# taz.de -- Comic-Band „Girlsplaining“: Schamhaar, Fernsehen, Blümchenduft | |
> Die Comiczeichnerin Katja Klengel untersucht weibliche Sexualität für das | |
> Online-Magazin Broadly. Nun sind ihre Kolumnen im Buch „Girlsplaining“ | |
> erschienen. | |
Bild: Gleichstellung im Weltraum: Comicautorin Katja Klengel bedient sich bei d… | |
BREMEN taz | Die Zauberschule Hogwarts ragt hinauf in einen blass-roten | |
Himmel, wo hoch oben ein mit Zähnen gespicktes Knäuel über den gotischen | |
Türmchen schwebt: Die Vagina dendata versetzt die Männerwelt in Schrecken. | |
Ein bisschen weiter treibt Comicautorin Katja Klengel ihre | |
Harry-Potter-Anspielung zwar noch (mit Hinweis auf das Gewese um die | |
individuellen Qualitäten verschiedener Zauberstäbe und Voldemorts ebenso | |
phallische Hausschlange). | |
Aber wie immer in diesem Buch folgt nach zwei, drei Seiten der nächste | |
Sprung. Mit Star Trek geht es dann weiter, mit Vampirjägerin Buffy – oder | |
mit Klengels eigenen Kindheitserinnerung, als ihr die ersten Schamhaare | |
wachsen oder Binden mit Blümchenduft suggerieren, es gäbe da ein | |
grundsätzliches Problem mit dem weiblichen Körper. | |
Klengels Buch „Girlsplaining“ ist gerade bei Reprodukt erschienen und | |
versammelt die ersten Folgen ihrer Kolumne auf Broadly, dem Frauenkanal von | |
Vice. Einmal im Monat untersucht Klengel dort als Webcomic die weibliche | |
Sexualität und ihren Niederschlag in Kulturgeschichte und Pop. | |
Das Thema drängt im Comic. Gerade erst im vergangenen Jahr hatte die | |
deutsche Ausgabe von Liv Strömquists „Der Ursprung der Welt“ für Furore | |
gesagt: Eine Kulturgeschichte der Vulva und der Gesellschaft, die sonst | |
nicht darüber spricht. Auch geistert die Frage nach starken Frauenfiguren | |
schon seit mindestens 30 Jahren durch den US-amerikanischen Indiecomic. | |
Alison Bechdel etwa (die mit dem Filmtest) ist weit über die Szene hinaus | |
berühmt geworden. | |
Neu an „Girlsplaining“ ist aber, dass Klengels Feminismus viel weniger | |
eindeutig ist und ihre Fragen tatsächlich meist eher neugierig scheinen als | |
fordernd. Und in Klengels nerdiger Nähe zur Popkultur knistert dann doch | |
auch mehr Herzschmerz mit als etwa in Strömquists Abrechnung mit | |
historischen Sexisten. Man merkt es auch daran, wie oft die Pointen der | |
„Girlsplaining“-Episoden auf Kosten ihrer Ich-Erzählerin gehen. | |
Wo Klengel ihr eigenes Kolumnistinnentum etwa mit Carrie Bradshaw aus „Sex | |
in the City“ vergleicht, muss sie sich von ihrer Mitbewohnerin im Comic | |
kritisieren lassen: „Wie kann es sein, dass das ’ne Serie über starke | |
Frauen sein soll, aber alles, was sie tun, ist, über irgendwelche Typen zu | |
quatschen?!“ Das stimmt bestimmt und ist trotzdem interessant, weil die | |
Frauenpower aus „Sex in the City“ tatsächlich ein schwieriger Grenzfall ist | |
– und weil man der Autorin total abnimmt, den Käse gerne zu gucken. | |
In die Zeichnungen montiert sich Klengel immer wieder selbst in | |
verschiedenen Rollen: als Kind, Teenager oder eben als die Vice-Kolumnistin | |
von heute. Dass ihr Stil mit Mangaästhetik und den Formen der US-Indies | |
zwei der wohl produktivsten Quellen feministischer und queerer Comics | |
verbindet, ist sicher kein Zufall. Ob das nun allerdings eine bewusste | |
Hommage ist oder einfach die eigene Prägung, ist letztlich so egal wie die | |
Frage nach Henne und Ei. Es macht jedenfalls großen Spaß, dieser | |
Zusammenkunft zuzuschauen. | |
Mit den Turtles, Sailor Moon und Harry Potter geht es hier um den | |
Mainstream – allerdings um dessen nerdige Ecken. In einer Fußnote am Namen | |
„Nagini“ legt Katja Klengel dieses Verhältnis selbst dar: So heißt erstens | |
Lord Voldemorts Schlange und das ist zweitens Allgemeinbildung. | |
Dass hier ausgerechnet in der Fantasy offensichtlich Bilder stecken, die | |
helfen können, sich dem gesellschaftlichen Mainstream zu widersetzen, ist | |
schon bemerkenswert. Und um die schlechte Echtwelt geht es ja eigentlich in | |
„Girlsplaining“: Nicht mal eine Mitnehm-Suppe kaufen zu können, ohne dumm | |
angebaggert zu werden; in einem Körper zu stecken, dem von allen Seiten | |
nachgesagt wird, er habe Fehler. Und dann natürlich noch die ewige | |
Kinderfrage: der „Elephant in the Room“, der im Bild tatsächlich als Tier | |
in das unangenehme Gespräch mit den Schwiegereltern geführt wird: „Eine | |
Eilsendung für Katja Klengel.“ | |
Natürlich sind all diese Themen lange bekannt, Katja Klengels Geschichten | |
sind aber trotzdem so scharfsinnig wie lustig erzählt. Und die | |
Nerdperspektive aufs Geschehen ist schon mehr als eine austauschbare | |
Kulisse, weil das dem falschen Ganzen weitgehend ungestörte Rückzugsräume | |
nimmt. Wenn nun schon entlang von Phantasiewelten, Spielzeug und | |
Zeichentrickfilmen über Geschlechterfragen diskutiert werden muss: Wo hat | |
man dann denn noch seine Ruhe? Genau. | |
Worum es bei der Ruhe nämlich in letzter Konsequenz geht, zeigt eine der | |
ernsteren Episoden in „Girlsplaining“, erzählt über dem Bild einer sich | |
einsam betrinkenden Superheldin mit Maske: In der U-Bahn wird eine Frau | |
sexuell belästigt und aufgefordert, mit auszusteigen, um Sex mit dem Mann | |
zu haben. Sie sagt Ja, steht tatsächlich auf, lässt ihn aussteigen und als | |
sich die Tür schließt, merkt er, dass sie noch in der Bahn ist. Gute | |
Geschichte, klar – auch in der U-Bahn haben am Ende alle applaudiert, die | |
bis dahin Fresse gehalten haben. | |
18 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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