# taz.de -- Unterkünfte für Flüchtlinge in Berlin: Wohnungen zu Wucherpreisen | |
> An eine Wohnung zu kommen, ist für Flüchtlinge besonders schwer. Makler | |
> bieten auf dem Schwarzmarkt gegen fette Provisionen ihre Hilfe an. | |
Bild: Sehr seltenes Bild in Berlin: Wohnungen, die zu vermieten sind | |
BERLIN taz | Falkenhagener Straße, 11 Uhr – Ahmad Al Sagher hebt den Blick | |
vom Handy und schaut ratlos die Fassade des Mehrfamilienhauses hinauf. „Die | |
Adresse stimmt. Sind wir zu spät gekommen?“ Der junge Syrer ist zu einer | |
Wohnungsbesichtigung verabredet. Außer dem Treffpunkt, der ihm auf sein | |
Telefon geschickt wurde, kennt er nur den Namen seiner Kontaktperson: | |
„Hanan“. Sie ist eine der vielen MaklerInnen, deren Telefonnummern unter | |
Geflüchteten kursieren. Mit ihrer Hilfe, so heißt es, kann man schnell eine | |
Wohnung finden. | |
Dass das Angebot womöglich unseriös ist, nimmt Ahmad mittlerweile in Kauf. | |
In den vergangenen acht Monaten hat er in vier verschiedenen Unterkünften | |
gelebt. Die taz darf ihn bei der Besichtigung begleiten. | |
Hanan hält Wort. Nach kurzer Zeit wird Ahmad von ihrem Partner in eine | |
renovierte 2-Zimmer-Wohnung geführt. Er spricht fließend Deutsch, mit Ahmad | |
unterhält er sich auf Arabisch. Im Flur stehen eine syrische Frau und ihr | |
jugendlicher Sohn. Ahmads Konkurrenten grüßen freundlich: „Marhaba“ – | |
Hallo. | |
Die einzige, die kein Arabisch spricht, ist die Dame von der Haus- und | |
Grundstücksverwaltung Linke. Sie kümmert sich in der Küche um den | |
Papierkram. Um Ahmad kümmert sich der zweisprachige Araber. Was der ihm | |
erzählt, gibt Ahmad später zu Protokoll: Für die Wohnung sei eine | |
Vermittlungsgebühr von 5.000 bis 6.000 Euro zu bezahlen. | |
## Mondpreise ohne Rechtsbasis | |
Ahmad bestätigt damit, was von Flüchtlingen bereits seit Längerem moniert | |
wird. Deutsch-arabische MaklerInnen bieten in Flüchtlingsunterkünften | |
Wohnungen zu Mondpreisen an. Die geforderte Provision liegt weit über den | |
gesetzlich vorgesehenen zwei Nettokaltmieten. Ob die Vermittler eine | |
Maklerlizenz haben, bleibt unklar. Nach der Besichtigung sind sie für eine | |
Stellungnahme nicht mehr zu erreichen. Ein Vertrag wurde Ahmad nicht | |
vorgelegt. | |
Bei der Hausverwaltung Linke erklärt man, Hanan sei eine ehemalige | |
Mieterin, die nach einer Wohnung für Bekannte gefragt habe. Über eine | |
Gebühr sei man nicht informiert gewesen: „Es wurde nicht in unserem | |
Auftrag, noch dass wir davon Kenntnis hatten, eine Vermittlerprovision von | |
dem Interessenten gefordert.“ | |
Auch andere Flüchtlinge berichten, ihnen seien von der Vermittlerin | |
Wohnungen gegen Geld angeboten worden. Einer davon ist Amer D. Der | |
Architekt ist seit vier Monaten auf Wohnungssuche. In seinem Handy hat er | |
bereits zehn Maklerkontakte gespeichert. „Du bekommst die Nummern überall. | |
Ich habe meine von Freunden und von Leuten aus dem Wohnheim“, sagt er. | |
Einer der Makler habe ihn durch eine 2,5-Zimmer-Wohnung in der Ansbacher | |
Straße geführt. | |
Amer zeigt außerdem ein Wohnungsangebot für eine 2-Zimmer-Einheit in der | |
Schluchseestraße. Das Papier, das den Stempel der ADO Immobilien Management | |
GmbH trägt, habe ihm ein Makler am S-Bahnhof Halensee gegeben. 2.600 Euro | |
Vermittlerprovision habe er dafür verlangt. Die ADO erklärt auf Anfrage, | |
dass sie keine derartigen Wohnungsangebote an Makler herausgebe. Bei dem | |
Mann, so eine Sprecherin, müsse es sich um einen Betrüger handeln. | |
## Mietvertrag gegen Geld | |
Dass solche Vermittler für ihre überhöhten Forderungen offenbar auch | |
Leistungen erbringen, zeigt der Fall von Mustafa. Der Mittdreißiger, der | |
seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen will, empfängt die taz in | |
seiner 1-Zimmer-Wohnung in Neukölln. Während über den Fernsehschirm ein | |
EM-Spiel flimmert, erzählt Mustafa von seinen Erfahrungen bei der | |
Wohnungssuche: „Um hier einziehen zu können, musste ich 3.000 Euro | |
bezahlen.“ | |
Zuerst habe er einem Mittelsmann das Geld zugesagt, dann habe er bei der | |
Hausverwaltung den Mietvertrag unterschreiben können. Verwalter und | |
Vermittler seien dabei niemals zusammen aufgetreten. „Ich wurde immer nur | |
von einem zum anderen geschickt“, erinnert er sich. | |
Mustafa bittet, den Namen der Hausverwaltung nicht zu nennen: Er wolle | |
keine Probleme bekommen. Um den Vermittler zu bezahlen, hat er sich | |
verschuldet. Warum der teure Weg? „Ich habe zuerst über die großen | |
Wohnungsgesellschaften gesucht. Da ging nichts. Ich habe irgendwann keine | |
andere Möglichkeit mehr gesehen.“ | |
## Geld weg – keine Wohnung | |
Auch andere Flüchtlinge sind von ihren Erfahrungen auf dem Wohnungsmarkt | |
frustriert. Wegen fehlender Orts- und Sprachkenntnisse finden sie sich dort | |
allein kaum zurecht. Gleichzeitig wollen sie schnell raus aus den engen | |
Unterkünften, in denen oft jede Privatsphäre fehlt. | |
Dass ihre Unerfahrenheit ausgenutzt wird, weiß man auch beim Verband | |
Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. „Gerade Geflüchtete sollten | |
konsequent über ihre Rechte am Wohnungsmarkt und das beste Vorgehen bei der | |
Suche informiert werden“, erklärt ein Sprecher. Fälle wie die von Mustafa | |
seien allerdings nicht bekannt. | |
Präsenter sind Geschichten von Flüchtlingen, die um ihr Geld betrogen | |
wurden. Ein junger Syrer erzählt, er habe einem Mann 500 Euro für das | |
Exposé einer Wohnung gegeben. „Mir wurde versprochen, dass ich dort | |
einziehen kann. Nachdem ich bezahlt hatte, habe ich den Typen nie wieder | |
gesehen.“ Auch Ahmad hat einmal 500 Euro für eine vermeintliche Mietkaution | |
bezahlt. Das Geld ist er los, eine Wohnung sucht er noch immer. | |
13 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Francis Laugstien | |
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