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# taz.de -- Geflüchtete im Libanon: Im Bus zurück nach Syrien
> Mehrere Tausend Geflüchtete sind aus dem Libanon in ihr Heimatland
> zurückgekehrt. Nicht alle haben diese Option. Viele fürchten um ihre
> Sicherheit.
Bild: Nur wenige Stunden dauert die Fahrt ins Nachbarland, doch sie will gut ü…
Nabatiye taz | Mohammed Abdullah Mitwali wartet. Er sitzt auf dem Boden im
Innenhof der Abdullatif-Fayad-Sekundarschule in der libanesischen Stadt
Nabatiye. Seit fünf Uhr morgens sind er und seine Familie schon hier. Jetzt
ist es halb neun. In zwei Stunden werden sie in einem Bus sitzen, der sie
nach Syrien bringt. „Wir können es kaum erwarten“, sagt die
Schwiegertochter Dayan.
Mitwalis Familie stammt aus der Provinz Daraa im Süden Syriens. Vor sieben
Jahren sind sie vor den Kämpfen zwischen dem Assad-Regime und den Rebellen
aus ihrer Stadt in den Libanon geflohen. Seither sind die Kinder nicht mehr
zur Schule gegangen. Die älteren Söhne verdingten sich als Tagelöhner, doch
das Geld reichte kaum, um die Miete zu bezahlen. Mohammed, der Vater,
konnte wegen einer alten Verletzung am Bein nicht arbeiten. Jetzt wollen
sie zurück.
Der Krieg sei fast vorbei, das Land sicher für die Rückkehr von Millionen
von Syrern, die ins Ausland geflohen sind – so sehen es das syrische Regime
und sein Verbündeter Russland. Der russische Präsident [1][Wladimir Putin
forderte kürzlich sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, Europa solle ich
am Wiederaufbau in Syrien beteiligen] – damit Deutschland seine Flüchtlinge
möglichst rasch loswerde.
Dass sich Deutschland bald auf den Deal einlässt, ist unwahrscheinlich. Im
Libanon allerdings sind weite Teile der Politik für solche Signale
empfänglich. Schätzungen zufolge beherbergt das Land 1,5 Millionen syrische
Flüchtlinge – das ist rund ein Viertel der gesamten Bevölkerung des kleinen
Landes. „Wir können nicht auf eine politische Lösung warten“, sagt der
libanesische Außenminister Gebran Bassil. „Die Lösung kommt mit der
Rückkehr der Flüchtlinge.“
## „Es geht ihnen zu gut im Libanon“
Im ersten Stock der Schule stehen einige Lehrerinnen am Geländer und
schauen auf die Syrer, die im Innenhof ihr Gepäck auf die Dächer der Busse
hieven. Eine von ihnen deutet auf eine Syrerin, die mit sechs Kindern vor
einem der vier Busse wartet: „So viele Kinder in so einer Situation! Aber
es sind halt Syrer.“ In ihren Worten schwingt der Rassismus mit, den viele
Libanesen gegen die syrischen Flüchtlinge hegen: „Denen geht es zu gut im
Libanon, deswegen wollen die meisten gar nicht nach Hause.“
In den vergangenen Monaten haben sowohl die libanesische Regierung als auch
die Hisbollah Zentren eröffnet, in denen sich rückkehrwillige Syrer
registrieren können. Ihre Namen leitet der libanesische Inlandsgeheimdienst
an das syrische Regime weiter. Zurückkehren können sie erst, wenn Damaskus
sie überprüft hat. Seit Ende Juni sind nach Angaben des Geheimdienstes rund
3.400 Syrer auf diesem Weg nach Syrien zurückgegangen.
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) ist jeweils vor
Ort, wenn Syrer die Busse besteigen. Es betont aber, dass es nicht an der
Organisation beteiligt sei und die Lage in Syrien nicht als sicher
einschätze. Dies führte im Juni zu einem [2][Eklat mit der libanesischen
Regierung], die UNHCR-Mitarbeitern die Verlängerung ihres Aufenthalts
verweigerte. Sie beschuldigte die Organisation, unter den Syrern Angst zu
schüren, damit diese im Libanon blieben.
Mitwali und seine Familie haben sich registriert, [3][nachdem die syrische
Armee Daraa vor zwei Monaten von den Rebellen zurückeroberte]. „Die
syrische Armee beschützt unser Land“, sagt Mitwali. „Jeder, der das anders
sieht, ist ein Verräter.“ Dass seine älteren Söhne nach der Rückkehr in d…
Armee müssen, erfülle ihn mit stolz.
## Keine Garantie für oppositionelle Rückkehrer
Es sind solche Rückkehrer, die sich das syrische Regime wünscht. „Ein
Syrien mit zehn Millionen vertrauenswürdigen Bürgern ist besser als ein
Land mit 30 Millionen Vandalen“, [4][sagte Dschamil Hassan], Chef des
syrischen Luftwaffengeheimdienstes. Doch was ist mit allen anderen?
„Wir haben von Flüchtlingen gehört, die zurückgekehrt sind und verhaftet
wurden“, sagt Sara Kayyali von Human Rights Watch. Vor allem jene, die der
Opposition nahe stehen, müssten sich vor Repressionen fürchten. Die meisten
Flüchtlinge kehrten nicht zurück, weil Syrien jetzt sicher sei, sondern
wegen der kaum erträglichen Lebensbedingungen im Libanon.
Viele der Fluchtgründe – etwa der obligatorische Militärdienst in Syrien
oder die Angst vor politischer Verfolgung – bestehen fort. „Für eine
sichere Rückkehr bräuchte es mindestens einen neutralen Akteur, der vor Ort
die Sicherheit der Rückkehrer garantiert“, sagt Kayyali. „Das können weder
die syrische noch die russische Regierung tun, denn sie sind Partei. Unter
den jetzigen Umständen gibt es überhaupt keine Garantie für die Syrer, die
zurückkehren.“
18 Sep 2018
## LINKS
[1] /Merkel-trifft-Putin/!5528973
[2] https://www.reuters.com/article/us-lebanon-syria-refugees-unhcr/lebanon-fre…
[3] /Krieg-in-Syrien/!5522071
[4] http://syrianobserver.com/EN/Features/34576
## AUTOREN
Meret Michel
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