# taz.de -- Was ist Glyphosat?: Beliebt auf Bauernhof und Bahnstrecke | |
> Alle Welt redet von Glyphosat. Was ist das eigentlich? Wer benutzt es, | |
> warum – und wo geschieht das noch mehr als hierzulande? Und war da nicht | |
> was mit Bier? | |
Bild: Weltweit bedeutendster Wirkstoff: Glyphosatangabe auf der Verpackung eine… | |
Was ist Glyphosat? | |
Der weltweit bedeutendste Inhaltsstoff von Pflanzenvernichtungsmitteln. | |
Diese Breitband- oder Totalherbizide töten Pflanzen ab, auf die sie | |
gesprüht werden – es sei denn, es handelt sich um genveränderte, resistente | |
Pflanzen. Alle anderen Pflanzen nehmen das Gift über das Grün auf und | |
verwelken danach. | |
Woher kommt Glyphosat? | |
Der US-Saatguthersteller Monsanto, den kürzlich das deutsche Unternehmen | |
Bayer geschluckt hat, hat das Mittel „Roundup“ im Jahr 1974 auf den Markt | |
gebracht. Auch in Deutschland wird es seitdem auf die Äcker gespritzt. | |
Wofür wird das Gift benutzt? | |
Zur Unkrautvernichtung in so ziemlich allen Bereichen der Landwirtschaft, | |
dem Obst- und Weinanbau, der Tannenbaumproduktion, aber auch in privaten | |
Gärten. [1][Laut dem Bundeslandwirtschaftsministerium] setzt die Deutsche | |
Bahn das Pflanzenschutzmittel großflächig ein, um die Bahnstrecken von | |
„Unkraut“ frei zu halten. In der Biolandwirtschaft ist das Gift verboten, | |
Bioweinbauern etwa setzen deshalb auf das Schwermetall Kupfer. | |
Was ist Sikkation? | |
Landwirte können Glyphosat zur Sikkation – Trocknung – einsetzen, um die | |
Ernte zu beschleunigen oder zu erleichtern, wenn sie die Pflanzen kurz | |
vorher mit dem Gift besprühen. Das geht etwa bei Kartoffeln, auch Getreide | |
ist einfacher zu ernten, wenn es trockener ist. In Deutschland ist die | |
Sikkation seit 2014 nur noch in Ausnahmefällen erlaubt, wenn die Ernte etwa | |
wegen großer Mengen Unkrauts im Getreide sonst nicht möglich wäre. | |
Wie viel Glyphosat versprühen die Deutschen? | |
Laut dem [2][Julius-Kühn-Institut] des Bundeslandwirtschaftsministeriums | |
haben die Anwendung und der Absatz glyphosathaltiger Herbizide in den | |
vergangenen zehn Jahren in Deutschland stark zugenommen. Seit 2004 werden | |
jährlich durchschnittlich circa 5.000 Tonnen des Wirkstoffes Glyphosat | |
abgesetzt: So steht es in einem Bericht aus dem vergangenen Jahr. Glyphosat | |
mache rund ein Drittel der verkauften Pflanzengifte aus. „Rund 37 Prozent | |
der Ackerfläche Deutschlands werden jedes Jahr mit glyphosathaltigen | |
Herbiziden behandelt.“ | |
Warum wird Glyphosat in anderen Ländern sogar noch stärker eingesetzt? | |
In Deutschland ist es verboten, genmanipulierte Pflanzen anzubauen, die | |
gegen Glyphosat resistent sind. Die Landwirte hier sprühen deshalb vor der | |
Aussaat, um das Unkraut vom Acker zu bekommen. In anderen Ländern wie etwa | |
den USA können die Landwirte auch noch Glyphosat spritzen, wenn der | |
genveränderte Mais, Soja oder die Baumwolle schon auf dem Feld stehen. | |
Gibt es andere Pflanzen, die Resistenzen gegen Glyphosat entwickelt haben? | |
Weltweit sind bislang 41 Unkrautarten [3][nachweislich immun gegen | |
Glyphosat], Tendenz [4][steigend]. Die bekannteste ist Amaranthus palmeri, | |
die vor allem in Amerika vorkommt und dort die konventionellen Landwirte | |
ärgert. | |
Gibt es einen Zusammenhang zu Antibiotika-Resistenzen? | |
Es gibt wissenschaftliche Studien, die einen Zusammenhang nahelegen. | |
[5][Professorin Maria Finckh der Uni Kassel] berichtet über Mikroorganismen | |
mit Kreuzresistenzen gegenüber Glyphosat und Antibiotika wie Penicillin, | |
Ciprofloxacin und Kanamycin entwickelt haben. | |
Ist Glyphosat krebserregend? | |
Dazu gibt es keine eindeutige Antwort. Die zur Weltgesundheitsorganisation | |
gehörende International Agency for Research on Cancer (IARC) hat Glyphosat | |
im Jahr 2015 als „wahrscheinlich karzinogen für den Menschen“ eingestuft. | |
Die Wissenschaftler berufen sich auf vier Studien mit Tests an Mäusen und | |
Ratten, die Tumore entwickelt haben, [6][nachdem sie Glyphosat gefressen | |
hatten]. | |
Andere Institutionen, etwa das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), | |
widersprechen dieser Einschätzung. „Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft | |
bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung“ sei „kein Risiko für | |
Krebsentstehung oder Erbgutveränderungen durch Glyphosat für den Menschen | |
über die Nahrung zu erwarten“, heißt es in einer Stellungnahme des BfR. | |
Warum ist das Mittel in Europa überhaupt noch erlaubt? | |
Das ist einem Alleingang des ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministers | |
Christian Schmidt zu verdanken: Der CSU-Mann hatte auf EU-Ebene einer | |
Verlängerung der Zulassung des Mittels um fünf Jahre zugestimmt – obwohl | |
der Koalitionspartner SPD dagegen war. | |
Wie steht die Berliner Große Koalition heute zu Glyphosat? | |
Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, den Einsatz | |
von Glyphosat mit einer „systematischen Minderungsstrategie“ deutlich | |
einzuschränken – „mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich | |
grundsätzlich zu beenden“. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) hat | |
angekündigt, dass Hobbygärtner das Mittel nur noch mit einem | |
Sachkundenachweis benutzen dürfen sollen. Für Bauern werden Saumstrukturen, | |
also etwa Hecken, in die sich Tiere zurückziehen können, Pflicht. Es soll | |
aber [7][Ausnahmen für Landwirte geben]. Glyphosat solle künftig zudem | |
nicht mehr in öffentlichen Parks und Sportanlagen sowie in der Nähe von | |
Gewässern verwendet werden dürfen. Ebenso tabu sollen Ausnahmenregelungen | |
in Naturschutzgebieten werden. Klöckner kündigte einen Entwurf an. | |
Welche Regeln für Glyphosat gelten in Deutschland? | |
Das Gift dürfen Landwirte auf derselben Fläche nur zweimal im Jahr | |
anwenden. Dazwischen müssen drei Monate liegen. Insgesamt dürfen sie je | |
Hektar nicht mehr als 3,6 Kilo des Wirkstoffs versprühen. | |
War da nicht auch was mit Bier? | |
Im Mai hat die Stiftung Warentest [8][Glyphosat in alkoholfreien Bieren] | |
nachgewiesen – Ausnahme waren zwei Biobiere. Frühere Untersuchungen hatten | |
das Unkrautvernichtungsmittel auch schon in alkoholhaltigen Bieren | |
nachgewiesen. Der Deutsche Brauer-Bund verwies auf das BfR: Das staatliche | |
Institut habe die bisher in Lebensmitteln nachgewiesenen Spuren als | |
gesundheitlich unbedenklich eingestuft. | |
Welche Alternativen gibt es zum Glyphosat-Einsatz? | |
Landwirte könnten ihre Äcker auch pflügen, um das Unkraut loszuwerden. | |
5 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Pflanzenbau/Pflanzenschutz/_Texte/Dos… | |
[2] https://ojs.openagrar.de/index.php/JKA/article/view/1766 | |
[3] http://www.weedscience.org/Summary/MOA.aspx?MOAID=12 | |
[4] https://www.pioneer.com/home/site/us/agronomy/library/glyphosate-resistance… | |
[5] https://www.deutschlandfunk.de/glyphosat-es-gibt-beaengstigende-daten-ueber… | |
[6] /Archiv-Suche/!5456302&s=iarc/ | |
[7] /Archiv-Suche/!5496271&s=glyphosat&SuchRahmen=Print/ | |
[8] /Archiv-Suche/!5505486&s=glyphosat/ | |
## AUTOREN | |
Andrea Maestro | |
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