# taz.de -- Libanon hat eine neue Regierung: Hisbollah holt drei Ministerposten | |
> Der bisherige Ministerpräsident Saad al-Hariri führt eine neue Regierung. | |
> Die Schiitenmiliz Hisbollah bekommt das begehrte Gesundheitsministerium. | |
Bild: Neuer und alter Premier: Saad al-Hariri | |
Beirut taz | Knapp neun Monate [1][nach der Parlamentswahl] hat der Libanon | |
eine neue Regierung der nationalen Einheit, an der alle politischen Lager | |
des Landes beteiligt sind. „Wir müssen uns bei allen Libanesen für die | |
Verzögerung entschuldigen. Es gab einige Hindernisse“, sagte der alte und | |
neue Regierungschef Saad al-Hariri nach einem Treffen mit Präsident Michel | |
Aoun und Parlamentspräsident Nabih Berri am Donnerstagabend. | |
Nach der Wahl am 6. Mai – der ersten seit neun Jahren – war Hariri von Aoun | |
mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Was folgte, war ein | |
monatelanger Streit um die Verteilung der Ministerposten. Gemäß der | |
konfessionellen Parität im Libanon muss die Hälfte der 30 Kabinettsposten | |
mit Christen besetzt werden, die andere Hälfte mit Muslimen. | |
Bis zuletzt war die Regierungsbildung durch die Forderung von sechs | |
sunnitischen Abgeordneten nach einem eigenen Posten im Kabinett verhindert | |
worden. Anders als der ebenfalls sunnitische Premier und seine | |
Zukunfts-Partei gehören diese sechs Parlamentarier zum pro-syrischen Lager | |
im Libanon und wurden von der Hisbollah unterstützt. Dessen Generalsekretär | |
Hassan Nasrallah hatte gedroht die Regierung zu boykottieren, sollte die | |
Forderung nicht berücksichtigt werden. | |
Den Hintergrund für diese Blockadehaltung sahen Beobachter in den jüngsten | |
Entwicklungen in Syrien. „Die große Neuerung nach der Wahl war die Rückkehr | |
des syrischen Regimes ins politische Spiel im Libanon“, sagt Joseph Bahout | |
vom Carnegie Center for Middle Eastern Studies in Beirut. „Das Assad-Regime | |
hat deutlich gemacht, dass es die Bildung einer Regierung in Beirut nur | |
dann unterstützen werde, wenn Hariri die Beziehungen zu Damaskus | |
normalisiert.“ | |
Offiziell verfolgt die libanesische Regierung seit Beginn des Konfliktes in | |
Syrien eine Politik der Nichteinmischung. Die Hisbollah, deren Milizionäre | |
seit Jahren an der Seite der Assad-Truppen in Syrien kämpfen, will die | |
Beziehungen zu Damaskus jedoch so schnell wie möglich normalisieren. | |
## Hisbollah stellt drei Minister | |
Aus den Parlamentswahlen im Mai waren die Hisbollah und ihre pro-syrischen | |
Verbündeten, vor allem die christlich-maronitische Freie Patriotische | |
Bewegung (FPB) von Präsident Michel Aoun, gestärkt hervorgegangen. Großer | |
Verlierer war Hariris Zukunfts-Bewegung. | |
Diese Verschiebung spiegelt sich sich in der Zusammensetzung der neuen | |
Regierung wider: 18 der 30 Ministerposten werden nun von Vertretern des | |
pro-syrischen Lagers besetzt. Die Hisbollah, die von zahlreichen Staaten, | |
darunter den USA, als Terrororganisation eingestuft wird, erhält drei | |
anstatt wie bisher zwei Kabinettsposten. | |
Sie stellt nun auch den Minister im hoch budgetierten Gesundheitsressort. | |
Bereits im Vorfeld der Regierungsbildung wurden deshalb Befürchtungen laut, | |
dass wichtige internationale Finanzhilfen für Libanons Gesundheitssektor in | |
Zukunft ausbleiben könnten. | |
Unter diesen Umständen dürfte es Premier Hariri in Zukunft noch schwerer | |
haben, den Erwartungen seiner Unterstützer im Westen und in Saudi-Arabien | |
gerecht zu werden, insbesondere was die Beziehungen zum Regime in Damaskus | |
angeht. | |
Auch der Druck auf die rund 1,5 Millionen syrischen Geflüchteten im Libanon | |
dürfte unter der neuen Regierung weiter zunehmen. Hisbollah und FPB wollen | |
sie so schnell wie möglich [2][zurück in ihre Heimat] schicken – obwohl | |
viele bei ihrer Rückkehr um Leib und Leben fürchten müssen. | |
## Touristen bleiben aus | |
Als größte Herausforderung für das neue Kabinett, das am Samstag erstmals | |
zusammenkommen soll, nannte Hariri die wirtschaftlichen Probleme des | |
Libanon. Seit 2011 und dem Ausbruch des Krieges in Syrien lag das | |
Wirtschaftswachstum bei durchschnittlich 1,5 Prozent und damit unter dem | |
Bevölkerungswachstum. | |
Der wichtige Tourismussektor ist in den letzten Jahren eingebrochen, vor | |
allem weil immer weniger Besucher aus den Golfstaaten kamen. Auch der | |
Bausektor schwächelt und es mangelt an ausländischen Investitionen. Darüber | |
hinaus kämpft das Land mit einer der weltweit höchsten | |
Staatsverschuldungen. | |
Auf einer internationalen Hilfskonferenz in Paris Anfang April 2018 hatte | |
der Libanon Zusagen für zinsgünstige Kredite in Höhe von 11 Milliarden | |
US-Dollar erhalten – vor allem für Investitionen in die marode | |
Infrastruktur des Landes. Doch um diese Gelder auch zu erhalten, muss der | |
Libanon verabredete Reformen umsetzen, was nur mit einer funktionierenden | |
Regierung möglich ist. | |
1 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-Parlamentswahl-im-Libanon/!5500815 | |
[2] /Syrer-im-Libanon/!5536628 | |
## AUTOREN | |
Jakob Farah | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Syrien | |
Libanon | |
Hisbollah | |
Saad Hariri | |
Hisbollah | |
Rechtsextremismus | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Schwerpunkt Syrien | |
Syrer | |
Schwerpunkt Syrien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Druck auf Handlanger Teherans wächst: Washington setzt auf Sanktionen | |
In den USA ist die Hisbollah verboten, in Deutschland noch nicht. Die | |
schiitischen Extremisten dürfen sogar Spenden sammeln – für friedliche | |
Zwecke. | |
Europäische Neonazis bei der Hisbollah: Rechtsextreme Delegation im Libanon | |
Rechtsextreme Europapolitiker haben die Hisbollah-Miliz im Libanon besucht. | |
Ein NPD-Mann sieht die Islamisten als „Vorbild“ für rechte Parteien. | |
Syrische Flüchtlinge im Libanon: Nach dem Sturm | |
Für Flüchtlinge im Libanon war dieser Winter der härteste seit Jahren. | |
Obwohl die Not wächst, schrumpfen die Budgets der Hilfsorganisationen. | |
„Capernaum“-Schauspieler Zain Al Rafeea: Vom Flüchtlingsjungen zum Filmstar | |
Zain Al Rafeea, Hauptdarsteller im libanesischen Drama „Capernaum“, stand | |
auf dem Roten Teppich, bevor er das erste Mal eine Schule besuchte. | |
Syrer im Libanon: Assad wartet schon | |
Im Libanon leben anderthalb Millionen Geflüchtete aus Syrien. Die sollten | |
jetzt zurückkehren, finden die meisten der vier Millionen Libanesen. | |
Geflüchtete im Libanon: Im Bus zurück nach Syrien | |
Mehrere Tausend Geflüchtete sind aus dem Libanon in ihr Heimatland | |
zurückgekehrt. Nicht alle haben diese Option. Viele fürchten um ihre | |
Sicherheit. |