| # taz.de -- Medien und die G20-Straftäterverfolgung: Der Journalist, dein Freu… | |
| > Bei der Verfolgung mutmaßlicher G20-Straftäter leisten einige Hamburger | |
| > Medien der Polizei gute Dienste und fungieren als willfährige | |
| > Hilfssheriffs. | |
| Bild: Eine Verurteilung des 27-Jährigen, der einen Polizeihubschrauber mit ein… | |
| Hamburg taz | Die Zeugin fühlte sich nicht wohl. Sie sei, so ließ die | |
| Polizeireporterin der Hamburger Morgenpost (MoPo), Anastasia I., ihren Arzt | |
| dem Amtsgericht in Hamburg-Altona mitteilen, derzeit „arbeitsunfähig“. Das | |
| hatte die seit Langem krankgeschriebene Journalistin allerdings schon vor | |
| Wochen der Richterin mitgeteilt, ihre Aussage aber trotzdem zugesagt. | |
| Erst nachdem ihre Vorgesetzten in der Redaktion [1][durch einen | |
| taz-Artikel] davon Wind bekommen hatten, dass die Reporterin und ihr | |
| Kollege Rüdiger G. sich als Zeugen im „G20-Prozess“ gegen Nico B. angedient | |
| hatten, zog die Journalistin es vor, sich hinter ihrer Krankschreibung zu | |
| verstecken. Das war am vergangenen Mittwoch. Dass die beiden KollegInnen | |
| sich ohne Absprache mit der Redaktionsspitze aus eigenem Antrieb bei der | |
| Staatsanwaltschaft als Belastungszeugen angeboten hatten, kam in der MoPo | |
| nicht gut an – verstößt es doch gegen alle journalistischen Grundsätze und | |
| Gepflogenheiten. Vor Gericht haben Journalisten ein umfangreiches | |
| Zeugnisverweigerungsrecht. Sie sollen über Prozesse berichten, nicht aktiv | |
| in sie eingreifen. | |
| Doch eine Verurteilung des 27-jährigen Nico B., dem vorgeworfen wird, am | |
| Abend der „Welcome-to-Hell“-Demo einen Polizeihubschrauber mit einem | |
| Laserpointer attackiert zu haben, ist ohne die beiden MoPo-Reporter kaum | |
| denkbar. Nach dem Angriff hatten sie [2][ein Interview mit Annika S.]*, der | |
| Lebensgefährtin von Nico B., geführt. „Ihm war nicht bewusst, dass er | |
| jemandem schaden könnte“, nimmt sie darin ihren Partner in Schutz, | |
| behauptet damit aber auch seine Täterschaft. Ein Zitat, so räumte Rüdiger | |
| G. vor Gericht ein, das die Interviewte nie autorisiert habe. | |
| Vor der Polizei hat die Frau diese Aussage nicht wiederholt und sich auf | |
| ihr Aussageverweigerungsrecht berufen. Auch der Angeklagte schweigt. Da | |
| beide den Laserpointer auf den Helikopter hätten richten können, ist das | |
| Interview ein zentrales Beweismittel, auf dem die Staatsanwälte ihre | |
| Anklage gegen Nico B. aufbauen und auf dem eine mögliche Verurteilung fußen | |
| könnte. | |
| ## TV-Rohmaterial für die Ermittler | |
| Kein Einzelfall: Seit dem G20-Gipfel im vergangenen Juli wurde in vielen | |
| Hamburger Redaktionen der Grundsatz, dass Journalisten Staatsanwaltschaft | |
| und Polizei kontrollieren, über Bord geworfen. Viele Medien signalisieren | |
| den Strafverfolgungsbehörden stattdessen: der Journalist, dein Freund und | |
| Helfer. Immer mehr Medienschaffende gefallen sich darin, bei der Enttarnung | |
| mutmaßlicher G20-„Krawallmacher“ mitzumischen. | |
| So forderte die Polizei [3][im Zuge der G20-Ermittlungen zahlreiche | |
| Medienhäuser auf], ihr nicht veröffentlichtes Bildmaterial zur Verfügung zu | |
| stellen, um StraftäterInnen zu identifizieren. Die öffentlich-rechtlichen | |
| Anstalten lehnten mit dem Hinweis ab, das Material diene der | |
| Berichterstattung und nicht der Strafverfolgung. Andere Medien aber, etwa | |
| die RTL-Gruppe und mindestens eine TV-Produktionsfirma, kamen der | |
| polizeilichen Bitte nach und lieferten Rohmaterial an die Ermittler. | |
| Als die Polizei Ende 2017 104 Fotos von Verdächtigen veröffentlichte und | |
| damit die größte Öffentlichkeitsfahndung in der Geschichte der | |
| Bundesrepublik startete, druckten fast alle Hamburger Zeitungen die | |
| Porträts ab – ohne nachzuprüfen, was gegen die Abgebildeten vorliegt. Die | |
| Bild-Zeitung hob das Bild einer 17-Jährigen, deren Privatsphäre aufgrund | |
| ihres Alters unter besonderem Schutz steht, auf die Titelseite und | |
| brandmarkte sie als [4][„Krawall-Barbie“]. Der Presserat billigte das | |
| Vorgehen des Boulevardblattes später gar als presserechtlich in Ordnung. | |
| Für die Polizei lohnt sich dieser Schulterschluss mit den Hamburger Medien. | |
| Mehr als zwei Dutzend Verdächtige wurden dank der multimedialen Hilfe | |
| identifiziert. Weil das lief wie geschmiert, kündigten die Ordnungshüter | |
| bereits die nächste öffentliche Großfahndung gegen G20-Täter für die | |
| kommenden Wochen an. | |
| *Name geändert | |
| 3 May 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marco Carini | |
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