# taz.de -- Verfahren zu Laserattacke gegen G20-Polizeihubschrauber: Blindflug … | |
> Während die Polizei Probleme mit ihrer Beweiserhebung und Aktenführung | |
> hat, muss der Angeklagte mit einem belastenden Interview seiner | |
> Lebensgefährtin leben. | |
Bild: Soll geblendet worden sein: Polizeihubschrauber. | |
HAMBURG taz | „Mordversuch mit Laser!“ Mit dieser Schlagzeile wurde Nico | |
B., 27-jähriger Familienvater aus Altona, von einer kleinformatigen | |
Hamburger Boulevardzeitung vorverurteilt. Grundlage dieser „unerträglichen | |
Stigmatisierung“, so Rechtsanwalt Oliver Klostermann, war ein Tatvorwurf | |
der Staatsanwaltschaft, den diese inzwischen hat fallen lassen. Am Mittwoch | |
ist Nico B. vor dem Altonaer Amtsgericht wegen gefährlicher | |
Körperverletzung und eines gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr | |
angeklagt worden – der Vorwurf „versuchter Mord“ ist längst vom Tisch. | |
Nico B. soll am Abend des 6. Juli einen Polizeihubschrauber, vom dem aus | |
das Geschehen der „Welcome to Hell“-G20-Demo beobachtete wurde, aus einer | |
Dachgaube heraus mit einem handelsüblichen Laserpointer beschossen haben. | |
Pilot und Co-Pilot wurden nach eigener Aussage von dem Laserstrahl am Auge | |
getroffen, konnten die Maschine deshalb kurzzeitig nicht mehr manövrieren, | |
sodass diese knapp 100 Meter an Höhe verlor, bevor sie wieder ganz unter | |
Kontrolle war. | |
Dass Landgericht sah bei einer Haftprüfung jedoch keine Anhaltspunkte | |
dafür, dass der 27-Jährige bei der ihm zur Last gelegten Aktion den Absturz | |
des Hubschraubers und damit den Tod der Besatzung billigend in Kauf | |
genommen hat – die Staatsanwaltschaft ließ den Vorwurf des versuchten | |
Mordes schließlich fallen. | |
„Die Staatsanwaltschaft wurde damals offensichtlich von „Star Wars“ zu | |
ihrer Anklage inspiriert“, klagt Klostermann und weist darauf hin, dass es | |
in den USA und Europa schon mehr als 7.000 Fälle gegeben habe, wo Piloten | |
mit einem Laserpointer geblendet worden seien. Noch nie aber hätten diese | |
Attacken zu einer Anklage wegen versuchten Mordes geführt, auch sei noch | |
keine Maschine nach so einem Angriff abgeschmiert oder ein Crewmitglied | |
nachhaltig verletzt worden. | |
Neben einer Vorverurteilung ihres Mandanten wirft die Verteidigung der | |
Ermittlungsbehörde gravierende Fehler im Ermittlungsverfahren und ein | |
beispielloses Aktenchaos vor. So sei die nächtliche Durchsuchung der | |
Wohnung der Lebensgefährtin des Angeklagten am 8. Juli um 3.27 Uhr ohne | |
Richterlichen Beschluss erfolgt und völlig unverhältnismäßig gewesen. Ein | |
Rollkommando sei ohne nur einmal zu klingeln in die Wohnung eingedrungen, | |
habe die Tür eingetreten und es dem Mandaten verwehrt, einen Zeugen für die | |
Durchsuchung hinzuzuziehen. | |
Auch dass der gebürtige Grevesmühlener seit weit über vier Monaten in | |
U-Haft sitze – wegen angeblicher Fluchtgefahr – ist für die Verteidiger | |
nicht nachvollziehbar. Rechtsanwalt Bernd Wagner moniert, dass in den Akten | |
„Vernehmungsprotokolle von Zeugen“ und andere Dokumente fehlten, es keine | |
Asservatenliste gebe und es sich zudem aus den Akten ergäbe, „dass es | |
Unterlagen geben muss, die wir als Verteidiger nicht kennen“. Außerdem | |
wären der Verteidigung bestimmte Speichermedien mit Beweismitteln nicht | |
zugänglich gemacht worden. Auch die Vorsitzende Richterin räumt | |
„Unregelmäßigkeiten in der Akte ein, in der auch Seiten fehlen“. | |
Den Chaos-Höhepunkt bildet aber die Vernehmung des Hubschrauber-Kameramanns | |
Ralph G. am ersten Verhandlungstag. Der Richterin liegt keine | |
Aussagegenehmigung des Polizeibeamten vor und befragt nach den Aussagen, | |
die er in einer polizeilichen Vernehmung kurz nach dem Laserangriff gemacht | |
hat. Er erklärt zur Verwunderung aller Prozessbeteiligten: „Ich wurde | |
polizeilich nie vernommen“. Auch auf mehrfache Nachfrage bleibt der Beamte | |
bei dieser Aussage, obwohl ein Vernehmungsprotokoll existiert, dass er laut | |
Informationen der Verteidiger selber unterschrieben hat. | |
So bleibt den Verteidigern ein breites Feld Ermittlungsergebnisse | |
anzuzweifeln und die Verwertung bestimmter Beweismittel in Frage zu | |
stellen. Sie ließen durchblicken, dass sie es für nicht beweisbar halten, | |
dass es ihr Mandant – welcher sich zu den Vorwürfen nicht äußert – war, … | |
den Laserpointer bedient hat. „Niemand hat ihn erkannt“, betont Anwalt | |
Klostermann. | |
Doch Nico Bs. Verteidiger haben ein Problem aus der Welt zu bekommen: ein | |
Interview, das die Lebensgefährtin von Nico B. kurz nach den Vorfällen | |
einer Zeitung gab und in dem sie seine Täterschaft einräumte. Nico „war | |
nicht bewusst, dass er jemandem schaden könnte“, versuchte die Mutter des | |
gemeinsamen Kindes ihren Verlobten zu verteidigen und fügte noch hinzu: „Es | |
tut ihm furchtbar leid“. Zwar gilt das Interview nicht als offizielle | |
Zeugenaussage, doch die Staatsanwaltschaft wird versuchen, Honig daraus zu | |
saugen. | |
29 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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