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# taz.de -- Syrische Flüchtlinge im Libanon: Nach dem Sturm
> Für Flüchtlinge im Libanon war dieser Winter der härteste seit Jahren.
> Obwohl die Not wächst, schrumpfen die Budgets der Hilfsorganisationen.
Bild: In Bar Elias stehen einige Straßen noch Wochen nach dem Unwetter unter W…
Bar Elias taz | Als Familie al-Khaled aus ihrem Haus nahe der westsyrischen
Stadt Homs floh, hing noch die Wäsche an der Leine. Sieben Jahre später hat
sie ihr Zuhause nicht weniger überstürzt verlassen. Als der Fluss Litani
wegen des Sturms „Norma“ anschwoll, die Straßen in der libanesischen Stadt
Bar Elias überflutete und schließlich in ihr Zelt drang, ließ die Familie
alles zurück. „Matratzen, Kleider, Essen, alles, was am Boden war, wurde
überflutet“, sagt Abu Omar al-Khaled.
Die Stürme „Norma“ und „Miriam“, die im Januar über den Libanon fegte…
haben diesen Winter zu einem der heftigsten der letzten Jahre gemacht.
Besonders hart hat es die syrischen Flüchtlinge getroffen, die in
inoffiziellen Zeltlagern in der Bekaa-Ebene oder im Nordlibanon leben.
Tausende mussten ihr Zelt fluchtartig verlassen. In einem Lager in Arsal
begrub eine meterhohe Schneedecke die Zelte. In Bar Elias, wo Familie
al-Khaled seit sieben Jahren lebt, flutete der überlaufende Fluss Hunderte
Zelte.
Die Zeltreihe, in der auch Familie al-Khaled lebt, duckt sich in die
Wohnblöcke eines Außenviertels von Bar Elias. Die Straße vor dem Zelt steht
noch immer einen halben Meter unter Wasser. Wegen der mangelhaften
Infrastruktur fließt die von Chemie und Abwasser kontaminierte Lache nur
langsam ab.
Von der Feuchtigkeit und der Kälte sind viele Leute krank geworden, wie das
Hilfswerk Aktion gegen den Hunger mitteilt. Lungenentzündungen, Fieber und
Grippe haben sich ausgebreitet. Es gebe keine Familie, in der nicht
mindestens ein Mitglied krank geworden sei, sagt Abu Omars Bruder Walid
Jumaa.
## Wer zeltet, zahlt Miete
„Norma“ war nicht nur der heftigste Sturm seit Jahren, er hat die Syrer
auch zu einer Zeit getroffen, [1][in der das Leben im Libanon ohnehin immer
schwerer wird]. Seit acht Jahren herrscht in Syrien Krieg. Im Nachbarland
Libanon [2][leben rund 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge].
Das Land hat die höchste Anzahl von Flüchtlingen pro Einwohner. Im
vergangenen Jahr lebten 58 Prozent von ihnen in extremer Armut und von
weniger als 2,78 Dollar am Tag – Tendenz steigend. Fast neunzig Prozent der
syrischen Flüchtlinge sind verschuldet, weil sie anders ihre Ausgaben nicht
decken könnten.
Die al-Khaleds arbeiteten in ihrem Dorf in Syrien in der Landwirtschaft.
Sie besaßen Land, auf dem sie Pfirsiche, Feigen und Aprikosen anbauten.
Seit sie 2012 in den Libanon geflohen sind, ergeben sich gelegentlich Jobs
auf dem Bau – einem der wenigen Berufsfelder, in dem die Syrer im Libanon
legal arbeiten dürfen.
„Einen Tag haben wir Arbeit, dreißig Tage warten wir“, sagt Abu Omar. Seine
Familie ist von Hilfsleistungen abhängig. Das Geld reicht kaum, um den
Strom zu bezahlen, das Essen, Arztbesuche und die Gebühren für den Boden,
auf dem ihr Zelt steht. Seit Monaten konnten sie die Standortmiete nicht
bezahlen, so dass der Grundbesitzer bereits gedroht hat, sie rauszuwerfen.
Während die Not der Syrer im Libanon steigt, schrumpfen die Kassen der
Hilfsorganisationen. Das Budget des UN-Flüchtlingshilfswerks für die
syrischen Flüchtlinge im Libanon war 2018 nur zu rund vierzig Prozent
gedeckt. Im September bat das UNHCR dringend um Spenden in Höhe von 270
Millionen Dollar für die monatlichen Unterstützungszahlungen pro Familie
sowie die Winterhilfe.
[3][Doch nicht nur das UNHCR], auch kleinere Organisationen haben damit zu
kämpfen, dass die Spendenbereitschaft zurückgeht. „Vor ein paar Jahren
wurde noch für alles gespendet, was irgendwie mit Syrern zu tun hatte“,
sagt Yasmin Kayali von der libanesisch-syrischen Hilfsorganisationen Basmeh
and Zeitooneh. „Das ist heute leider nicht mehr so.“
Vor allem für die Basis-Unterstützung wie Essen oder die Verbesserung der
Infrastruktur in den inoffiziellen Lagern seien kaum noch Gelder zu
generieren. Wenn, dann würde für Projekte zur Frauenförderung oder für
Schulen gespendet. „Das ist ja grundsätzlich richtig“, sagt Kayali.
Schließlich sei das Ziel, dass die Flüchtlinge sich selbst eine Existenz
aufbauen können.
## Crowdfunding braucht Bilder
Doch gerade im Libanon ist der Bedarf an Basishilfe noch immer groß. „Auf
diesen Sturm zum Beispiel waren wir nicht vorbereitet, obwohl wir wussten,
dass er kommt“, sagt Kayali. „Aber wenn wir vorher ein Crowdfunding machen,
damit wir die Lager auf das Wetter vorbereiten können, spendet kaum
jemand“, sagt sie. „Wir brauchen leider die Bilder von den Zelten, die
meterhoch im Wasser stehen.“
Die Mitarbeiter von [4][Basmeh and Zeitooneh], zusammen mit anderen lokalen
Organisationen, arbeiteten in den elf Tagen, die das Unwetter andauerte,
rund um die Uhr. Sie kochten, funktionierten ihre Büros und
Ausbildungszentren zu Massenlagern um und halfen nach dem Sturm, die Zelte
wieder aufzubauen.
„Ein Teil des Geldes hätten wir eigentlich für die Ausbildungszentren
gebraucht, die wir betreiben“, sagt Mahmud, der als Freiwilliger für die
Organisation Sawa for Development and Aid arbeitet.
Trotz der Umstände und des finanziellen Drucks will Familie al-Khaled
vorerst im Libanon bleiben. „Wenigstens sind unsere Kinder hier in der
Schule“, sagt Abu Omar. „Wir haben unsere Zukunft bereits verloren. Aber
wir wollen, dass wenigstens unsere Kinder eine haben.“
6 Feb 2019
## LINKS
[1] /Fluechtlinge-im-Libanon/!5207593
[2] /Syrer-im-Libanon/!5536628
[3] /Abschottung-der-Europaeischen-Union/!5516013
[4] /Faire-Produkte-aus-dem-Kriegsgebiet/!5011949
## AUTOREN
Meret Michel
## TAGS
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Syrien
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