# taz.de -- Hamburger Projekt „Zimmerfrei“: „Hier fühle ich mich zu Haus… | |
> Das Projekt „Zimmerfrei“ vermittelt junge Geflüchtete in private | |
> Wohnungen – Mahdi G. ist einer von ihnen. Doch für 2019 ist die | |
> Finanzierung des Projekts ungewiss. | |
Bild: Zu Hause in Winterhunde: Mahdi B. fühlt sich bei seinen Mitbewohnern wohl | |
Hamburg taz | Als die Stimmung bei einem großen Teil der deutschen | |
Öffentlichkeit noch nicht zu Ungunsten der Flüchtlinge gekippt war, | |
entstand in Hamburg das Projekt „Zimmerfrei“. Seitdem, also seit 2015, | |
sorgen drei hauptamtliche Mitarbeiter der Lawaetz-Wohnen & Leben gGmbH, | |
einer Tochtergesellschaft der Lawaetzstiftung, dafür, dass unbegleitete | |
minderjährige Geflüchteten privat untergebracht werden. Aber die | |
Finanzierung über die Sozialbehörde läuft nur noch bis Ende des Jahres, | |
danach ist alles unklar. | |
Die Mitarbeiter sind optimistisch, dass es weitergeht. „Ich gehe fest davon | |
aus, dass wir weiter finanziert werden“, sagt Raphael Heinetsberger, einer | |
der drei Hauptamtlichen. Er und seine KollegInnen überprüfen in mehreren | |
Gesprächen die potenziellen Vermieter und Zimmerangebote. Dann überlegen | |
sie, welcher ihrer Klienten gut hineinpassen würde. Meistens seien es | |
ältere Paare, deren eigene Kinder ausgezogen sind, die Zimmer zur Verfügung | |
stellen. Aber auch Familien und Wohngemeinschaften kommen infrage. | |
„Es macht keinen Sinn, jemand sehr selbstständigen in eine Familie zu | |
stecken, die sehr viel Unterstützung leisten möchte. Wir suchen Vermieter, | |
die diese Selbstständigkeit auch anerkennen“, sagt er. „Zimmerfrei“ mache | |
aber nur Vorschläge – niemand werde einfach irgendwo einquartiert. „Wir | |
haben auch schon Zimmer abgelehnt, zum Beispiel wenn sie zu klein oder nur | |
Durchgangszimmer sind.“ | |
Bei Mahdi G. hat es geklappt. Der heute 19-Jährige aus Afghanistan kam im | |
September 2015 nach Deutschland und zog ein knappes Jahr später bei Joseph | |
Schild und Frauke Pöhls in Winterhude ein. Mahdi geht zur Schule, nächstes | |
Jahr will er das Abitur machen. | |
Durch die politische Situation, als nach dem Sommer 2015 die Kritik an der | |
Flüchtlingspolitik begann und zum zentralen Thema wurde, seien sie zu | |
„Zimmerfrei“ gekommen, erzählt Schild, der pensionierter Arzt ist. „Für… | |
war das eigentlich eine normale Sache, von Anfang an.“ | |
Nach einem Gespräch mit einem Mitarbeiter von „Zimmerfrei“ habe dieser | |
gleich einen Jugendlichen genannt, sagt Frauke Pöhls. „Ja und wir dachten | |
natürlich, was man so für Vorstellungen hat, dass da ein verschüchterter, | |
traumatisierter 17-Jähriger die Treppe hochkommt.“ Stattdessen sei Mahdi | |
gekommen, ein sehr aufgeweckter junger Mann, damals 16 Jahre alt. Er habe | |
noch beim ersten Kennenlernen angefangen, die Inneneinrichtung des Zimmers | |
umzuplanen. Alles sollte weiß sein. | |
„Ich habe mir immer ein Zimmer gewünscht“, sagt Mahdi, „aber wir waren e… | |
große Familie und nicht jeder konnte sein eigenes Zimmer haben.“ Nach einem | |
Praktikum begann er eine Ausbildung als Informatiker, merkte aber schnell, | |
dass das nicht das richtige war. Er brach ab und geht nun weiter zur | |
Schule. Sein neuer Plan: Wirtschaftsinformatik studieren. Mahdi setzt sich | |
hohe Ziele. „Wir haben ein Sprichwort: Ziele auf den Mond, wenn du ihn | |
verfehlst, triffst du die Sterne.“ | |
## Eine spezielle Form der WG | |
Ihr Zusammenleben beschreiben die drei als eine spezielle Form der WG. „Es | |
vermischt sich. Natürlich ist es ein bisschen so, dass wir automatisch in | |
die Rolle von Eltern hineinschlüpfen“, sagt Pohls. Mahdi sagt: „Hier fühle | |
ich mich zu Hause“, und meint nicht nur die Wohnung, sondern auch | |
Deutschland insgesamt. „Hier ist es gut.“ | |
Doch das Zusammenwohnen verlief bisher nicht immer gleich, sagt Schild. | |
Früher hätten sie mehr zusammen gemacht. Er blickt zu seinem jungen | |
Mitbewohner. Ob Mahdi sich manchmal mehr Gemeinschaft wünsche, „zusammen | |
kochen oder so“, fragt er ihn. Mahdi zögert kurz.„Ich liebe es so, wie es | |
ist“, sagt er dann. Er scheint es ernst zu meinen. „Ich könnte mir nicht | |
vorstellen, allein zu leben.“ | |
## Keine ernsthaften Konflikte | |
Das Zusammenleben sei eine „gute Art von Verhinderung“, sagt Mahdi, denn | |
würde er allein wohnen, hätte er wahrscheinlich ständig Freunde zu Besuch, | |
mit denen er auch rauchen und trinken würde. Er sagt: „Ich glaube, ich bin | |
gewachsen in den zwei Jahren.“ | |
Zu ernsthaften Konflikten sei es bisher nicht gekommen, sagten alle drei. | |
Kleinere Reibereien seien eben in jeder Gemeinschaft normal. Die | |
Vorbereitung und Vermittlung von „Zimmerfrei“ loben sie. „Die vermitteln … | |
auch, wenn es Probleme gibt“, sagt Schild. Doch die sind, laut | |
„Zimmerfrei“, eher selten. Nur ein Mietverhältnis habe seit 2015 aufgelöst | |
werden müssen. | |
19 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Hannes Stepputat | |
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