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# taz.de -- Trockenheit schadet Stadtbäumen: Acht Eimer Wasser pro Woche
> Den Berliner Straßenbäumen geht es nach dem dritten heißen Frühling
> schlecht. Es könnten irreversible Schäden entstehen.
Bild: So grün bleibt das Grün nur mit reichlich Wasser
„Bäume sind unglaublich langsame Lebewesen“, sagt Christian Hönig. Sie
hätten Reserven und könnten ein schlechtes Jahr normalerweise gut
überdauern. Das gehöre zu ihrer Überlebensfunktion. Hönig ist Fachreferent
für Baumschutz beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND Berlin e. V.),
und inzwischen macht auch er sich Sorgen.
Bereits der dritte ungewöhnlich heiße und trockene Frühling in Folge macht
den Berliner Bäumen zu schaffen. Um Spätschäden zu vermeiden, hatte jüngst
sogar die Berliner Politik zu Solidarität mit den Straßenbäumen aufgerufen.
In einer gemeinsamen Presseerklärung riefen die Koalitionsfraktionen die
Berliner und Berlinerinnen schon vor zwei Wochen auf, ihre Stadtbäume zu
gießen, weil die anhaltende Trockenheit zu Spätschäden bis zum Absterben
der Bäume führen könne. Man wolle sich überdies dafür einsetzen, dass die
zuständigen Grünämter Gießwagen bekommen. Regen ziehe an Berlin viel zu oft
vorbei.
## Kurze Güsse nützen nicht
Und kurzfristige Regengüsse wie etwa starke Gewitter bringen den Bäumen
wenig: Sie laufen wegen der großflächigen und immer weiter zunehmenden
Versiegelung der Böden schnell in die Kanalisation ab. Die mittlerweile
erträglichen Temperaturen ändern nichts daran, dass es für diese Jahreszeit
einfach zu trocken ist.
Baumexperte Hönig ist einer, der den Zustand der Bäume an ihrer
„Körpersprache“ ablesen kann. Lichte Kronen, einzelne Zweige oder Äste oh…
Blätter, hängende Baumspitzen, kleinere und hellere Blätter seien typische
Zeichen von Trockenstress. Da Bäume bei großer Hitze wesentlich mehr Wasser
verdunsten, reduzierten sie ihre Blattmasse.
Es sei sogar möglich, dass ein Baum alle Blätter abwirft. Dennoch sei das
noch kein Grund, den Baum sofort zu fällen: „Er hat nur das eine Jahr zu
den Akten gelegt.“ Man solle den Bäumen Zeit geben und abwarten, ob sie im
nächsten Jahr wieder Laub bekommen.
Grundsätzlich versuche jeder Baum, das ihm zur Verfügung stehende Erdreich
mit Wurzeln auszufüllen. Zugleich wird die Erde von den Wurzeln
zusammengehalten und dient dem Baum als Wasserspeicher. Entgegen der
allgemeinen Ansicht haben Straßenbäume nämlich häufig keinen
Grundwasserzugang. Hönig empfiehlt daher, Bäume vor der Haustüre oder im
Innenhof einmal die Woche ordentlich, mit acht bis zehn Eimern zu wässern.
Nur so werde die Erde in den tieferen Schichten feucht.
## Schäden entstehen langsam
„Seit 2013 gebe ich einmal im Jahr Gießalarm“, sagt Hönig. „Jetzt sind …
an einem Punkt, wo abwarten nicht mehr so wirklich Sache ist.“ Denn erst
wenn Bäume über Jahre unter Wassermangel leiden, würden irreversible
Schäden entstehen.
Sie könnten nicht genug Reservestoffe anlegen und sich nicht mehr gut gegen
Schädlinge wehren. Das sei einer der Gründe, weshalb der Befall durch die
Miniermotte wieder so stark zugenommen habe. Ein anderer sei, dass so ein
heißes und trockenes Wetter optimale Bedingungen für sie darstelle.
Tatsächlich ist aus dem Waldzustandsbericht 2017 des Landes Berlin zu
entnehmen, dass schon 2015 ein Trockenjahr war. Dafür regnete es im Februar
2016 mehr als normal, wodurch die darauf folgende, wiederum sehr trockene
Zeit von März bis Mai von den Bäumen gut überstanden wurde.
Aber Berlin war auch im Frühjahr 2017 das wärmste und trockenste
Bundesland. Dem schloss sich dafür der nasseste Sommer seit Beginn der
Messungen an. Was für die Menschen eher ein Ärgernis war, war für die Bäume
ein Segen: Sie konnten sich erholen und wieder Reservestoffe einlagern.
Für den Grünen-Abgeordneten und Fraktionssprecher für Natur- und
Verbraucherschutz Turgut Altuğ sind die extremen Wetterverhältnisse Zeichen
des Klimawandels. Dazu zählt er ebenfalls den Sturm „Xavier“ im Oktober
letzten Jahres, der die Stadt etwa 56.000 Bäume gekostet habe. „Es müssen
Strategien entwickelt werden, um künftig schneller reagieren zu können.“
Für die Bäume sei es ohnehin schwer in der Stadt. Straßenbäume müssten
besser gepflegt, und es müsste mehr angepflanzt werden. „Wir haben das
erste Mal viel Geld in die Hand genommen“, so Altuğ. Rund 8 Millionen Euro
sollen den Bezirken nun für die Jahre 2018 und 2019 explizit für
Baumpflege, -schutz und Neupflanzungen bereitgestellt werden, beschloss der
Haushaltsausschuss des Abgeordnetenhauses.
„Das ist auch dringend nötig“, bekräftigt Hönig. Denn es sei Aufgabe des
Landes, den Baumbestand im öffentlichen Straßenland am Leben zu erhalten.
Müssten alle Straßenbäume neu gepflanzt werden, würde das gigantische
Summen verschlingen.
Könnten da nicht auch die angekündigten Gießwagen eine Lösung sein?
„Gießwagen sind zumindest hilfreich“, sagt der Baumexperte. Sie könnten
außerdem einen weiteren wichtigen Zweck für den Schutz der Straßenbäume
erfüllen, denn „was viele nicht wissen: Der größte Baumkiller ist nach wie
vor das Streusalz.“ Das Pflanzenschutzamt habe gerade eine Versuchsreihe
abgeschlossen. Die beste Möglichkeit, Streusalzbelastung zu minimieren, sei
eine Kaliumdüngung, verbunden mit einem massiven Ausspülen des Bodens.
Allerdings müsse man dafür den exakt richtigen Zeitpunkt im Frühjahr
nutzen, nämlich dann, wenn die Bäume am meisten Wasser ziehen: „Bloß nicht
blind gießen, sondern effektiv“, so Hönig. Und hier zeige sich das nächste
Problem: Die Bezirke bräuchten neben mehr Geld vor allem mehr Personal.
„Denn irgendjemand muss die Gießwagen ja bedienen.“
Um einstweilen den Durst der Bäume zu stillen, könne man vorläufig nur an
Hausbesitzer und Ladengeschäfte appellieren, dass sie Wasseranschlüsse zur
Verfügung stellen. Christian Hönig bittet die Berliner*innen, notfalls eben
Eimer zu schleppen. Wenn es nicht anders geht – so wie bei ihm –, auch aus
dem dritten Stock.
20 Jun 2018
## AUTOREN
Brigitte Denck
## TAGS
Regen
Bäume
Natur
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Wetter
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Hitzewelle
Schwerpunkt Klimawandel
Bäume
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