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# taz.de -- Bremen beschließt Bleiberecht: Opfer rechter Gewalt dürfen bleiben
> Angesichts von Pogromstimmung und rechter Gewalt beschließt Bremen,
> Betroffenen Schutz zu gewähren und plädiert für ein bundesweite Regelung.
Bild: Am häufigsten trifft sie jedoch Schutzsuchende, die oft einen prekären …
Bremen taz | Mit den Schlägen einer Eisenkette brachten drei Männer einen
20-jährigen Syrer zu Boden und traten auf ihn ein. Davor hatten sie ihn
rassistisch beschimpft und ihm mehrfach ins Gesicht geschlagen. Die drei
Tatverdächtigen lauerten dem Syrer auf seinem Heimweg am Mittwochabend in
Wismar auf. Laut [1][Pressemitteilung der Polizei Rostock] erlitt der Mann
einen Nasenbeinbruch, Prellungen und musste ins Krankenhaus. Der
Staatsschutz ermittelt, weil laut Polizei ein „ausländerfeindlicher
Hintergrund“ nicht ausgeschlossen werden könne. Am Donnerstag wurden
[2][ein Tatverdächtiger festgenommen].
Eine rechte Gewalttat, die in der Statistik auftauchen wird. 2017 waren es
1.054 rechte Gewalttaten bundesweit, die Dunkelziffer dürfte weit höher
liegen. Trotz dem dringenden Bedarf an psychologischer Betreuung, sind
viele Opfer rechter Gewalt in Deutschland von Abschiebungen bedroht.
Angesichts anhaltend hoher rechter Gewalt und unter dem Eindruck der
rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz stimmte die Bürgerschaft in
Bremen am Mittwoch dafür, das zu ändern.
Mit den Stimmen der Grünen, der SPD und der Linken wurde [3][ein
gemeinsamer Antrag angenommen], der ein [4][„humanitäres Bleiberecht für
Opfer rechtsextremistischer und rassistischer Gewalt“] vorsieht. Es ist das
erste norddeutsche Bundesland, das sich für eine solche Regelung
ausspricht.
Künftig sollen die Ausländerbehörden in Bremen und Bremerhaven frühzeitig
über Ermittlungen in Fällen rechter Gewalt und rassistischer Straftaten
informiert werden. Bei Betroffenen sollen sie vollumfänglichen Gebrauch
machen von den bestehenden Möglichkeiten der Erteilung von
Aufenthaltserlaubnissen und Duldungen für die Opfer.
## Aufenthaltsgesetz „großzügig“ auslegen
Möglich ist das auf Grundlage einer „großzügigen Anwendung“ des
Aufenthaltsgesetzes, wie es in dem Antrag heißt. Es gebe zwar keine
spezielle Regelung im Aufenthaltsgesetz, Opfern rechter Gewalt ein
Aufenthaltsrecht zu vermitteln, Brandenburg, Berlin und Thüringen weisen
ihre Behörden allerdings an, in solchen Fällen das Recht großzügiger
auszulegen und sprechen eine Duldung oder ein Bleiberecht aus humanitären
Gründen aus. Geprüft werden soll auch die Möglichkeit, eine
Aufenthaltserlaubnis im Härtefallverfahren zu erlangen.
Damit will Bremen möglicherweise über die [5][Regelung in Thüringen]
hinausgehen, wo es derzeit möglich ist, per Duldung den Aufenthalt von
Betroffenen um sechs Monate zu verlängern. Björn Fecker, innenpolitischer
Sprecher der Grünen, sagte: „Für uns ist die Duldung das mindeste, aber
auch ein gesicherter Aufenthaltsstatus wäre wünschenswert.“
Wie der Erlass genau aussehen werde, sei noch unklar und müsse zusammen mit
der Innenbehörde erarbeitet werden. Ansonsten orientiere man sich an dem
Erlass aus Thüringen, wo es ein solches Bleiberecht bereits gibt. Dort gilt
es für Menschen, denen eine Abschiebung droht, bei besonders schweren
Straftaten wie Landfriedensbruch, Sexualstraftaten, Körperverletzungen –
wenn es Anhaltspunkte für einen rassistischen Hintergrund gibt.
Bremen spricht sich in dem angenommenen Antrag auch für eine einheitliche
bundesweite Regelung aus und schließt sich der bereits bestehenden
[6][Bundesratsinitiative besagter Länder] an. In den meisten Bundesländern
fehle eine derartige Weisungslage, deswegen will sich nun auch Bremen für
eine Änderung des [7][§ 25, Abs. 4a, des Aufenthaltsrechts] einsetzen,
sodass Opfer rassistischer Gewaltstraftaten den Opfern von Menschenhandel,
Zwangsprostitution und Ausbeutung gleichgestellt würden, die schon einen
besonderen Schutzstatus haben.
## CDU und FDP sehen keinen Handlungsbedarf
In der [8][Landtagsdebatte vom Mittwoch] unterstrich Björn Fecker diese
Ambitionen angesichts der Bilder aus Sachsen: „Es ist es sehr deutlich,
dass Landesregierungen unterschiedliche Schwerpunkte und Herangehensweisen
im Umgang mit rechtsextremer Gewalt haben – von klarer Benennung bis hin zu
Verharmlosung.“ Auch deshalb bräuchte es eine bundeseinheitliche Regelung.
Auch Sükrü Senkal von der SPD sprach sich dafür aus: „Der Staat darf nicht
den Eindruck erwecken, er mache da weiter, wo die Täter aufhörten“, so
Senkal. Gerichtsprozesse gegen Rechte scheiterten nicht selten daran, dass
Opfer und Zeugen bereits abgeschoben seien, bevor die Verfahren eröffnet
werden. Sofia Leonidakis von der Linken sprach von einem wichtigen Signal
an die Opfer und machte darauf aufmerksam, dass in der Praxis auch Opfer
von Ausbeutung und Zwangsprostitution immer wieder vor einer Anhörung
abgeschoben wurden.
Gegen den Antrag sprachen sich CDU und FDP aus. Beide Redner der Fraktionen
waren sich einig, dass es keinen Handlungsbedarf gebe, weil es bereits
jetzt ausreichende Möglichkeiten gebe, Betroffenen von Gewalt ein
Bleiberecht einzuräumen.
Bremens fraktionsloser AfD-Mann versuchte mit unsachlichen Beiträgen zu
provozieren und trug außer Hass und Vorurteilen inhaltlich nichts bei.
30 Aug 2018
## LINKS
[1] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/108746/4047558
[2] /Rassistische-Gewalt-in-Wismar/!5532435/
[3] http://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp19/land/drucksache/D19L17…
[4] /!5508938/
[5] https://www.mdr.de/thueringen/thueringen-bleiberecht-fuer-auslaendische-gew…
[6] https://www.bundesrat.de/DE/plenum/plenum-kompakt/18/966/966-pk.html;jsessi…
[7] https://dejure.org/gesetze/AufenthG/25.html
[8] https://vimeo.com/287282206
## AUTOREN
Gareth Joswig
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