| # taz.de -- Geflüchteten in Bulgarien droht Armut: Abschiebungen ins Elend ges… | |
| > Niedersachsen wird Menschen nicht mehr in eine drohende Obdachlosigkeit | |
| > nach Bulgarien abschieben. Das gilt so lange, bis die Zustände besser | |
| > sind. | |
| Bild: Ohne Arbeit keine Wohnung, ohne Wohnung keine Arbeit: Geflüchtete in Bul… | |
| Hannover taz | Menschen, die in Bulgarien bereits als Flüchtlinge anerkannt | |
| wurden, schiebt das Land Niedersachsen nicht mehr dorthin ab. Der Grund | |
| ist, dass den Menschen, die in das südosteuropäische Land zurückkehren | |
| müssen, Obdachlosigkeit und Verelendung droht. Das Oberverwaltungsgericht | |
| in Lüneburg hatte schon im Januar geurteilt, dass die Abschiebungen | |
| rechtswidrig seien. | |
| Nun hat das Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde des Bundesamtes für | |
| Migration und Flüchtlinge (Bamf) abgewiesen. Das Abschiebungsverbot ist | |
| damit rechtskräftig und wird erst aufgehoben, wenn sich die Zustände | |
| verbessern. | |
| Asylanträge von Menschen, die bereits in einem sicheren Drittland Asyl | |
| bekommen haben, sind in Deutschland unzulässig. Die Betroffenen werden in | |
| der Regel zurückgeschickt. Bei dem Prozess im Januar hatte ein Syrer gegen | |
| seine drohende Abschiebung nach Bulgarien geklagt. Er war 2014 nach Europa | |
| geflohen und wurde von den bulgarischen Behörden im Oktober 2014 als | |
| Flüchtling anerkannt. Er reiste jedoch weiter und stellte in Deutschland | |
| erneut einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. | |
| Das Oberverwaltungsgericht sah in Bulgarien jedoch so „grundlegende | |
| Defizite im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen“, dass die Annahme | |
| berechtigt sei, „dass dem Kläger bei seiner Abschiebung mit beachtlicher | |
| Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung“ drohe. | |
| ## Gefahr der Verelendung | |
| Anerkannte Flüchtlinge hätten in der Regel keinen Zugang zu Wohnraum, heißt | |
| es in der Urteilsbegründung – insbesondere, wenn sie die staatlichen | |
| Unterkünfte schon einmal verlassen hätten. Auch auf dem freien | |
| Wohnungsmarkt hätten die Menschen kaum eine Chance. | |
| Das Ganze ist ein Teufelskreis. Ohne Unterkunft könnten sich die | |
| Geflüchteten nicht arbeitslos melden und über das Jobcenter Zugang zum | |
| Arbeitsmarkt bekommen. Das berge „zugleich die Gefahr der Verelendung, da | |
| auch kein Zugang zu Sozialhilfe besteht“, schreibt das Gericht. Es sprach | |
| daraufhin ein grundsätzliches Abschiebungsverbot aus. Die | |
| Oberverwaltungsgerichte anderer Bundesländer haben die Situation in | |
| Bulgarien anders bewertet. Das Bamf prüft nun die Beschlüsse. | |
| Bemerkenswert: Es waren eben solche, durch Interventionen der Bremer | |
| Bamf-Leiterin Ulrike B. verhinderte Abschiebungen von jesidischen Familien | |
| nach Bulgarien, die zunächst den Präsidenten der Region Hannover, Hauke | |
| Jagau (SPD), und dann den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius | |
| (SPD) selbst veranlasst hatten, sich über die Bremer Außenstelle des Bamf | |
| in der Nürnberger Zentrale zu beschweren. | |
| ## Seehofer in der Pflicht | |
| Ulrike B. hatte mit ihrem Eingreifen Negativbescheide der Bamf-Außenstellen | |
| Friedland und Oldenburg, die diese Abschiebungen androhten, überschrieben. | |
| Im dramatischsten Fall wurde damit die Abschiebung einer sechsköpfigen | |
| irakisch-jesidischen Familie nach Bulgarien erst auf dem Flughafen | |
| kurzfristig gestoppt. Die Beschwerden von Regionspräsident Jagau und | |
| Pistorius hatten erheblich zu den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen | |
| gegen B. und mehrere niedersächsische Anwälte beigetragen. | |
| Niedersachsen will das aktuelle Abschiebungsverbot achten. Es seien sechs | |
| Menschen bekannt, bei denen eine Abschiebung nach Bulgarien bevor gestanden | |
| habe, heißt es aus dem Innenministerium. Wie viele Menschen darüber hinaus | |
| betroffen sind, ist unklar. Sie alle würden nun vorerst geduldet. „Nach | |
| längerer Aufenthaltsdauer“ könne sich für sie auch eine Bleibeperspektive | |
| entwickeln, sagt Ministeriumssprecherin Svenja Mischel. | |
| Die Situation verdeutliche, dass Bulgarien verpflichtet werden müsse, | |
| anerkannten Flüchtlingen eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten. | |
| Pistorius nimmt dafür seinen Berliner Amtskollegen Horst Seehofer (CSU) in | |
| die Pflicht: „Ich fordere den Bundesinnenminister auf, auf allen Ebenen | |
| darauf hinzuwirken dass sich etwas in Bulgarien ändert.“ | |
| ## Dauerhafte Bleibeperspektive gefordert | |
| Ex-Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hält das für richtig. „Es wäre fata… | |
| wenn es über diesen Weg eine Sogwirkung geben würde“, sagt er. Wenn die | |
| Geflüchteten wüssten, dass sie nur nach Deutschland kommen müssten und dann | |
| nicht mehr in andere europäische Länder zurück geschickt werden könnten, | |
| würde die Dublin-Regelung ausgehebelt. „Alle müssen die Standards | |
| einhalten.“ | |
| Der niedersächsische Flüchtlingsrat sieht Probleme in weiteren EU-Staaten. | |
| „Zumindest für Ungarn muss das Innenministerium ebenfalls ein offizielles | |
| Abschiebeverbot prüfen“, sagt Sigmar Walbrecht. „Auch von dort haben wir | |
| haarsträubende Berichte gehört.“ Geflüchtete landeten nicht nur auf der | |
| Straße, sie seien auch von rassistischen Angriffen bedroht. | |
| Für die Menschen, die von dem Abschiebungsverbot nach Bulgarien betroffen | |
| sind, fordert Walbrecht, dass sie eine dauerhafte Perspektive in | |
| Deutschland bekämen. „Sie müssen sich hier ein Leben aufbauen können.“ | |
| 6 Sep 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Andrea Maestro | |
| Benno Schirrmeister | |
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