Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wahl neuer Schöffen in Niedersachsen: AfD prangert unliebsame Pers…
> In Braunschweig veröffentlichte die AfD eine Liste mit Leuten, die aus
> ihrer Sicht nicht als Schöffen in Frage kämen.
Bild: Was würde Justitia sagen? In Braunschweig versucht die AfD, politische G…
HAMBURG taz | In Niedersachsen und Bremen werden derzeit rund 4.000
Schöff*innen gesucht. Ausgewählt werden sie in den Kommunen und die AfD in
Braunschweig sorgt sich ganz offenbar um die Besetzung dieses Amtes. Bei
der letzten Ratssitzung in Braunschweig verteilte die AfD-Fraktion um den
Vorsitzenden Stefan Wirtz darum an die anwesenden Pressevertreter eine
Liste jener Kandidat*innen, die aus Sicht der Rechtspopulist*innen für das
ehrenamtliche Richteramt nicht geeignet sind.
„Öffentlichkeitswirksam übergab Herr Wirtz anklagend die personenbezogenen
Daten“, sagt Sebastian Barnstorf von der [1][Bürgerinitiative Braunschweig]
– kurz Bibs. An die 30 Namen stehen auf dieser Liste.
Die betroffenen Personen haben sich für die AfD offenbar als zu „kritisch“
oder „unliebsam“ herausgestellt und sollen nun „als politische Gegner
stigmatisiert und diffamiert werden“, sagt Barnstorf. Er und seine
Bibs-Kolleg*innen bewerten „das Vorgehen der Braunschweiger AfD-Fraktion
als bedrohlich“.
In einem offenen Brief schreibt die Bibs, dass sie dieses öffentliche
Anprangern von politisch unliebsamen Leuten an die 1930er-Jahre erinnere.
Damals führten NSDAP und SS medienwirksam eine Kampagne gegen Braunschweigs
damaligen Oberbürgermeister Ernst Böhme, die für den SPD-Politiker Böhme am
13. März 1933 mit einem Amtsenthebungsverfahren und „Schutzhaft“ endete.
Am vergangenen Dienstag hatten die fünf Braunschweiger AfD-Ratsmitglieder
mit einen Antrag versucht, die aus ihrer Sicht ungeeigneten Leute von der
Vorschlagsliste zur Wahl der Schöffen am Amts- und Landesgericht für die
Geschäftsjahre 2019 bis 2023 streichen zu lassen. Diese Liste von der
Verwaltung ist aber als „vertraulich gekennzeichnet“, hebt Barnstorf
hervor. „Mit der Veröffentlichung von Namen hat die AfD Bürger an den
Pranger gestellt“, sagt Barnstorf, der, ebenso wie ein Mitstreiter der
Bibs, selbst mit auf der Negativ-Liste der AfD steht. Auch Mitglieder der
SPD und der Grünen sowie ein Vorstandsmitglied des Landesverband
Niedersachsen des Zentralrats der Muslime und die Leiterin des Job-Centers
werden aufgeführt.
## Letztlich entscheidet ein Schöffenwahlausschuss
Die gesamte Vorschlagsliste für die neuen Schöffen umfasst rund 800 Namen
und wird im weiteren Auswahlprocedere verkleinert. Ein Wahlausschuss des
Rats der Stadt Braunschweig bestimmt die weitere Vorschlagsliste für die
ehrenamtlichen Richter. Beim Amtsgericht entscheidet dann ein
Schöffenwahlausschuss.
„Das Manöver der AfD kann auch als eine Retourkutsche verstanden werden“,
sagt Barnstorf. Denn Mitglieder des Braunschweiger Stadtrates täten sich
schwer damit, AfD-Fraktionschef Wirtz in den aus den politischen Fraktionen
zu benennenden und vom Rat zu wählenden Auswahlausschuss zur endgültigen
Wahl der Schöffen zu entsenden. Im April war Wirtz in zwei Wahlgängen für
das Gremium durchgefallen. Die Bewerber der fünf anderen Fraktionen wurden
parteiübergreifend gewählt. Wirtz bekam zwar mit 18 beziehungsweise 16 mehr
als nur die Stimmen seiner fünfköpfigen Fraktion, dennoch zu wenige für die
notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit.
## Rechtliche Schritte vorbehalten
Am Dienstag scheiterte die AfD nun erneut damit, eine Vertrauensperson für
den Ausschuss wählen zu lassen. Auf Antrag der Verwaltung hat der Rat den
Tagesordnungspunkt abgesetzt. Im September wird sich nun der Rat erneut mit
der Thematik auseinandersetzen. Der Vorwurf von Wirtz, dass das zu spät
sei, wies Ordnungsdezernent Claus Ruppert zurück und erklärte, dass das
Amtsgericht ohnehin erst im September oder Oktober den Ausschuss zur Wahl
der Schöffen bilden werde.
Mit der Verbreitung der „Negativ-Liste“ hätten Wirtz und sein Parteifreunde
sich ohnehin für den Auswahlausschuss disqualifiziert, sagt jedenfalls
Barnstorf. Der Umgang mit den persönlichen Daten sei mindestens
verantwortungslos. „Mit der gezielt diskriminierenden Provokation offenbart
er sein antidemokratisches Politikverständnis“ sagt Barnstorf weiter. „Wir
hoffen nun, dass der Rat dies im September berücksichtigen wird.“
Rechtliche Schritte wegen der Weitergabe der vertraulichen Daten aus der
Vorschlagsliste behält Barnstorf sich vor.
## In Lüneburg wird auch gestritten
In Lüneburg ist unterdessen ebenfalls ein [2][Streit über die Ernennung von
Schöffen] ausgebrochen – allerdings andersherum. Dort hat die Linke im
Stadtrat Einspruch gegen die von der Verwaltung vorgelegte Vorschlagsliste
eingelegt, weil zwei Leute auf der Liste eine rechte Vergangenheit hätten.
„Dass eine politische Partei versucht, die Justiz zu unterwandern und
Urteile zu beeinflussen, ist ein grober Bruch mit demokratischen Prinzipien
und ein Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz“, kritisiert David Amri,
der für die Linke im Lüneburger Stadtrat sitzt. Er fordert, die Abstimmung
über die Schöff*innenliste zu wiederholen.
18 Jun 2018
## LINKS
[1] http://www.bibs-fraktion.de/index.php?id=3
[2] /Archiv-Suche/!5507731&s=Sch%C3%B6ffen/
## AUTOREN
Andreas Speit
## TAGS
Niedersachsen
Justiz
Braunschweig
AfD Niedersachsen
Denkmäler
AfD Niedersachsen
AfD Bremen
SPD Schleswig-Holstein
Feinde der Pressefreiheit
Rechtstextreme
Gerichtsprozess
## ARTIKEL ZUM THEMA
Peinliche Denkmäler: Steine des Anstoßes
Die Bürgerinitiative Braunschweig (Bibs) fordert, sämtliche Denkmäler der
Stadt kritisch zu bewerten. Drei gelten als besonders problematisch.
AfD stellt sich selbst vom Platz: Fußball-Ehrenkodex abgelehnt
Die niedersächsische AfD will die Vielfalts-Erklärung der
Abgeordneten-Mannschaft FC Landtag nicht unterschreiben und darf deshalb
nicht mitkicken.
Radio-Bremen-Autor bei rechter Partei: Journalist will AfD zähmen
Ein Radio-Bremen-Autor ist im Landesvorstand der Bremer AfD. Er suche dort
„konservative“ Antworten, sagt er. Dabei ist der Bremer Parteiverband
besonders rechts.
Gedrehte Verfassungsrichterwahl: SPD schützt Verfassung
Fast wäre der Autor eines homophoben Gutachtens in Schleswig-Holstein
Verfassungsrichter geworden. Doch dann fiel es der SPD auf.
Kommentar AfD gegen freie Presse: Kein Vogelschiss
Die Art, wie die AfD mit Journalisten umgeht, ist das Gebaren von
Autokraten. Die AfD beweist ihre Ablehnung von Meinungs- und
Pressefreiheit.
Schöffen mit rechtsextremer Gesinnung: Rechte wollen Recht sprechen
Im Lüneburger Stadtrat haben SPD, CDU, FDP und AfD eine Vorschlagsliste für
Schöffen durchgewunken. Zwei der Bewerber haben eine rechte Vita.
Berliner Schöffenwahl 2018: Im Namen des Volkes
Jens Wiechmann spricht seit zehn Jahren Recht, obwohl er kein Jurist ist.
Er ist einer von 6.000 Schöffen in Berlin.
Kommentar: Schöffen sind heute überflüssig
Laien an der Rechtssprechung zu beteiligen, ist eine Tradition, die nicht
mehr in die heutige Zeit passt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.