# taz.de -- Schöffen mit rechtsextremer Gesinnung: Rechte wollen Recht sprechen | |
> Im Lüneburger Stadtrat haben SPD, CDU, FDP und AfD eine Vorschlagsliste | |
> für Schöffen durchgewunken. Zwei der Bewerber haben eine rechte Vita. | |
Bild: Hier würden auch Rechte gerne ihren Mantel hinhängen | |
HAMBURG taz | Im Rat der Stadt Lüneburg ist ein Streit um die Benennung von | |
Schöffen ausgebrochen. Die Linken-Fraktion im Stadtrat hat Einspruch gegen | |
die von der Verwaltung vorgelegte Vorschlagsliste eingelegt, weil zwei | |
Personen auf der Liste eine rechte Vergangenheit hätten. | |
„Es ist bekannt, dass NPD und AfD ihre Anhänger dazu aufrufen, sich als | |
Schöffen bei den Wahlen 2018 zu bewerben“, sagt David Amri, | |
Fraktionsvorsitzender der Linken, „mit der Intention, den Rechtsstaat | |
rassistisch und mit völkischer Ideologie zu unterwandern und | |
Gerichtsurteile in diesem Sinne zu beeinflussen.“ | |
Schon vor einer Woche hatte sich die Linke an das Rechtsamt der Stadt | |
gewandt und Einspruch gegen die zwei Namen für die Amtsperiode 2019 bis | |
2023 erhoben. Auf der Liste für die Ratssitzung am vergangenen Donnerstag | |
fanden sich die beiden aber erneut unter den 114 Namen. | |
Die Verwaltung begründete das mit dem Hinweis, dass die rechtliche Prüfung | |
aller Kandidaten dem Amtsgericht obliege. Im Rat wurde genau diese | |
Begründung kontrovers diskutiert, denn der Rat hat sehr wohl ein | |
Entscheidungsrecht. Die Liste für das Amtsgericht muss von zwei Dritteln | |
der anwesenden Ratsmitglieder oder der Hälfte der gesetzlichen | |
Ratsmitglieder bestätigt werden. | |
Ulrich Blank von den Grünen fasste beim Rechtsdezernenten Markus Moßmann | |
nach. In der Sitzung wollte er laut Lüneburger Landeszeitung wissen, ob im | |
Zweifelsfall über alle vorgeschlagenen Personen einzeln abgestimmt werden | |
müsste. Dieses Prozedere schmetterte Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) | |
mit dem Hinweis ab, 22 Ratsstimmen genügten zur Bestätigung der Liste und | |
der Einspruch der Linken werde aufgenommen. Letztlich würde beim | |
Amtsgericht auch noch mal ein Schöffenwahlausschuss tagen. | |
SPD-Ratsherr Friedrich von Mansberg (SPD) sprang dem Oberbürgermeister bei: | |
Der Rat könne keine Diskussionen über Einzelne zu führen, „die wir nicht | |
kennen“. Dem Rat stünde auch nicht zu, über die „Gesinnung“ der | |
Schöffen-Kandidaten zu urteilen. | |
Auch Rainer Mencke (CDU) stand zum Oberbürgermeister und meinte, für die | |
Linke müsse ausreichend sein, dass ihr Einspruch mit ans Gericht gehe. „Wir | |
können doch nicht über Menschen urteilen, weil Herr Amri sagt, dass sie dem | |
rechtsextremen Lager zuzuordnen sind.“ | |
Eine Haltung, die Amri nicht nachvollziehen kann. „Beide haben in der | |
Vergangenheit für die NPD-nahe Kommunalliste UWL/Bündnis Rechte kandidiert | |
und waren regelmäßig an Neonazi-Aufmärschen beteiligt, in einem Fall sogar | |
als Anmelder“, sagt er. „Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass die | |
Verwaltung meinen Hinweis auf die beiden Personen dankend annimmt.“ | |
In der Sitzung appellierte auch Ulrich Löb von den Grünen an die | |
Ratskollegen, es könne nicht über eine Liste abgestimmt werden, auf der | |
Personen mit einem solchem Hintergrund stehen. Ohne Erfolg: Mit 25 Stimmen | |
von CDU, FDP, SPD und AfD wurde die Liste beschlossen – bei vier | |
Gegenstimmen der Linken und Löbs sowie fünf Enthaltungen. | |
„Der Oberbürgermeister hat vor der Abstimmung falsch informiert“, sagt Amri | |
jetzt. Er kritisiert, es sei der Eindruck erweckt worden, „dass die | |
Streichung einzelner Namen nicht möglich sei, dabei ist genau das Aufgabe | |
des Rates“. | |
Gerade die Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen Niedersachsen/Bremen | |
lege auf ihrer Webseite dar, „dass Ratsmitglieder vor der Abstimmung | |
weitere Vorschläge für die Liste machen dürfen oder eben auch Streichungen | |
vornehmen können“. Amri verspricht: „ Wir werden nun prüfen, inwiefern die | |
Rechtmäßigkeit des Ratsbeschlusses durch die fehlerhafte rechtliche | |
Aufklärung von Seiten der Verwaltung in Frage gestellt wird.“ | |
5 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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