# taz.de -- Frauenrat fordert „Weg mit 219a“: Zweiter Verband für Informat… | |
> Die größte Frauen-Lobbygruppe Deutschlands fordert die Abschaffung des | |
> Abtreibungsparagrafen 219a. In ihr sind auch konservative Gruppen | |
> organisiert. | |
Bild: Auch vor dem Deutschen Ärztetag im Mai forderten Protestierende die Absc… | |
Das Ziel einer engagierten Lobby-Organisation ist es, im Sinne ihrer | |
eigenen politischen Interessen Druck zu machen, zum Beispiel auf | |
Abgeordnete. Genau das tat der Deutsche Frauenrat (DF) am Sonntag – und | |
forderte auf seiner Mitgliederversammlung in Berlin [1][die Abschaffung des | |
Paragrafen 219a Strafgesetzbuch]. | |
Der Paragraf verbietet „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche – darunter | |
fällt allerdings schon, wenn Ärzt*innen [2][auf ihren Webseiten sachlich | |
darüber informieren], dass sie diese durchführen. Die Forderung des | |
Frauenrats ist zeitlich wohlüberlegt: Am kommenden Mittwoch befasst sich | |
der Rechtsausschuss im Bundestag mit dem Gesetz. | |
„Frauen haben ein Recht auf umfassende Information, gerade wenn es um die | |
schwierige Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch geht“, | |
sagte die DF-Vorsitzende Mona Küppers der taz. Dazu gehörten auch seriöse | |
medizinische Informationen. „Der Paragraf 219a steht diesem Recht aus Sicht | |
des Deutschen Frauenrats entgegen. Heute haben wir unsere Beschlusslage in | |
Sachen sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte ein ganzes Stück | |
modernisiert.“ | |
Der Deutsche Frauenrat ist nicht der erste Verband, der diese Forderung | |
aufstellt – erst Ende April hatte sich ein [3][breites Bündnis aus 26 | |
Verbänden] mit einem offenen Brief an die Bundesregierung und die | |
Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD gewandt, darunter die | |
Arbeiterwohlfahrt, der Humanistische Verband und der Deutsche | |
Juristinnenbund. | |
Doch diesmal kommt die Forderung aus einer Ecke, die nicht unbedingt zu | |
erwarten gewesen wäre: Als Dachverband vereint der Frauenrat [4][insgesamt | |
60 Verbände], darunter auch konservative Frauenorganisationen – wie etwa | |
die Frauen-Union, also dem Netzwerk der Frauen in der CDU, oder die | |
Arbeitsgemeinschaft katholischer Frauenverbände und -gruppen. Die | |
Frauen-Union hatte sich in einer Pressemitteilung im Februar explizit | |
[5][für die Beibehaltung des Paragrafen 219a] ausgesprochen. | |
## Hilft hoffentlich auf die Spünge | |
Im Frauenrat waren die Konservativen damit aber offensichtlich in der | |
Minderheit. Der Antrag, die Abschaffung von Paragraf 219a zu fordern, war | |
gleich von mehreren Seiten eingebracht worden und wurde mit großer Mehrheit | |
beschlossen. | |
„Der DF fordert die Abschaffung des Paragrafen 219a StGB und setzt sich ein | |
für einen uneingeschränkten Zugang zu sachlichen Informationen über legale | |
Schwangerschaftsabbrüche und das Recht auf Selbstbestimmung und freie Arzt- | |
oder Ärztinnenwahl von Frauen“, heißt es in der dazugehörigen | |
Pressemitteilung. | |
„Somit kann der DF als Dachverband aller Frauenverbände Position beziehen“, | |
[6][twitterte Katja Grosch,] Vorsitzende der Liberalen Frauen, die eine der | |
Antragstellerinnen war. Sie sei „sehr froh“ über die Entscheidung, sagte | |
Grosch der taz. Diese werde der Abschaffung des Paragrafen „hoffentlich | |
auch die Sprünge helfen“. | |
„Es freut mich sehr, dass der Frauenrat – trotz konservativer | |
Mitgliedsverbände – nun die Streichung fordert“, sagte Cornelia Möhring, | |
frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, der taz. „Es verstärkt | |
meinen Wunsch, dass nur Frauen über die Selbstbestimmung von Frauen | |
abstimmen dürften – dann wären Schwangerschaftsabbrüche schon raus aus dem | |
Strafgesetzbuch.“ | |
## Nicht zu ignorieren | |
Ihre Fraktion will nach der Sommerpause einen Antrag einbringen, [7][um | |
Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren] – denn diese sind in | |
Deutschland noch immer eine Straftat, wenn auch unter bestimmten | |
Bedingungen in der Regel straffrei. | |
Die Forderung der „größten Interessensvertretung für Frauen in Deutschland… | |
zeige deutlich, „wie breit und entschieden der Wille vertreten wird, | |
Einschränkung der Selbstbestimmung von Frauen nicht weiter hinzunehmen“ | |
sagte auch Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der grünen | |
Bundestagsfraktion, der taz. | |
Diesen Beschluss könne die Bundesregierung nicht einfach ignorieren. „Eine | |
Lösung für uneingeschränkte Informationen über Schwangerschaftsabbrüche | |
aber auch Rechtssicherheit für Ärzt*innen kann ohne das Strafgesetzbuch | |
auskommen“, sagte Schauws. Dazu müsse man eines tun: „Frauen vertrauen.“ | |
Am Mittwochabend wird sich der Rechtsausschuss des Bundestages in einer | |
[8][öffentlichen Anhörung mit Paragraf 219a beschäftigen] – als | |
Sachverständige sind Jurist*innen, Ärzt*innen sowie Vertreter*innen von | |
Beratungsstellen und der katholischen Kirche angekündigt. | |
## Politikum seit Hänel | |
Hintergrund der Debatte ist das Urteil gegen die Gießener Ärztin Kristina | |
Hänel, die im November 2017 zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt | |
worden war, weil sie im Netz öffentlich darüber informiert, dass ungewollt | |
Schwangere in ihrer Praxis einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen | |
können. | |
Angezeigt hatten sie selbsternannte „Lebensschützer“, also entschiedene | |
Abtreibungsgegner, die den Paragrafen systematisch nutzen und immer wieder | |
Ärzt*innen anzeigen. Hänel hat Rechtsmittel eingelegt. | |
Seit dem Urteil diskutiert die Politik über Paragraf 219a: Grüne und Linke | |
haben Gesetzentwürfe zur seiner Streichung eingebracht, die FDP will ihn | |
modifizieren und die Information entkriminalisieren. Die SPD will den | |
Paragrafen eigentlich ebenfalls abschaffen, hat aber aus Rücksicht auf den | |
Koalitionspartner Union – der unbedingt an der aktuellen Gesetzeslage | |
festhalten will – den [9][eigenen Antrag auf Eis gelegt]. | |
Bis Herbst soll es eine gemeinsame Lösung geben – ansonsten müsse man sich | |
doch an die „reformwilligen“ Fraktionen wenden, ließen die | |
Sozialdemokrat*innen im April wissen. | |
24 Jun 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.frauenrat.de/%C2%A7219a-abschaffen-fuer-selbstbestimmung-und-fr… | |
[2] /Werbung-fuer-Abtreibungen/!5444891 | |
[3] /Abtreibungsstreit-um-Paragraf-219a/!5500896 | |
[4] https://www.frauenrat.de/lobby/mitglieder/ | |
[5] https://www.frauenunion.de/-aktuelle/2640-2018-02-21-14-15-22.html | |
[6] https://twitter.com/katja_grosch/status/1010844804467642368 | |
[7] /Frauenpolitische-Sprecherinnen-fordern/!5513523 | |
[8] https://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2018/pm-180622-oea-a-rec… | |
[9] /Neue-Drehung-beim-Paragraf-219a/!5491494 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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