| # taz.de -- Öffentlichkeitsfahnung nach G20: Hunderteins neue Medienstars | |
| > Die Hamburger Polizei startet eine zweite Runde der | |
| > Öffentlichkeitsfahndung nach mutmaßlichen Straftätern im Zusammenhang mit | |
| > dem G20-Gipfel. | |
| Bild: Gut möglich, dass unter diesen Leuten einer ist, der von der Polizei ges… | |
| HAMBURG taz | Die Hamburger Polizei hat am Mittwoch eine zweite bundesweite | |
| Öffentlichkeitsfahndung im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel gestartet. Auf | |
| ihrer Internetseite veröffentlichte sie Bilder von 101 Demonstrant*innen, | |
| die sie verdächtigt, Straftaten „von erheblicher Bedeutung“ begangen zu | |
| haben. In den meisten Fällen geht es um Stein- und Flaschenwürfe oder | |
| Plünderungen während der G20-Proteste, die Vorwürfe lauten „schwere | |
| Körperverletzung“ oder „Landfriedensbruch“. Die Polizei bat die Medien, … | |
| Fotos zu verbreiten. | |
| Angestrebt sei auch eine europaweite Öffentlichkeitsfahndung, sagte | |
| Polizeisprecher Timo Zill. Bisher laufe nur eine interne Fahndung im | |
| europäischen Ausland: 91 Verdächtige suchen Europas Polizeien. Damit jemand | |
| zur öffentlichen Fahndung ausgeschrieben wird, muss ein Richter zustimmen, | |
| im Ausland muss Rechtshilfe beantragt werden – und das dauert. Die 91 | |
| Verdächtigen, die die Polizei für europäische Ausländer hält, kommen aus | |
| dem Pool beider deutschlandweiter Fahndungen: Im Dezember hatte die | |
| Hamburger Polizei das erste Mal Bilder von 107 mutmaßlichen | |
| Straftäter*innen veröffentlicht. | |
| Die Gesichter der zum Teil Minderjährigen liefen auf Infoscreens in der | |
| S-Bahn, Zeitungen druckten sie auf ihren Titelseiten. Die Bild | |
| stigmatisierte eine Minderjährige als „Krawallbarbie“. Auf die Frage, wie | |
| Polizei und Staatsanwaltschaft dieses Mal die Rechte Minderjähriger | |
| schützen, antwortete Oberstaatsanwalt Michael Elsner: „Auch für | |
| Minderjährige gilt die Strafprozessordnung. Und die erlaubt auch eine | |
| öffentliche Fahndung.“ | |
| Zill bedankte sich bei der Presse: Von den 107 Verdächtigen konnten 35 | |
| identifiziert werden. Im Vergleich zu anderen Öffentlichkeitsfahndungen, | |
| bei denen die Quote in der Regel zwischen fünf und zehn Prozent liege, sei | |
| das ein großer Erfolg. Die Polizei-Website mit den Fahndungsfotos sei 3,8 | |
| Millionen mal aufgerufen worden. | |
| Die Anzahl an Verfahren, die daraus bisher hervorgegangen sind, hält sich | |
| jedoch in Grenzen: Gegen zwei Personen ermittelt die Staatsanwaltschaft, | |
| gegen eine weitere Person hat sie einen Strafantrag gestellt. | |
| Seit März nutzt die Polizei eine Gesichtserkennungs-Software, um die sieben | |
| Terrabyte Bildmaterial zu durchsuchen, vor denen die Soko „Schwarzer Block“ | |
| sitzt. Auf 100 Personen sei die Software bisher angewendet worden, sagte | |
| Zill. Dazu kommen zehn Terrabyte externe Dateien und 450.000 Stunden | |
| Videomaterial der Hamburger Hochbahn – mehr als alles, was die Hamburger | |
| Polizei jemals ausgewertet hat. In 3.200 Fällen ermittelt die Soko, gegen | |
| 957 Beschuldigte laufen Strafverfahren. | |
| Die Ermittlungen gegen Polizist*innen, die unter Verdacht stehen, während | |
| des G20-Gipfels Gewalt gegen Demonstrant*innen ausgeübt zu haben, laufen | |
| hingegen schleppend. 124 Verfahren waren Anfang Mai bei der | |
| Staatsanwaltschaft anhängig gewesen, sagte der Oberstaatsanwalt Michael | |
| Elsner. Davon seien 24 mittlerweile eingestellt worden, eine Anklage liege | |
| bisher nicht vor. Die Ermittlungen seien gescheitert, weil „es wenig | |
| Kooperationsbereitschaft auf Seiten der Anzeigenden gibt – aus welchen | |
| Gründen auch immer“. | |
| Kritik an der Öffentlichkeitsfahndung hatte es schon nach der ersten Runde | |
| gegeben. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hatte der taz | |
| gesagt, eine solche Fahndung sei im Internetzeitalter ein sehr | |
| „eingriffsintensives Instrument“, weil die Polizei nicht kontrollieren | |
| könne, was mit den Bildern der Menschen passiere, für die immer noch die | |
| rechtsstaatliche Unschuldsvermutung gelte. Der Verfassungsrechtler und | |
| Ex-CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Ulrich Karpen sprach von einem | |
| „Ausnahmezustand in der Rechtsordnung, der schwer in die | |
| Persönlichkeitsrechte eingreift“. | |
| 17 May 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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