# taz.de -- Interview mit Grünen-Politiker Giegold: „Den Euro gibt es nur mi… | |
> Merkel und Macron schlagen einen Währungsfonds für Euro-Krisenstaaten | |
> vor. Dem Grünen Sven Giegold geht das nicht weit genug. | |
Bild: Merkel und Macron fordern einen gemeinsamen Haushalt für die Eurozone | |
taz: Herr Giegold, Merkel und Macron schlagen einen Währungsfonds für | |
Euro-Krisenstaaten vor. Stabilisiert das die Eurozone? | |
Sven Giegold: Nein. Wenn einzelne Staaten von einer starken Krise betroffen | |
sind, dann bleibt ihnen auch künftig nichts anderes übrig, als Löhne und | |
Sozialleistungen zu kürzen. Das betroffene Land bekommt Kredite nur für | |
solche Reformen, die schon Griechenland, Portugal oder Spanien so tiefe | |
zusätzliche Arbeitslosigkeit und Armut beschert haben. Das ist kein Ersatz | |
zu dem, was die nationale Ebene stabilisiert, etwa eine gemeinsame | |
Arbeitslosenversicherung. | |
Merkel und Macron wollen einen [1][gemeinsamen Haushalt für die Eurozone]. | |
Löst das das Problem? | |
Der Ansatz ist richtig, für einen stabilen Euro reicht es nicht. Macron | |
hatte einen Haushalt in Höhe von drei bis fünf Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts vorgeschlagen. Damit könnte man in Krisensituationen | |
wirkungsvoll stabilisieren. Vor allem die Idee der Finanzierung war gut, | |
nämlich die Unternehmensbesteuerung als Grundlage zu nehmen. Immer dann, | |
wenn die Konjunktur in einem Land gut läuft, zahlen die Unternehmen mehr, | |
läuft sie schlecht, zahlen sie weniger. Die Initiative, das Steuerdumping | |
bei Großunternehmen durch eine gemeinsame Unternehmensteuer zu bekämpfen, | |
ist richtig. Den Euro stabilisiert es jedoch kaum, wenn das eingenommene | |
Geld nicht gemeinsam ausgegeben wird. | |
Ist das nicht der Einstieg in die in Deutschland gefürchtete Transferunion? | |
Das ist doch ein Kampfbegriff. Wer eine gemeinsame Währung und einen | |
Binnenmarkt will, der braucht eine gemeinsame Wirtschafts- und | |
Steuerpolitik. Das beinhaltet auch Transfers. Es ist befremdlich, dass CDU, | |
CSU und FDP, die den Binnenmarkt mal geschaffen haben, jetzt an den | |
Voraussetzungen dafür kratzen. Binnenmarkt und Euro gibt es nur mit | |
Solidarität und Zusammenhalt. | |
Das Euro-Budget soll für Wettbewerbsfähigkeit, Konvergenz und | |
Stabilisierung in der Eurozone eingesetzt werden. Recht so? | |
Es wäre besser, sich auf die solidarische Finanzierung von | |
Gemeinschaftsgütern zu konzentrieren: Erasmus für alle, nicht nur für | |
wenige Glückliche. Wir könnten in das europäische Eisenbahn- oder | |
Digitalnetz investieren. Die Bürger müssen europaweit stabil über Grenzen | |
hinweg telefonieren und surfen können. Oder wir finanzieren Start-ups, auch | |
in Regionen, in denen die Banken nicht gut funktionieren. In einer Zeit, in | |
der Populisten das europäische Einigungswerk fundamental angreifen, sind | |
Ziele wichtig, die das europäische Gemeinschaftsgefühl stärken. | |
Wer soll über die Ausgaben entscheiden? | |
Der Vorschlag aus Meseberg ist richtig, dass die Entscheidungen innerhalb | |
des europäischen Haushalts liegen sollen. Das fordern wir Grünen schon | |
lange. Daraus folgt, dass die Länder, die diesen Teil des Haushalts | |
speisen, also Eurozone und hoffentlich weitere Staaten plus das Europäische | |
Parlament, entscheiden. Die Mitgliedstaaten werden von den nationalen | |
Parlamenten kontrolliert. | |
Entsteht so nicht ein Europa der zwei Geschwindigkeiten? | |
Das Europa der zwei Geschwindigkeiten ist doch schon längst da. In vielen | |
Bereichen schließen sich einige Länder zusammen, andere bleiben draußen, | |
etwa beim Grenzregime Schengen. Wichtig ist, dass die Türen immer offen | |
bleiben. Die Idee von einem Kerneuropa, das die Integration einiger | |
vorantreibt und die anderen außen vor lässt, lehnen wir ab. Wir dürfen uns | |
aber auch nicht von europaskeptischen Staaten bremsen lassen. | |
Was erwarten Sie vom [2][Sondergipfel zur Migrationspolitik] am Wochenende? | |
Auf dem Gipfel wird Einigkeit darüber bestehen, dass die EU ihre | |
Verantwortung gegenüber Asylsuchenden und Flüchtlingen auf Drittstaaten | |
abschiebt. Diskussionen gibt es nur darüber, ob inhumane Flüchtlingspolitik | |
national oder europäisch organisiert wird. Im internationalen | |
Flüchtlingsrecht gilt aber das Prinzip der Nichtzurückweisung. Natürlich | |
haben wir das Recht, Migration zu ordnen, aber wir haben nicht das Recht, | |
Kriegsflüchtlinge und Asylsuchende zurückzuweisen. Diese ganze Debatte ist | |
auf eine Weise verroht, die ich erschreckend finde. | |
20 Jun 2018 | |
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[1] /Wofuer-das-Eurozonen-Budget-gut-ist/!5514833 | |
[2] /Sondergipfel-zur-EU-Migrationspolitik/!5512123 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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