# taz.de -- Gedrehte Verfassungsrichterwahl: SPD schützt Verfassung | |
> Fast wäre der Autor eines homophoben Gutachtens in Schleswig-Holstein | |
> Verfassungsrichter geworden. Doch dann fiel es der SPD auf. | |
Bild: Kein Platz für Winterhoff: Das schleswig-holsteinische Landesverfassungs… | |
NEUMÜNSTER taz | Der Hamburger Rechtsanwalt Christian Winterhoff darf nicht | |
Verfassungsrichter von Schleswig-Holstein werden. Dabei hatten immerhin | |
vier Fraktionen des Kieler Landtags den Juristen als stellvertretendes | |
Mitglied des Landesverfassungsgerichts vorgeschlagen: Wäre alles glatt | |
gegangen, hätten nicht nur die Regierungsparteien CDU, FDP und Grüne für | |
ihn gestimmt, sondern auch die Minderheitenvertretung SSW. Ein Zuspruch, | |
der irritiert, handelt es sich bei Winterhoff doch um den Autor eines | |
umstrittenen Gutachtens, das Schleswig-Holstein die „Indoktrinierung“ von | |
Schulkindern vorwirft. | |
Doch bevor es zur Abstimmung kam, fiel der SPD die Personalie noch auf. | |
Anschließend stellte Fraktionschefin Eka von Kalben für die Grünen klar: | |
„Die Person wurde trotz dieser Haltung gefragt – leider.“ | |
Die Grünen hätten der Wahl nicht zugestimmt, betont sie. Von Kalben stellte | |
sich hinter den Parteikollegen Rasmus Andresen, der den Lübecker | |
Nachrichten gesagt hatte, Winterhoff sei „unwählbar“. Eine Aussage, die die | |
AfD als „Einstieg in den Gesinnungsstaat“ kritisierte. Und so setzte die | |
AfD das Thema am Mittwoch auf die Tagesordnung der Aktuellen Stunde. | |
In der Debatte im Landtag versuchten die RednerInnen peinlich, Winterhoffs | |
Namen nicht zu nennen – obwohl der bereits vor Tagen in den Lübecker | |
Nachrichten stand. „Schon interessant, dass wir jetzt immer noch so tun, | |
als müssten wir die Vertraulichkeit schützen“, sagte Martin Habersaat. Für | |
den bildungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion geht es in der Sache vor | |
allem um eines: „Eine politische Kontroverse.“ | |
Christian Winterhoff, der auch als außerplanmäßiger Professor der Göttinger | |
Universität tätig ist, hatte 2016 für einen Verein namens „Echte Toleranz�… | |
ein Rechtsgutachten verfasst. Darin geht er der Frage nach, ob „Schulkinder | |
in Schleswig-Holstein zur Akzeptanz sexueller Vielfalt“ erzogen werden | |
dürfen. Seine Antwort fällt negativ aus. | |
Denn der Staat müsse „Neutralität wahren“, das „natürliche Schamgefüh… | |
Kinder achten“, Rücksicht nehmen „auf religiöse und weltanschauliche | |
Überzeugungen der Eltern“, schreibt Winterhoff. All dies sei gefährdet, | |
wenn im Unterricht Texte oder Bilder eingesetzt würden, in denen schwule | |
Paare, lesbische Mütter oder Transmenschen auftauchen. | |
Begonnen hatte der Streit mit Unterrichtsmaterialien, die der | |
Lesben-Schwulen-Verband Schleswig-Holstein im Auftrag des | |
Sozialministeriums entwickelt hatte. Im Rahmen der Kampagne „Echte | |
Vielfalt“ sollten Kinder an das Thema sexuelle Vielfalt herangeführt | |
werden, ein Projekt, das auch von CDU und FDP kritisch beäugt wurde. | |
Eine vorläufige Fassung der Texte – mit teils flapsigen Formulierungen – | |
gelangte an die Öffentlichkeit. Besonders der Verein „Echte Toleranz“ | |
machte Stimmung. Am Ende zog das Sozialministerium das Material zurück. | |
„Inzwischen ist der Verein bei der AfD angekommen“, so Habersaat. Nicht nur | |
inhaltlich, sondern auch personell: Der Vorsitzende, Peter Rohling, | |
arbeitet nun als Sprecher der AfD-Fraktion im Kieler Landtag. | |
## Grüne und SSW dankten der SPD für den Hinweis | |
„Das Verfassungsgericht hat Minderheiten zu schützen“, erinnerte SPD-Mann | |
Habersaat in der Debatte. „Ich kriege da Gänsehaut.“ Es stelle sich die | |
Frage, ob der Autor des Gutachtens „aus Unwissenheit, trotz oder sogar | |
wegen seiner Positionen“ vorgeschlagen worden sei. | |
Die Grünen wie der SSW dankten der SPD für den „kollegialen Hinweis“, sich | |
den Hintergrund des Juristen doch mal genauer anzuschauen. Lars Harms (SSW) | |
warf der AfD vor, „ein politisches Süppchen zu kochen“. | |
Dass es keine Glanzstunde war, den Kandidaten aufzustellen, geben | |
ParlamentarierInnen dann noch hinter vorgehaltener Hand zu: „Wir haben | |
schlecht recherchiert“, so ein Abgeordneter. Und: „Passiert hoffentlich nie | |
wieder.“ | |
5 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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