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# taz.de -- Hausdurchsuchungen in Göttingen: Linke im Visier, Rechte nicht
> Beamte haben nach einem Angriff auf einen AfD-Mann zwei Wohnungen in
> Göttingen durchsucht. Nach einem Neonazi-Angriff auf Journalisten geschah
> dagegen nichts.
Bild: Unter Verdacht: Polizisten besuchen linke Aktivisten in Göttingen
GÖTTINGEN taz | Rund zwei Monate ist es her, dass zwei Neonazis im
thüringischen Hohengandern nahe der Landesgrenze zu Niedersachsen zwei
Journalisten aus Göttingen angriffen, mit einem Baseballschläger und einem
Messer erheblich verletzten, ihre Kamerausrüstung raubten und ihr Fahrzeug
demolierten.
Obwohl die attackierten Reporter den Ermittlern Fotos der Rechtsextremisten
zur Verfügung stellten, gab es bislang keine Festnahmen. Es gebe bislang
auch keine dringend Tatverdächtigen, erklärte kürzlich die zuständige
Staatsanwaltschaft. Schließlich könne nicht ausgeschlossen werden, dass die
Bilder manipuliert worden seien.
Rund drei Monate ist es her, dass der in Göttingen lebende niedersächsische
Landeschef der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative, Lars Steinke, und
ein ihn begleitender Mann aus Gifhorn laut Polizei nachts in Göttingen von
mehreren vermummten und dunkel gekleideten Personen angegriffen wurden.
Die beiden seien bei der Attacke leicht verletzt worden, zwei mit ihnen
unterwegs gewesene Frauen unbehelligt geblieben, berichteten damals die
Beamten unter Berufung auf Aussagen Steinkes und seiner Begleiter.
Die Unbekannten hätten „Scheiß Nazis“ gerufen – der 25 Jahre alte Stude…
Steinke vertritt innerhalb der AfD Rechtsaußen-Positionen, er ist bei der
Landtagsfraktion in Hannover angestellt und hat offen mit der
rechtsextremen Identitären Bewegung und dem nicht weniger extremen
„Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“, die sich mittlerweile
„Volksbewegung Niedersachsen“ nennt, sympathisiert und für diese auch
Kundgebungen angemeldet.
Die niedersächsische AfD-Fraktionsvorsitzende Dana Guth verortete die
mutmaßlichen Täter sogleich im Spektrum der Autonomen. „Es fehlt der
politische Wille, bei der gewaltbereiten Linken durchzugreifen“, sagte sie.
Tatsächlich legen die Ermittler in der Causa Steinke deutlich mehr Eifer an
den Tag als im Fall der angegriffenen Journalisten.
Am Donnerstagmorgen, zwischen sechs und neun Uhr, durchsuchten nun
Polizeieinheiten aus Göttingen und Hannover auf Grundlage eines Beschlusses
des Göttinger Amtsgerichts zwei Wohnungen in Göttingen. Die Betroffenen,
ein 29 Jahre alter Germanistik-Student und eine gleichaltrige Frau, sollen
nach Angaben der Polizei an dem Zwischenfall mit Steinke beteiligt gewesen
sein.
Gegen die beiden werde wegen des Verdachts der gefährlichen
Körperverletzung beziehungsweise der Beihilfe dazu ermittelt, sagte eine
Polizeisprecherin. Nach ihren Angaben wurde bei der Razzia „umfangreiches
Beweismaterial“ beschlagnahmt, darunter auch Speichermedien.
## Protest gegen die Razzien
Nachbarn und mehrere Dutzend durch eine Telefonkette mobilisierte
Unterstützer protestierten mit Transparenten und Sprechchören vor den
durchsuchten Wohnungen gegen die Razzien. Sie blockierten für kurze Zeit
den Verkehr auf einer viel befahrenen Umgehungsstraße. Vor einem der
betroffenen Häuser kam es zu einer Rangelei zwischen Demonstranten und
Polizeibeamten.
Einem weiteren Durchsuchungsbeschluss eines Hamburger Amtsgerichts zufolge
wird dem männlichen Beschuldigten außerdem vorgeworfen, am 7. Juli 2017 im
Rahmen der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg eine schwere
Körperverletzung begangen zu haben. Am fraglichen Abend war es unter
anderem in der Susannenstraße im Schanzenviertel zu heftigen Zusammenstößen
zwischen Polizisten und Demonstranten gekommen, ein Beamter hatte dabei
einen Warnschuss aus seiner Dienstwaffe abgegeben.
Der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der den 29-jährigen Mann rechtlich
vertritt, kann über diese Vorwürfe lediglich den Kopf schütteln. Die
Ermittlungen der polizeilichen „Sonderkommission „Schwarzer Block“ aus
Hamburg nähmen „absurde Züge“ an.
## Beschwerde gegen Durchsuchungsbeschluss
„Der Beschuldigte befand sich zur Tatzeit (also dem 7. Juli vergangenen
Jahres) nachweisbar in Japan“, sagte Adam am Donnerstag. Angeblich sei er
aber von Polizeibeamten erkannt beziehungsweise auf Lichtbildern oder
Videos identifiziert worden: „Der Vorwurf ist absurd und wir sind gespannt,
wer sich für diese Falschbezichtigung verantwortlich zeichnet.“
Adam legte nun gegen den in Hamburg ausgestellten Durchsuchungsbeschluss
Beschwerde ein. Damit solle erreicht werden, dass sein Mandant seinen
Laptop schnell zurück erhält – auf dem Rechner soll die in Arbeit
befindliche Masterarbeit des angehenden Literaturwissenschaftlers
gespeichert sein.
Die Anschuldigung, der 29-jährige Student sei an der angeblichen Verletzung
Steinkes beteiligt gewesen, weist Anwalt Adam ebenfalls zurück: „Hier soll
eine Polizeibeamtin des 4. Fachkommissariats (Staatsschutz) der
Polizeiinspektion Göttingen meinen Mandanten auf einem Phantom-Bild erkannt
haben.“ Auch hiermit habe sein Mandant „nichts zu tun“, sagt Adam. Dies
werde der weitere Verlauf dieses Verfahrens noch beweisen.
29 Jun 2018
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Hausdurchsuchung
Schwerpunkt G20 in Hamburg
G20-Gipfel
AfD Niedersachsen
Göttingen
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