# taz.de -- Hitze in Berlin: Gießen, was die Kanne hält | |
> Hitze und Trockenheit machen nicht nur den Straßenbäumen zu schaffen, | |
> sondern auch den Parks. Die Bezirke versuchen mit wenig Personal und Geld | |
> zu retten, was zu retten ist. | |
Bild: Selbst vor dem Reichstag ist der Rasen ausgetrockinet | |
Weite Teile des Volksparks Friedrichshain gleichen einer Wüste. Wo man | |
hinsieht, ist das Gras gelb gefärbt. Einige Rhododendronbüsche sehen aus, | |
als seien sie bereits abgestorben. Baumkronen sind licht, viele Äste kahl. | |
Platanen haben die Borke in großen Stücken abgeworfen wie eine zerfetzte | |
Jacke. Es sieht nicht gesund aus. Das sind die sichtbaren Folgen der | |
Trockenheit. Auffällig sind aber auch zahlreiche Brandlöcher von | |
ausgekippten Grillkohlen oder gar von Feuerstellen. | |
Samstagvormittag. Aus einer Box wummert laute Musik. Schon von Weitem | |
fallen die großen, luftgefüllten Bälle auf, aus denen unten menschliche | |
Beine rausschauen. Offenbar ein Mannschaftsspiel: Man rennt gegeneinander, | |
rammt sich, fällt um, rollt über die inzwischen staubtrockene Wiese. | |
„Bubble Soccer“ nennt sich diese „Funsport“-Art. Um die abgesteckten | |
Spielfelder sitzen Bier trinkende Männer in Liegestühlen. Solche und | |
ähnliche Spaß-Events sind online buchbar mit wenigen Klicks. | |
## Grün komplett übernutzt | |
Nicht nur am Wochenende ist der Volkspark Friedrichshain voller Menschen: | |
Touristen nutzen diese Möglichkeit genauso wie Obdachlose. Jogger und | |
Skater drehen ihre Runden, Familien veranstalten Kindergeburtstage. Bis in | |
die frühen Morgenstunden feiern vor allem junge Leute. Es wird gepicknickt | |
und gegrillt, soweit das Auge reicht. Dieses Bild unterscheidet sich kaum | |
von vielen anderen Berliner Parkanlagen. | |
„Die Grünfläche ist komplett übernutzt“, sagt Sara Lühmann, Sprecherin … | |
Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, über den beliebten Volkspark. „An | |
dieser Stelle merken wir, dass wir ein wachsender Bezirk sind.“ Dazu kämen | |
steigende Touristenzahlen. Es sei zwar schön, dass die Grünflächen so gut | |
angenommen würden, „aber es ist tatsächlich ein Zuviel“. | |
Eine der drei erlaubten Grillplätze des Bezirks ist hier auf dem kleinen | |
Bunkerberg, einem überschaubaren Areal. Überall sonst im Park ist Grillen | |
verboten. Allerdings sei eine regelmäßige Überprüfung des Verbots „nicht | |
realistisch“, gibt Lühmann zu. Verstöße gegen das Grünflächengesetz zu | |
ahnden sei schwierig, weil der Ordnungsdienst im Bezirk „eine Fülle von | |
Vorschriften überwachen“ müsse. Das Ordnungsamt könne nicht überall | |
gleichzeitig sein, verteidigt sie die 28 MitarbeiterInnen, die sich drei | |
Schichten bis 24 Uhr in Zweierteams teilten. „Sie haben auch mal Urlaub | |
oder sind krank.“ | |
Die Lebensqualität in Berlin hängt wesentlich von den etwa 2.500 | |
öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen mit ihren mehr als 5.400 Hektar | |
Fläche ab. Dazu kommen rund 430.000 Straßenbäume. Auf ihrer Webseite wirbt | |
die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz für Berlin als | |
grüne Stadt, die „nicht zuletzt wegen seines vielfältigen Stadtgrüns | |
nationales und internationales Ansehen“ genieße. Weiter heißt es, dass | |
„Schutz, Pflege, Unterhaltung und Entwicklung des Stadtgrüns“ ein | |
gemeinsame Aufgabe der Grünflächenämter sowie der Senatsverwaltung sei. | |
Doch das ist besonders in Zeiten der extremen Trockenheit keine einfache | |
Aufgabe. Denn es fehlt an Mitteln und Mitarbeitern für die Pflege des | |
Stadtgrüns. | |
## Bäume vergessen nichts | |
Der Haushaltsausschuss des Abgeordnetenhauses hat den Bezirken für 2018 und | |
2019 mehr als 8 Millionen Euro für Baumpflege, -schutz und Neupflanzungen | |
zur Verfügung gestellt. Mehr Geld als jemals zuvor. „Den Bezirken sind bei | |
den Stürmen letztes Jahr etliche Bäume umgeknickt und abhandengekommen. | |
Viele gesunde Bäume sind verloren gegangen, die so schnell wie möglich | |
ersetzt werden sollen“, erklärt Derk Ehlert, Pressereferent der | |
Umweltverwaltung. Ein Großteil des Geldes sei deshalb für Nachpflanzungen | |
vorgesehen. | |
Ein anderer Teil fließe in die Stadtbaumkampagne. Kommen 500 Euro | |
Spendengelder von Bürgerinnen und Bürgern für eine Baumpflanzung zusammen, | |
legt die Stadt den Rest der Kosten obendrauf. Neupflanzungen beinhaltet | |
eine zwei- bis dreijährige Gewährleistungspflege. Das heißt, die jungen | |
Bäume müssen in der Anwuchsphase intensiv gewässert werden. Man komme mit | |
dem Gießen jedoch kaum hinterher. Hier seien die Schäden besonders schnell | |
sichtbar, so Ehlert. Und manchmal zeigten Bäume einen Schaden erst drei | |
Jahre später. „Bäume vergessen nichts.“ | |
Vor allem die Straßenbäume bekommen die derzeitige Hitze zu spüren. Das | |
Straßen- und Grünflächenamt Neukölln mobilisiert alle Kräfte, „um alles, | |
was irgendwie möglich ist, zu retten oder am Leben zu erhalten“, sagt der | |
Fachbereichsleiter Grün- und Freiflächen, Bernd Kanert. Während Kräuter und | |
Gräser in der Lage seien, wieder auszutreiben, „sobald Wasser vom Himmel | |
fällt“, vertrockneten Stauden, Rosen, Pflanz- und Gehölzflächen. Parkbäume | |
müssten in der Regel nicht gegossen werden, weil sie häufig das Grundwasser | |
erreichten. | |
Junge Bäume hätten oft Gießsäcke. Die grünen Säcke sind um den | |
Wurzelbereich gebunden und erlauben ein schnelles Befüllen, aber | |
ermöglichen langsames Versickern des Wassers. Das funktioniere bei alten | |
Bäumen nicht. Sie könnten nur über die relativ kleine Baumscheibe Wasser | |
aufnehmen. „Deswegen müssen wir auch die Altbäume gießen. Das ist wichtig�… | |
betont Kanert. Allein Neukölln habe mehr als 20.000 Straßenbäume. Man suche | |
sich Unterstützung beim Technischen Hilfswerk, sodass jene, „wenn sie Zeit | |
haben, auch mal mit dem Wasserwagen vorbeikommen“. | |
## Keine Feuerschalen | |
Die Nachbehandlungen der Schäden durch die großen Herbststürme „Xavier“ … | |
„Herbert“ 2017 würden in Neukölln noch mindestens bis Ende dieses Jahres | |
andauern. Und nur durch die Berliner Stadtbaumkampagne sei man überhaupt in | |
der Lage, den Status quo der Anzahl der Straßenbäume zu halten. Die | |
finanzielle Unterstützung decke mitnichten den täglichen Pflegebedarf. „Der | |
Pflegeaufwand ist seit Jahren defizitär“, sagt Kanert. | |
Und der Rasen in den Parks? Absperren, um zu verhindern, dass der Rasen bis | |
zur Grasnarbe abgescheuert werde, sei keine Lösung, meint Kanert. „Wie | |
sollte man das realisieren?“ Selbst die Parkwächter, die es vor 50 Jahren | |
gab, waren personell anderes ausgestattet. Die Regeneration muss heute | |
während des laufenden Betriebes funktionieren. Aber: An den Stellen, wo | |
Grillkohlen in Aluschalen ungeschützt auf dem Boden liegen oder ein | |
Lagerfeuer brennt, wächst kein Rasen mehr. | |
Immerhin gibt es in den Parks weniger Gefahr durch Feuer als in den | |
Wäldern. „Feuer breite sich auf reinen Grasflächen nicht so schnell aus“, | |
weil Flammen niedrig seien, erklärt Dominik Pretz, Sprecher der Berliner | |
Feuerwehr. Anders sei das bei Feuer in trockenem Gebüsch oder wenn Wind | |
hinzukäme. Pretz sagt, es könnten dann schnell mehrere 100 Quadratmeter | |
Wiese in Flammen stehen. Tatsächlich habe die Feuerwehr bei so einer | |
trockenen Witterung wie derzeit mehrere Einsätze in den Grünanlagen | |
täglich. Das könnten ein paar Quadratmeter Grasfläche oder „auch mal der | |
einfache Mülleimer“ sein, weil jemand Grillgut hineingeworfen hatte oder | |
eine nicht ausgedrückte Zigarette. | |
8 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Denck | |
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