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# taz.de -- Proteste gegen Zeltunterkunft in Bremen: Bewohner wehren sich
> Nach Protesten gegen die Flüchtlingsunterbringung in einer Zeltstadt
> neben dem Stahlwerk in Bremen gibt sich die Sozialsenatorin
> gesprächsbereit.
Bild: Schon am Dienstag demonstrierten die Geflüchteten und 300 Unterstützer*…
Bremen taz | Zu einem eineinhalbstündigen Gespräch hat Sozialsenatorin Anja
Stahmann (Grüne) am Freitag junge Geflüchtete empfangen, die in der
umstrittenen Unterkunft Gottlieb-Daimler-Straße leben. Zusammen mit
Vertreter*innen des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Shut down Camp
Gottlieb-Daimler-Straße“ problematisierten sie die Zustände in den
Metall-Kunststoff-Hütten: schlimmes Klima, mieses Essen, kein Kontakt zur
Außenwelt.
Ab 10 Uhr hatten Aktivist*innen und Geflüchtete mit Transparenten und
Schlafsäcken den Eingang der Behörde belagert. „Shut down!“-Rufe dröhnten
über den Vorplatz vorm Tivolihochhaus. Schon am Dienstag hatte eine Demo
die Schließung der Einrichtung neben dem Stahlwerk gefordert. Im Gespräch
bekräftigte die Senatorin die Absicht, die Unterkunft aufzugeben. Unklar
ist bislang der Zeitpunkt. Die sofortige Schließung sei ausgeschlossen
worden, sagte Gundula Örter, Sprecherin des Aktionsbündnisses, nach der
Unterredung.
Einig waren sich beide Seiten, dass es weitere Gespräche über die
umstrittene Altersfeststellungen durchs Jugendamt geben muss. Besonders dem
Vorwurf, dass das Jugendamt Ausweisdokumente der Botschaft Guineas nicht
anerkennt, will das Sozialressort nachgehen. „Das müssen wir aufklären“,
sagte der Sprecher der Senatorin, Bernd Schneider.
Als Zeichen des Protests hatten die Bewohner der Zelte Essen vor der
Sozialbehörde ausgekippt: gummiartige Fladenbrote, zuckerstarre Marmelade
und ein paar Äpfel. „Das kriegen wir jeden Tag“, klagte ein Bewohner,
„morgens und abends.“ Keine Rücksicht wird auf den Fastenmonat Ramadan
genommen. Hier will die Sozialsenatorin sofort handeln: „Der Träger, die
Innere Mission, hat dem Caterer ein Ultimatum gesetzt“, so Schneider. „Wenn
das Essen bis dahin nicht besser wird, kann der Träger ihm kündigen.“
Mit den Gesprächen reagiert die Senatorin auf eine ganze Woche des
Protests. So waren am Dienstag etwa 300 Unterstützer*innen dem Demo-Aufruf
des Aktionsbündnisses gefolgt. Vor dem Hauptbahnhof protestierten sie gegen
die aus ihrer Sicht menschenunwürdigen Bedingungen der Unterbringung. Dort
sind derzeit etwa 90 junge Flüchtlinge einquartiert. Sie geben an,
minderjährig zu sein, doch das Jugendamt hält sie für Volljährige.
„Aus behördlicher Sicht sind das junge erwachsene Männer und für die gilt
eine ganz andere Rechtslage als für Jugendliche“, sagt Schneider. Die
Bewohner akzeptieren das Ergebnis der Altersfeststellung des Jugendamts
jedoch nicht. „Fast alle sind im Widerspruchsverfahren“, so Schneider. Bei
jedem zweiten Fall haben die Gerichte im Sinne der Jugendlichen
entschieden. Das Jugendamt aber zieht dagegen dann oft in die nächste
Instanz.
Laut Örter ist der Schaden immens, den man schutzbedürftigen Jugendlichen
mit einer solchen Unterbringung antut. Wenn die Jungen angeben,
minderjährig zu sein, wäre es besser, sie im Zweifelsfall auch als solche
aufzunehmen. „Es gibt kein Verfahren für eine sichere Altersfestsetzung“,
betont Örter.
## Nasen- und Mundbluten
Die Zeltstadt ist schon länger umstritten. Die schlechten Wohnbedingungen
verletzten aus Sicht Örters das Menschenrecht auf körperliche
Unversehrtheit. Besonders schädlich sei das Heizungssystem. „Es trocknet
die Luft aus, macht Kopfschmerzen und verursacht Nasenbluten, bei manchen
Jungs sogar Mundbluten, weil es die Schleimhäute extrem austrocknet“,
sagte Örter. Einige Bewohner seien deshalb sogar in ärztlicher Behandlung.
Die Sozialbehörde hält die Unterbringung hingegen für zumutbar, will aber
bis spätestens Winter für Abhilfe sorgen. Zu lange, finden die
Unterstützter*innen. Denn die Jugendlichen könnten schließlich jederzeit
woanders untergebracht werden. „Die Aufrechterhaltung des Lagers ist eine
Schikane“, sagte die Bürgerschaftsabgeordnete Sofia Leonidakis (Die Linke).
Für das Klagen gegen die Altersfeststellung würden sie dadurch quasi
bestraft. Denn den Jugendlichen würden in der Zeit des Verfahrens Bildung
und gute Wohnbedingungen vorenthalten. „Dabei gibt es überhaupt keine
sachliche Not“, so Leonidakis.
Dem widerspricht Schneider. Man habe zwar immer wieder freie Plätze in
anderen Unterkünften, aber keine ganze Einrichtung, die den Ansprüchen
einer Erstunterkunft gerecht wird. „Richtigen Leerstand gibt es nicht.“
## Viel zu spät
„Bullshit“, nennt das Leonidakis. Ende März seien erst feste Unterkünfte
mit 500 Plätzen geschlossen worden. „Da hätte man die Jugendlichen ohne
großen Aufwand unterbringen können“, sagt Leonidakis. Zudem könne man
Unterkünfte sehr leicht in Erstunterkünfte umfunktionieren. Sie bedauert
die „verlorene Zeit“ für die Betroffenen. Die Zukunftschancen der Bewohner
würden so langfristig verschlechtert.
Tatsächlich hat Michael aus Guinea bereits viel Zeit verloren. Mit 16
Jahren verließ er seine zweite Heimat Gambia, in der er bei seinem Onkel
auf einem Bauernhof Schutz fand. Die Schule hat er nie besucht, sondern
stattdessen auf dem Hof gearbeitet. Ein Jahr saß er in Libyen fest, dann
noch einige Monate in Italien, bis er nach Deutschland floh. In der
Daimler-Straße wohnt er seit sieben Monaten. Seit April ist er wirklich
volljährig.
18 May 2018
## AUTOREN
Eva Przybyla
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Bremen
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