# taz.de -- Rechts motivierte Tötungsdelikte: Regierung korrigiert Opferzahlen | |
> Rechtsextreme haben seit 1990 mehr Menschen umgebracht als bisher | |
> angenommen. Die Regierung zählt nun 83 Tote – auch diese Zahl ist zu | |
> niedrig angesetzt. | |
Bild: Ein Opfer rechter Straftaten: die 2009 in Dresden erstochene Ägypterin M… | |
BERLIN taz | 83 Tote gab es durch rechte Gewalt seit 1990 nach den | |
offiziellen Zahlen der Bundesregierung – noch im März war das | |
Innenministerium von nur 76 Todesopfern ausgegangen. Der Anstieg ist auf | |
eine erneute Überprüfung der Fälle in Berlin zurückzuführen. Das hat eine | |
Kleine Anfrage der Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) ergeben. | |
Auf Grundlage [1][der Liste des Tagesspiegels] hat das Zentrum für | |
Antisemitismusforschung der Technischen Universität mehrere Fälle in Berlin | |
erneut untersucht – und sechs vermeintlich unpolitische Taten als rechte | |
Gewalttaten identifiziert. | |
Trotz der Korrektur könnte die tatsächliche Zahl der Todesopfer noch | |
deutlich höher liegen als bisher angenommen. In einer Langzeitrecherche hat | |
der Tagesspiegel rechts motivierte Tötungsdelikte seit dem Jahr 2000 | |
dokumentiert – und kommt zu dem Ergebnis, dass es seit 1990 mindestens 149 | |
Tote gegeben haben soll. | |
Die Amadeu-Antonio-Stiftung rechnet sogar mit noch mehr Opfern: „Wir gehen | |
von mindestens 193 Toten seit 1990 aus“, so Anna Brausam, Sprecherin der | |
Stiftung. „Bei der Aufarbeitung geht es darum, die tödliche Dimension | |
rechter Gewalt darzustellen“, sagte Brausam der taz. „Die wird in den | |
Zahlen der Bundesregierung so nicht gezeigt.“ | |
Andere Bundesländer sollen nachziehen | |
Auch das Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam hat unpolitisch | |
eingestufte Verbrechen erneut überprüft und neu bewertet. Die korrigierte | |
Zahl aus Brandenburg ist ebenfalls bereits in der neuen Statistik der | |
Bundesregierung aufgenommen. | |
Die thüringische Landesregierung hat ebenfalls Interesse bekundet, dem | |
Beispiel Berlins und Brandenburgs zu folgen und plant eine | |
wissenschaftliche Überprüfung der potenziell rechts motivierten | |
Tötungsdelikte in dem Bundesland. In Sachsen-Anhalt hatte Innenminister | |
Holger Stahlknecht (CDU) bereits 2012 eine Untersuchung von Fällen aus der | |
Tagesspiegel-Liste veranlasst – allerdings ohne wissenschaftliche | |
Begleitung. | |
„Unabhängige wissenschaftliche Überprüfungen, die nunmehr in Thüringen | |
geplant und in Brandenburg und Berlin erfolgreich durchgeführt wurden, sind | |
dringend auch in allen anderen Bundesländern notwendig“, fordert Franz | |
Zobel, Vorstandsmitglied des Verbands der unabhängigen Beratungsstellen für | |
Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Es gehe auch | |
darum, den Angehörigen die Verarbeitung der Verbrechen zu erleichtern, | |
sagte Zobel der taz. | |
19 Jun 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesspiegel.de/politik/rechtsextremismus/toedlicher-hass-149-t… | |
## AUTOREN | |
Miriam Schröder | |
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