräch mit der taz in Kairo. Die Bewegungsfreiheit | |
sei stark eingeschränkt, kaum jemand könne Gaza verlassen. „Wenn wir jetzt | |
noch die Schulen zu machen müssten, was für eine zusätzliche Frustration | |
würde das schaffen?“ Das letzte, was die Welt jetzt brauche, sei ein | |
weiterer Krisenherd im Nahen Osten. | |
## 200 Millionen US-Dollar fehlen | |
Momentan tourt der UNRWA-Chef um die Welt, um seine Finanzierungslücke zu | |
schließen. Länder wie Japan, Indien und China haben Zusagen gemacht. | |
Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar haben jeweils | |
50 Millionen zugesagt. Aber dem UNRWA-Chef fehlen aufgrund einer | |
Budgetlücke von 160 Millionen US-Dollar, die bereits vor der US-Absage | |
bestand, immer noch 200 Millionen. | |
Auch Bundesaußenminister Heiko Maas hatte erklärt, eine zusätzliche | |
Unterstützung „in substanzieller Höhe“ vorzubereiten, ohne eine konkrete | |
Summe zu nennen. Maas forderte auch die anderen EU-Staaten auf, mehr | |
Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Die Arbeitsfähigkeit der | |
Organisation stehe auf dem Spiel, schrieb er an seine EU-Kollegen. Sie sei | |
besonders im Gazastreifen „ein Schlüsselfaktor für Stabilität“. Ihr Ausf… | |
könne „eine nicht kontrollierbare Kettenreaktion auslösen“. | |
UNRWA-Chef Krähenbühl warnt vor einer möglichen neuen Flüchtlingswelle. | |
„Wir erinnern uns, was passiert ist, als vor drei Jahren Millionen Menschen | |
nach Europa flohen, darunter waren auch 50.000 palästinensische Flüchtlinge | |
aus Syrien. Was werden die Menschen machen, wenn wir jetzt unsere Schulen | |
schließen?“, fragt er. | |
Die UNRWA mache genau das, wovon die Europäer in der Fluchtdebatte redeten, | |
argumentiert Krähenbühl. Sie helfe vor Ort. Die Organisation habe ein | |
System aufgebaut, das es den palästinensischen Flüchtlingen ermögliche, in | |
der Region zu bleiben. Niemand ist freiwillig Flüchtling, aber wenn es | |
passiert, dann möchte man möglichst nah an seinem Umfeld bleiben“, | |
erläutert er. | |
## Zweitgrößter Arbeitgeber im Gazastreifen | |
Die UNRWA ist für die palästinensischen Flüchtlinge Sozialamt, Schul- und | |
Gesundheitsbehörde in einem. Im Gazastreifen ist sie auch der zweitgrößte | |
Arbeitgeber. „Wir hatten vor zwei Jahren im Gazastreifen 140 offene Stellen | |
für Lehrer. Darauf haben sich über 14.000 Menschen beworben“, sagt | |
Krähenbühl. Er fürchtet, angesichts des Geldmangels Menschen entlassen zu | |
müssen. „Wenn wir im Gazastreifen jemanden entlassen müssen, findet er mit | |
ziemlicher Sicherheit keinen Job mehr.“ | |
Flüchtlingshilfe sollte niemals ein Instrument der Politik sein, kritisiert | |
der UNRWA-Chef die Entscheidung Trumps, die Hilfsgelder einzustellen. „Das | |
war eine politische Entscheidung und führt zu einer Politisierung der | |
humanitären Gelder“, sagt er. „Wir arbeiten als Organisation in einem | |
hochpolitischen Umfeld. Da muss man immer sicherstellen, dass sich die | |
humanitäre Unterstützung nach den Bedürfnisse richtet und nicht nach | |
politischen Fragen“. | |
Die Einstellung der UNRWA-Finanzierung seitens der USA geht einher mit dem | |
[2][Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem] und der Ankündigung der | |
Trump-Regierung vom Montag, [3][die palästinensische Vertretung in | |
Washington zu schließen]. | |
15 Sep 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Trump-streicht-Gelder-fuer-Fluechtlinge/!5529785 | |
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[3] /Palaestinenser-Vertretung-in-Washington/!5535053 | |
## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
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