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# taz.de -- Kolumne Im Augenblick: Hauptsache ein Zimmer, egal wie
> In vielen deutschen Städten mangelt es an Wohnungen. Bei der
> Wohnungssuche als Geflüchteter dann auch noch diskriminiert zu werden,
> ist hart.
Bild: Manch einem hilft bei der Wohnungssuche das Engagement in LGBT-Gruppen
„Er hat mich überzeugt, dass ich im Winter keine Heizung brauche“, sagt der
Freund, bei dem ich zurzeit in Hannover übernachte über seinen Vermieter.
Er war zuerst in einem Dorf nahe Bremen untergebracht, einem [1][Dorf
mitten im Wald], wo er selten Menschen auf den Straßen traf. Zum Einkaufen
musste er, wie viele seiner Freunde im Flüchtlingshaus, über eine halbe
Stunde mit dem Fahrrad fahren.
Monatelang hatte er in Hannover nach einem WG-Zimmer oder einer Wohnung
gesucht, aber ohne großen Erfolg. Mal, weil er Leistungen vom Jobcenter
bezieht, mal weil sein Deutsch nicht gut genug war, mal ganz ohne Grund:
Absagen hat er viele bekommen.
Ob er sich wirklich sicher ist, in Deutschland ein Zimmer ohne Heizung zu
mieten, darüber wollte er lieber nicht so viel nachdenken. Das Zimmer hat
Fenster mit Mehrfachverglasung und die Wände isolieren besonders gut. Das
wird schon warm genug sein, sagt er. „Wichtig ist, dass ich jetzt in einer
großen Stadt bin und mir keine großen Sorgen mache, in die Bibliothek zu
gehen, oder in ein Café, um Menschen zu sehen. Dass meine Mitbewohner in
meiner jetzigen Wohnung unangenehm sind, oder mein Zimmer klein, kalt und
zum Wohnen nicht ganz geeignet ist, ist kein Problem, wenn ich immer
draußen bleibe und das Zimmer nur zum Schlafen benutze.“
Also, Hauptsache ein Zimmer, egal wie. Ein anderer Bekannter ist mit dem
Problem, der Suche nach einem Zimmer, schlauer und vor allem mutiger
umgegangen. Als wir uns neulich getroffen haben, merkte ich Spuren von
Schminke in seinem Gesicht und wollte wissen weswegen.
Und dann hat er es mir erzählt. Er hat kapiert, dass Homosexuelle aus dem
Nahen Osten besser unterstützt werden. Seine Überlegung war Folgende: Sie
sind dort am häufigsten und schlimmsten diskriminiert worden [2][und
brauchen umso mehr Beistand]. Daran orientiert, hat er sich in LGBT-Gruppen
engagiert, bis er durch diese Kontakte eine Wohnung nach seinen Wünschen
gefunden hatte.
In der LGBT-Gruppe macht er immer noch mit. Ob er sich dadurch noch mehr
Unterstützung hofft, oder sich wirklich dafür interessiert, weiß man nicht.
Eins ist für mich klar: Seine Verzweiflung, ein Zimmer zu finden, war
extrem. Denn so einen krassen Weg zu gehen, nur um eine Wohnung zu finden,
ist keine einfache Entscheidung, die ein Syrer trifft. Schließlich geht er
das Risiko ein, dass manche seiner Freunde aus Syrien, wenn sie diese
Geschichte mitbekommen, nicht mehr mit ihm reden oder ihn vielleicht auch
erniedrigen würden.
Klar: In vielen deutschen Städten mangelt es an Wohnungen. Aber dazu noch
bei der Suche diskriminiert zu werden, ist hart. Das im vergangenen Jahr
veröffentlichte „Hanna und Ismail“-Projekt von BR Data und Spiegel online
[3][hatte zum Ergebnis,] dass Menschen mit türkischen oder arabischen Namen
bis zu 27 Prozent weniger Einladungen zu Wohnungsbesichtigungen erhalten
als jene, die sich mit deutschen Namen bewerben. Dabei konnte die
Testperson perfekt Deutsch sprechen und hatte auch eine Arbeitsstelle –
anders als der deutsche Testbewerber.
Trotz Hundephobie einen [4][Hund zu streicheln], Alkohol zu trinken, um
nicht als Islamist zu gelten, sich für fremde Hobbys interessieren, nur um
ein verdammt kleines Zimmer vermietet zu bekommen, all das machen
Geflüchtete, um sich zu integrieren und weil sie Angst haben, „fremd“ zu
bleiben. Ob von der anderen Seite auch Schritte in die Richtung unternommen
werden, lässt sich schwer nachvollziehen.
1 Jun 2018
## LINKS
[1] /!5238956/
[2] https://www.andersraum.de/projekte/queer-refugees-niedersachsen/
[3] https://www.hanna-und-ismail.de/
[4] https://islamfatwa.de/gottesdienste-ibadah/200-reinigung/rituelle-reinigung…
## AUTOREN
Ismail Ismail
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