| # taz.de -- Debatte Klimaschutz und Mobilität: Weder Benzin noch Diesel | |
| > Zeit für ein Bekenntnis: Die Umweltbewegung muss den Kampf gegen den | |
| > Verbrennungsmotor genauso ernst betreiben wie den gegen den Diesel. | |
| Bild: Ein Ende der Verbrennungsmotoren müsste jetzt festgelegt werden | |
| Ja, der Dieselskandal ist wichtig und es ist gut, dass Manager verhaftet | |
| und deutsche Städte verurteilt werden, weil sie Gesetze brechen und die | |
| Gesundheit ihrer eigenen Bürgerinnen nicht schützen. Leider bedeutet dies | |
| allerdings nicht, dass wir in Sachen Klimaschutz und Verkehrswende im | |
| Moment weiterkommen. | |
| Im Gegenteil, der Dieselskandal lenkt im Grunde ab von den glänzenden | |
| Aussichten des Verbrennungsmotors im Pkw. Eine kraftvolle | |
| Anti-Verbrenner-Bewegung ist in Deutschland leider nicht in Sicht. | |
| Ich habe an dieser Stelle bereits vor mehr als einem Jahr für eine kräftige | |
| Lobby geworben in Sachen [1][Ende der Zulassung von Benziner und Diesel] in | |
| der Europäischen Union bis spätestens 2030. | |
| Die vorliegenden Szenarien von Umweltbundesamt und anderen sprechen dafür, | |
| dass wir die deutschen und europäischen Klimaschutzziele von Paris niemals | |
| erreichen können, wenn im Jahr 2030 noch massiv Verbrenner zugelassen | |
| werden und dann bis in die 40er und 50er Jahre auf der Straße sind. | |
| Deshalb ist es auch so absurd, wenn die Autoindustrie jetzt behauptet, der | |
| wirklich saubere Diesel (Ehrenwort!) habe seine Zukunft noch vor sich. | |
| Selbst wenn Stickoxid- und Feinstaub-Probleme gelöst wären, bleiben der | |
| fehlende Wirkungsgrad und die fossilen Brennstoffe wesentliche | |
| Ausschlusskriterien des Verbrennungsmotors. Daimler-Chef Dieter Zetsche | |
| sollte vor allem auch wegen der klimapolitisch katastrophalen Modellpolitik | |
| seinen Hut nehmen. | |
| ## Werbeversprechen und Realität | |
| Ein Beispiel: Auto-Bild hat dieser Tage die neue C-Klasse von Mercedes | |
| getestet. Mercedes gibt demnach den C-200-Benziner mit 6,0 bis 6,3 Litern | |
| auf 100 Kilometer an. Allerdings zeige nach 100 Kilometern Landstraße, | |
| Autobahn und Stadt der Bordcomputer ernüchternde 10,7 Liter an. Dieser Wert | |
| verbessere sich auf 8,9 Liter Durchschnittsverbrauch nach rund 150 | |
| Kilometern, sei aber dennoch zu hoch. | |
| Zu hoch? Der Verbrauch wäre wie gehabt Verbrauchertäuschung, nämlich 30 | |
| Prozent über der Angabe und eine klimapolitische Katastrophe. Mehr noch: | |
| Der ordnungspolitische Skandal ist, dass ein solcher Personenkraftwagen | |
| überhaupt noch zugelassen wird. | |
| 42 Prozent weniger CO2 im Verkehr bis 2030, so steht es im eigenen | |
| Klimaschutzplan der Bundesregierung und das ist laut Wissenschaftlern noch | |
| recht bescheiden mit Blick auf die Herausforderungen des Pariser | |
| Klimaabkommens. Leider wird die heute zugelassene C-Klasse locker bis 2035 | |
| mit fossilen Treibstoffen rumfahren, wie all die Verbrenner – 99 Prozent | |
| aller Fahrzeuge –, die dieses Jahr in Deutschland verkauft werden. | |
| Das deutet auf zwei Szenarien hin: Die deutschen | |
| Klimaschutz-Verpflichtungen im Verkehr werden 2030 nicht eingehalten, Paris | |
| scheitert in Deutschland bereits kläglich am Autoverkehr, wie heute bereits | |
| die 2020-Ziele. | |
| Oder Szenario 2: Werden die Paris-Ziele auch in ein Klimagesetz münden und | |
| erhalten weiteren rechtlichen Status, dann könnte eine Bundesregierung | |
| nach 2030 von Gerichten gezwungen werden, für Verbrennungsmotoren mit | |
| exorbitanten Verbräuchen Fahrverbote auszusprechen. | |
| ## Eingriff in das Eigentum | |
| Das allerdings wäre dann ein anderer Eingriff in das Eigentum als die | |
| heutige Sperrung einiger Straßen im Stadtzentrum für Diesel. Wer also heute | |
| keine Elektroquoten und niedrige CO2-Normen für Pkws einführt, gefährdet | |
| massiv die Investitionen von Verbrauchern. | |
| Wie es im Moment aussieht, wird es dank massiver Lobbyarbeit der deutschen | |
| Regierung in der Europäischen Union weder einen Zielkorridor für das | |
| Zulassungsende von Verbrennungsmotoren geben noch jährliche Quoten für die | |
| Zulassung von Elektroautos (wie in China) noch eine Gesetzgebung für | |
| CO2-Standards ab 2030, die auf die Pariser Klimaziele der EU zugeschnitten | |
| sind. | |
| Genau darauf wiesen viele Experten bei einer Anhörung des Europäischen | |
| Parlaments im letzten Jahr hin. Der Kommissionsvorschlag würde bei der | |
| EU-Flotte zu einer Reduktion der CO2-Emissionen von 30 Prozent zwischen | |
| 2020 und 2030 führen, wobei das Paris-Ziel eher eine Minderung um 60 | |
| Prozent erfordert. | |
| Die Denkfabrik Agora Verkehrswende hat für Deutschland errechnet, dass der | |
| Kommissionsvorschlag lediglich bescheidene Reduktionen bringen wird, die | |
| dann durch andere Maßnahmen im Verkehrsbereich kompensiert werden müssten, | |
| um das Verkehrs-Ziel im nationalen Klimaschutzplan zu erreichen. | |
| ## Malus-System für zu wenig E-Autos | |
| Jetzt hat zumindest der Umweltausschuss des Europaparlaments in seinem | |
| Bericht in erster Lesung eine Reduktion um 50 Prozent bis 2030 gefordert. | |
| Für Unternehmen, die zu wenig Elektroautos verkaufen, schlagen die | |
| Abgeordneten zudem ein Malus-System vor. Es ist aber eher unwahrscheinlich, | |
| dass diese Bausteine die weiteren Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten | |
| überleben. Im Moment ist es wohl illusorisch, dass sich die Bundesregierung | |
| den etwas anspruchsvolleren Zielen des Umweltausschusses anschließt. | |
| Was das heißt? Die deutsche Umweltbewegung sollte den Kampf gegen den | |
| Verbrennungsmotor endlich genauso ernsthaft als Priorität betreiben wie den | |
| Kampf gegen den Diesel. Doch dazu gehört ein echtes Bekenntnis zum | |
| radikalen Übergang in die Elektromobilität. | |
| Genau das ist das Problem. Damit tun sich selbst viele UmweltfreundInnen, | |
| taz-LeserInnen und die Funktionärinnen der Umweltbewegung schwer. Die einen | |
| finden Autos an sich blöd, also auch Elektroautos, und träumen vom Paradies | |
| des öffentlichen Personennahverkehrs. Die anderen denken an ihren Bulli: | |
| Benzin und Diesel – nein danke! Wäre hintendrauf doch ein merkwürdiger | |
| Aufkleber. | |
| 31 Jul 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Unfried | |
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