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# taz.de -- Regelung für Opfer rechter Gewalt: Niemand bleibt wegen Bleiberecht
> Der Innensenator wollte Ausländern, die Opfer rechter Gewalt wurden, ein
> Bleiberecht einräumen. Doch bisher greift die Regelung nicht.
Bild: Innensenator Geisel könnte die Regelung für Opfer rechter Gewalt nachbe…
Berlin taz | Die Neuerung klang sehr gut: „Berlin schafft
Bleiberechtsregelung für Opfer von Hasskriminalität“, verkündete
Innensenator Andreas Geisel (SPD) vor einem Jahr. Nun stellt sich heraus:
Geisels Anweisung an die Ausländerbehörde wurde nie angewandt. Das ergibt
sich aus der bislang unveröffentlichten Antwort auf eine schriftliche
Anfrage der Linkspartei-Abgeordneten Niklas Schrader und Hakan Taş, die der
taz vorliegt. Bislang seien „keine Anträge auf Erteilung eines Bleiberechts
für Opfer von Hasskriminalität gestellt worden“, heißt es darin.
Mit der Regelung sollten eigentlich Ausländer, die „vollziehbar
ausreisepflichtig“ sind, aber Opfer rechter Gewalt werden, besser geschützt
werden. Dafür hatte Geisel die Ausländerbehörde vor einem Jahr angewiesen,
ihnen – und gegebenenfalls ihrer Familie – bis zum Abschluss des
Strafprozesses gegen die Täter eine Duldung zu geben. Verbunden hatte
Geisel dies mit einer Botschaft: „Den Tätern muss klar gemacht werden, dass
ihre Straftaten zu nichts führen und genau das Gegenteil dessen bewirken,
was sie vielleicht im Kopf haben. Menschen, die durch Gewalt aus unserem
Land vertrieben werden sollten, können stattdessen bleiben“, erklärte er
damals.
Die Polizei habe bisher allerdings keinen Fall festgestellt, auf den die
Regelung anwendbar gewesen wäre, heißt es nun in der Antwort auf die
Anfrage. Der Senat plane daher, die Regelung zu ergänzen. Künftig solle sie
auch Personen begünstigen, „die zwar zum Tatzeitpunkt noch im Besitz eines
Aufenthaltstitels oder einer Aufenthaltsgestattung sind, jedoch
gegebenenfalls erst Jahre später vollziehbar ausreisepflichtig werden“.
Mitarbeiter der Opferberatungsstelle ReachOut wundern sich nicht, dass die
Regelung bislang keine Anwendung fand. Sie sei viel zu kompliziert und
beinhalte „hohe Hürden“ für potenziell Berechtigte, sagt Sabine Seyb. So
sei die Annahme nicht realistisch, dass sich die Opfer – selbst wenn sie
die Regelung kennen würden – an die Ausländerbehörde wenden. „Dafür sin…
jedem Fall ein geschützter Raum und ein Vertrauensverhältnis erforderlich.“
## Unkenntnis bei Behörden
Auch sei unverständlich, warum die Polizei bestätigen müsse, dass die Tat
mit „erheblichen Folgen für das Opfer“ verbunden sei. „Dazu ist sie gar
nicht in der Lage“, so Seyb. Psychische Folgen etwa würden oft erst nach
Monaten evident. Zudem sei die Einschränkung auf „Gewaltdelikte“ zu groß:
„Auch eine Nötigung oder Bedrohung kann erhebliche Folgen für das Opfer
haben.“
Seybs Kollege Biplab Basu nennt ein weiteres Problem. „Einen Klienten von
uns, auf den die Regelung zutraf, habe ich mal zur Ausländerbehörde
geschickt. Er wurde abgewiesen, weil niemand Bescheid wusste.“ Er selbst
habe mehrfach mit verschiedenen Mitarbeitern der Behörde gesprochen –
keiner habe die Regelung gekannt.
Ohnehin, findet Basu, sei die „Bleiberechtsregelung“ gar keine, da der
Abschiebeschutz ja nur bis zum Prozess gegen die Täter gilt. „Danach muss
das Opfer versuchen, über die Härtefallkommission einen Aufenthalt zu
bekommen.“ Das aber sei ja kein besonderer Schutz von Gewaltopfern – „und
was für ein Signal an die Täter soll denn das sein?“ Für ihn und Seyb ist
die sogenannte Bleiberechtsregelung daher ohnehin „eine Mogelpackung“.
So weit würde der linke Abgeordnete Schrader nicht gehen. Aber auch er
nennt die Regelung im Lichte der neuen Erkenntnisse unzureichend. „Das mit
der Härtefallkommission ist unglücklich“, gibt er zu. Allerdings sei sie
gesetzlich oft die einzige Möglichkeit für die Landesbehörden bei
Ausreisepflichtigen. Grundsätzlich handele es sich um „eine sehr gute
Initiative“, findet Schröder, die nun nachgebessert werden müsse. Dafür
will er bei Geisel ein Expertengespräch mit AnwältInnen und Organisationen
wie ReachOut anregen. „Und natürlich müssen wir das Ganze bei den Behörden
bekannt machen.“
9 Jul 2018
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Aufenthaltsrecht
Duldung
Rechte Gewalt
Bleiberecht
Bleiberecht
Schwerpunkt Rassismus
Rechte Gewalt
Schwerpunkt Neonazis
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