# taz.de -- Diskriminierung am Mietmarkt: Grüne wollen Türen öffnen | |
> MigrantInnen, Alleinerziehende und andere suchen oft vergeblich nach | |
> einer Bleibe. Eine neue Anlaufstelle beim Senat soll Abhilfe schaffen. | |
Bild: Je größer der Andrang, desto mehr können die Vermieter aussieben | |
Der Unterstützer einer Flüchtlingsfamilie freut sich, eine freie Wohnung | |
ausfindig gemacht zu haben. Er nimmt Kontakt mit dem Vermieter auf, der | |
bietet einen Besichtigungstermin an. Als der Unterstützer jedoch offenlegt, | |
dass er die Wohnung nicht für sich, sondern für eine syrische Familie | |
sucht, wird es plötzlich schwierig. „Die Bereitschaft, einen | |
Besichtigungstermin zu vereinbaren, ist gleich null“, berichtet am Montag | |
Remzi Uyguner von der neuen Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem | |
Wohnungsmarkt. | |
150 Bewerbungen und 40 Besichtigungen seien nötig gewesen, um eine Wohnung | |
für eine syrische Familie mit einem Kleinkind zu bekommen, erzählt auch | |
eine ehrenamtliche Flüchtlingshelferin. Insbesondere private Vermieter | |
verlangten oft Einkommensnachweise, „die kein Geflüchteter nach ein bis | |
zwei Jahren Aufenthalt hier erfüllen kann“. | |
Dass bestimmte Gruppen bei der Wohnungssuche benachteiligt werden, ist | |
nicht neu. Doch mit dem enger werdenden Wohnungsmarkt verschärft sich das | |
Problem, die Vermieter können zwischen mehr potenziellen Mietern wählen – | |
und sieben die aus, die ihnen nicht genehm sind. „Ich gehe davon aus, dass | |
die Zahl der Betroffenen stark zunimmt“, sagt Christiane Droste vom | |
wissenschaftlichen Forschungsbüro Urbanplus, das die Fachstelle gegen | |
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt gemeinsam mit dem Türkischen Bund in | |
Berlin-Brandenburg betreibt. Auch Antidiskriminierungsstellen in Berlin und | |
Potsdam beobachteten seit 2016 einen Zuwachs an Beratungsbedarf, heißt es | |
in einem Gutachten im Auftrag des Senats. | |
Um gegenzusteuern, hat Rot-Rot-Grün im Juli eine eigene Fachstelle ins | |
Leben gerufen. „In Berlin dürfen weder Kopftuch noch Kippa noch ein | |
Rollstuhl ein Nachteil bei der Wohnungssuche sein“, sagt Justizsenator Dirk | |
Behrendt (Grüne) beim Pressegespräch am Montag. Seit dem Start hatte die | |
Fachstelle 25 Anfragen. | |
Drei Viertel davon betrafen Geflüchtete, erzählt Berater Uyguner. Marc | |
Butzbach, Sozialarbeiter in einem AWO-Heim in Buch, erzählt, im Schnitt | |
hätten in den letzten Jahren nicht mehr als drei Personen oder Familien pro | |
Monat aus dem Heim heraus eine Wohnung gefunden: „Viele wohnen seit mehr | |
als zwei Jahren hier.“ | |
„Uns ist aber wichtig, alle von Diskriminierung Betroffene zu erreichen“, | |
sagt auch Droste. Nicht nur Menschen mit anderer Herkunft, auch | |
Alleinerziehende oder Arbeitslose erlebten Benachteiligung auf dem | |
Wohnungsmarkt, so Uyguner. Wann es sich um Diskriminierung handelt und wann | |
nicht, ist umstritten. „Aus Sicht des Vermieters handelt es sich dabei | |
nicht um Diskriminierung, er muss sein Eigentum wirtschaftlich verwalten“, | |
sagt Uyguner. | |
Soziale Träger in der Behindertenhilfe berichten ebenfalls von einer | |
steigenden Zahl Ratsuchender: Barrierefreier Wohnraum ist Mangelware, | |
insbesondere für WBS-Berechtigte gebe es kaum bezahlbare Optionen. | |
Uyguner und seine Kollegen dokumentieren die Vorfälle. Sie nehmen Kontakt | |
mit dem Vermieter auf. Fruchtet das nicht, gehen sie bei | |
Wohnungsunternehmen auf die Leitungsebene – und im Zweifel auch an die | |
Öffentlichkeit. So erzeugen sie Druck. „Viele Vermieter wollen ihren Namen | |
nicht in der Presse lesen“, so Uyguner. | |
Seit das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt, kann Diskriminierung etwa | |
aufgrund der Herkunft auch juristisch verfolgt werden (siehe Kasten). Die | |
Fachstelle berät und begleitet die Betroffenen, klagen müssen die Menschen | |
allerdings selbst. Ziel der Fachstelle ist es, Diskriminierung sichtbar | |
machen. „Wir wollen aber auch eine Kultur des fairen Vermietens erreichen“, | |
so Droste. Wünschenswert sei etwa die Selbstverpflichtung von | |
Wohnungsunternehmen. | |
Tatsächlich hatte sich der Senat erst im Frühjahr mit den sechs | |
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften auf Entlastungen für MieterInnen | |
mit geringem Einkommen geeinigt. Etwa 15.000 Wohnungen werden jährlich in | |
den kommunalen Wohnungsgesellschaften frei – rund 2.250 davon sollen | |
besonders Bedürftigen wie Geflüchteten oder von Obdachlosigkeit bedrohten | |
Menschen vorbehalten sein. | |
Ob die Wohnungsgesellschaften sich an diese Vorgaben halten, soll die bei | |
der Stadtentwicklungsverwaltung angesiedelte Wohnraumversorgungsanstalt | |
kontrollieren. „Bisher ist die Fluktuation bei den Vermietungen nicht so | |
hoch, dass wir uns dazu äußern können“, sagt Vorstandsmitglied Jan Kuhnert. | |
„Aber natürlich beobachten wir das, insbesondere auch in den Quartieren, | |
die von dieser Regelung ausgenommen sind.“ In sozialen Brennpunkten müssen | |
sich Wohngesellschaften nämlich nicht an die Quotenregelung halten. | |
Anfang 2015 hatte das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in einem | |
aufsehenerregenden Fall türkischen und arabischen Familien 30.000 Euro | |
Schadenersatz zugesprochen, weil der Vermieter von ihnen höhere Mieten | |
verlangte als von anderen Familien im Haus. Ein Einzelfall, der gut | |
ausging? Das wird die Fachstelle zukünftig vielleicht auch zeigen. | |
11 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
Anna Klöpper | |
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