Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die moderne Frau und Künstlerin: Die Freiheit zwischen Kette und S…
> Frauen kamen in die „Frauenklasse“, auch am Bauhaus. Von den Hürden der
> Emanzipation erzählt die famose Retro über Anni Albers in Düsseldorf.
Bild: Ausschnitt aus dem Bild „Knot“ von Anni Albers von 1947
Das Bauhaus-Jubiläum 2019 wirft als mehrheitsfähiges Großereignis der
Kunstwelt schon seit geraumer Zeit seine Schatten voraus. Walter Gropius’
im Gründungsmanifest von 1919 formulierte Reformidee, die Trennung von
Handwerk und Kunst aufzuheben, war in der Tat folgenreich. Denn die
Bauhaus-Ästhetik wirkt mit beispiellosem, womöglich allzu unkritisch
gefeiertem Erfolg bis in die Gegenwart fort.
Allerdings ging es am Bauhaus nicht nur um puristische Ästhetik, sondern um
nichts Geringeres als die gesellschaftsverändernde Kraft der Avantgarde,
die unter anderem die Gleichberechtigung der Geschlechter propagierte.
Theoretisch. Praktisch sah das ganz anders aus, wie der Lebensweg der
Weberin Anni Albers zeigt, deren Werk nun in der seit zwanzig Jahren ersten
umfassenden Retrospektive im Düsseldorfer K20 mit einer famosen, aufwändig
präsentierten Schau gewürdigt wird.
1899 wurde Anni Albers als Anneliese Elsa Frieda Fleischmann in Berlin
geboren. Nach Malereistudien ging sie 1922 ans Bauhaus in Weimar, angezogen
von der Verheißung der großen Reformidee. Dort lernte sie ihren späteren
Ehemann Josef Albers kennen, den sie 1925 heiratete. Doch nach dem Vorkurs
wurde ihr am ach so fortschrittlichen Bauhaus der gewünschte Eintritt in
die Glaswerkstatt verwehrt, denn als Frau stand ihr nur die Weberei, die
„Frauenklasse“, offen: „Weben hielt ich für zu weibisch. Ich war auf der
Suche nach einem richtigen Beruf. Und so fing ich ohne Begeisterung mit dem
Weben an, da ich mit dieser Wahl nun einmal am wenigsten Anstoß erregte“,
sagte sie später.
Nahezu ihr ganzes künstlerisches Schaffen hindurch ist Anni Albers bei der
Weberei geblieben und die enge Begrenzung durch die strenge Grundstruktur
von vertikaler Kette und horizontalem Schuss wurde ihr zum zäh errungenem
Königsweg – selbstverständlich pendelnd zwischen Mustern für die
industrielle Produktion und freien künstlerischen Arbeiten.
## Ein hinreißendes Leuchten
In der Düsseldorfer Schau muss man sich erst einmal an das gedämpfte, sanft
goldene Licht gewöhnen, das die in weiträumigen Nischen thematisch und
chronologisch angeordneten Objekte umschmeichelt. Überwiegend gedämpft sind
auch die Farben von Anni Albers’ textiler Kunst, die erst auf den zweiten
Blick ihre Fülle und methodische Stringenz offenbart.
Selbst in den gewebten Arbeiten, die sie Bilder nennt, sind höchstens
Ahnungen von Gegenständlichkeit auszumachen, etwa bei „La Luz I“ von 1947,
wo sie in ein stumpfes Leinengewebe Metallfäden einarbeitet, die eine
Kreuzform suggerieren und dem Bild ein hinreißendes Leuchten, ja eine
eigentümliche Form von Transzendenz verleihen. Überhaupt spielen
Experimente mit dem Material, mit Lurex-, Kupfer- oder simplen
Zellophanfäden eine immer größere Rolle in der Entwicklung ihres
Schaffens.
Nach ersten Arbeiten am Bauhaus wie „Schwarz Weiß Gelb“ mit klaren,
geometrischen Schachbrett-Formationen in matten Farben, die Josef Albers’
Glasarbeiten verwandt scheinen, markiert eine Arbeit von 1929 einen ihrer
ersten großen Erfolge. Für die Wandbespannung der Bundesschule des
Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds in Bernau erhält sie als erste
Frau ein Diplom des Bauhauses. Albers verwendet auf der Vorderseite
schwarze und weiße Fäden, verwoben mit Zellophan, um das künstliche Licht
zu reflektieren, auf der Rückseite Chenille zur Schalldämpfung.
## Mit Webstuhl ans Black Mountain College
Als sie 1933 mit Josef Albers emigrieren muss, fungiert dieser Wandbehang
laut MoMA-Kurator Philip Johnson als ihr „Pass für Amerika“. Johnson holt
das Künstlerpaar nach North Carolina an das legendäre Black Mountain
College, einer amerikanischen Fortschreibung des Bauhaus-Gedankens.
Ihren Webstuhl nimmt Anni Albers mit nach Amerika, denn die alte
Kulturtechnik ist ihr da längst zur zweiten Natur geworden. Später verfasst
sie umfangreiche Schriften, 1959 erscheint „On Designing“, 1965 „On
Weaving“, und arbeitet weiter an der Verschmelzung von Kunst, Architektur,
Alltagsdesign und Theorie, die sie stets gleichberechtigt betreibt.
## Mexikanische Inspiration
In Amerika heißen ihre Auftraggeber nun Rockefeller, für die sie ein
Gästehaus mit raffiniertem Understatement ausstattet. Neue ästhetische
Inspirationen findet sie auf Reisen mit ihrem Mann nach Mexiko, entdeckt
für sich die präkolumbianische Kunst und arbeitet sich in die alten
Webtechniken ein. Zusätzliche Schussfäden ermöglichen es nun, Ebenen
übereinanderzulegen.
Später experimentiert sie mit Knoten, Schlaufen, mit Schrift-Strukturen und
nimmt immer wieder Auftragsarbeiten an für Raumteiler, Teppiche, sogar
einen Duschvorhang. Als die Kräfte für die anstrengende Arbeit am Webstuhl
nachlassen, verlegt sie sich spät auf die Arbeit mit Papier, deren
druckgrafische Früchte in einer der Kojen dokumentiert sind. Der
kompositorischen Strenge und stillen Konzentration ihrer Webarbeiten bleibt
sie jedoch auch auf dem Papier treu.
23 Jul 2018
## AUTOREN
Regine Müller
## TAGS
Bauhaus
Moderne
Weimarer Republik
Emigration
Emanzipation
Ausstellung
Architektur
Bauhaus
Bauhaus
zeitgenössische Kunst
Kunst
Kunst
## ARTIKEL ZUM THEMA
Politische Druckgrafik aus Mexiko im Met: Posterkampf für José Stalin
Das Metropolitan Museum zeigt seine Sammlung mit propagandistischer
Druckgrafik aus Mexiko. Wie landete solch antifaschistische Kunst in New
York?
Über Biografien von Architekten: Schwuler Brutalismus
Architekten mussten einst ihre Homosexualität verbergen, um bauen zu
können. Verstrickungen von Rollenbildern und Architektur zeigt ein Buch.
Mosaik-Comics im Bauhausdenkmal Bernau: Lernen und lesen unter Kiefern
In der ehemaligen Bundesschule, einem Bauhaus-Denkmal in Bernau, ist
Aktionstag. Es gibt Workshops und ein eigens erstelltes Mosaik-Heft.
Kunstfest Weimar: Tanzen Sie die Farbe Blau
Zwischen Gauforum und Bauhaus: Das Kunstfest Weimar horcht in die Stadt
hinein und erzählt von wechselnden Lesarten der Vergangenheit.
Kuratorin über Louise Bourgeois: „Anziehend und unheimlich zugleich“
Als eine Pionierin der Installationskunst passt Louise Bourgeois gut in den
Schinkel Pavillon, meint die künstlerische Leiterin Nina Pohl.
Revision einer Sammlung: Versuch einer Öffnung
Die Nationalgalerie sortiert im Hamburger Bahnhof in Berlin ihre Sammlung
neu. Es geht um die Korrektur der eurozentrischen Perspektive.
Mailänder Museo delle Culture eröffnet: Wir sind nicht allein
Die Ausstellung „A Beautiful Confluence“ zeigt das Werk der
Bauhaus-Künstler Anni und Josef Albers im Kontext ihrer Reisen durch
Lateinamerika.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.