# taz.de -- Zeltunterkunft für Geflüchtete in Bremen: Bremens unsichtbare Jug… | |
> In der Bremer Gottlieb-Daimler-Straße leben junge Geflüchtete nach wie | |
> vor in Zeltunterkünften. Ein Aktionsbündnis will dies nun beenden. | |
Bild: Leben in der Isolation: Die Zeltunterkunft in der Bremer Gottlieb-Daimler… | |
BREMEN taz | Das rechte Brillenglas von Jamaal* hat Risse, als ob jemand | |
darauf getreten wäre. „Ich habe große Probleme mit meinem Auge“, sagt er. | |
Ein Arzt habe ihm gesagt, dass er eine neue Brille brauche. Ein Glas würde | |
weit über hundert Euro kosten, das kann sich der 17-jährige Jamaal, der aus | |
Gambia nach Bremen gekommen ist, jedoch nicht leisten. | |
Probleme bei der medizinischen Versorgung ist nur einer von vielen | |
Missständen in der Zeltunterkunft in der Gottlieb-Daimler Straße im Bremer | |
Stadtteil Oslebshausen. Hinzu kommen vor allem die unsichere Perspektive | |
und die psychische Situation der Jugendlichen. Nun hat sich ein | |
Aktionsbündnis formiert, um den jungen Bewohnern bei der Schließung des | |
Camps und der Suche nach Alternativen zu helfen. | |
„Raus aus der gemachten Isolation im Camp, rein in die Sichtbarkeit der | |
Stadt“ ist dabei das Ziel, zu dessen Erreichen in nächster Zeit | |
unterschiedliche Aktionen geplant werden sollen. „Die Menschen sollen | |
sehen, was für rund hundert Jugendliche derzeit und zahlreichen anderen, | |
die ihnen vorausgegangen sind, Realität in Bremen ist“, sagt Gundula | |
Oerter, Vertreterin des Flüchtlingsrats. Die Anfrage des Flüchtlingsrates | |
bei der Sozialsenatorin Anja Stahmann von den Grünen, bezüglich der | |
schlechten Situation im Camp, wurde nicht beantwortet. | |
Das erste Treffen des Aktionsbündnisses ist gut besucht. Rund 50 Leute aus | |
der Gottlieb-Daimler-Straße sind gekommen. Die wichtigste Forderung des | |
Bündnisses ist die Schließung des Camps und die Unterbringung der | |
Jugendlichen in festen Häusern. Wichtig sei außerdem anstelle eines | |
drohenden Transfers in Drittstaaten oder sogar die Herkunftsländer, der | |
Aufbau von Perspektiven in Bremen. | |
## Lange Gerichtsverfahren | |
Die Jugendlichen in der Gottlieb-Daimler-Straße haben Widerspruch gegen die | |
Altersfestsetzung des Jugendamtes eingelegt. Zu Beginn des Treffens werden | |
von einer Mitarbeiterin des Flüchtlingsrats die rechtlichen Dinge erklärt: | |
Das Alter wird vom Jugendamt anhand eines Interviews geschätzt. In Bremen | |
würden auch immer mehr medizinische Tests wie etwa das Röntgen des Kiefers | |
durchgeführt, obwohl viele Ärzte der Meinung seien, dass auch dies | |
keineswegs eine exakte Methode ist. | |
Das Gerichtsverfahren, um gegen diese Altersfestsetzung zu klagen, dauere | |
oft mehrere Monate, sagt Oerter. In dieser Zeit schicke die Stadt die | |
Jugendlichen in die Gottlieb-Daimler-Straße. Entscheide das Gericht | |
positiv, muss die Person in das Jugendhilfsprogramm aufgenommen werden. Bei | |
einer negativen Entscheidung droht eine Umverteilung in andere Städte, | |
Länder oder gar Staaten. | |
„In diesen Interviews entscheiden sie über deine Zukunft“, sagt einer der | |
Jugendlichen. „Aber was wir sagen, wird nicht anerkannt.“ Es mache den | |
Eindruck, dass die Jugendlichen dafür bestraft würden, dass sie diese | |
willkürliche Altersfestsetzung nicht akzeptierten, sagt ein Teilnehmer | |
während des Treffens. | |
## Erneute psychische Belastung | |
Oerter schätzt, dass 50 bis 80 Prozent der Jugendlichen das gleiche | |
Geburtsdatum haben: den 31.12.1995, mit dem sie deutlich als volljährig | |
eingestuft werden. Zu der schlimmen Wohnsituation in der | |
Gottlieb-Daimler-Straße kommen außerdem die durch Flucht und Verfolgung | |
hervorgerufene psychische Situation. „Alle dort waren bereits vorher | |
traumatisiert und jetzt erneut in einem Zustand, der psychisch enorm | |
belastet“, sagt Oerter, die die Jugendlichen bereits seit zwei Jahren | |
begleitet. | |
Amir*, der seit vier Monaten im Camp lebt, erzählt, dass seine Eltern vor | |
seinen Augen erschossen wurden. Er ist mit Schussverletzungen nach Bremen | |
gekommen. Viele in der Unterkunft seien krank, sagt er. Nasenbluten nach | |
dem Aufwachen, verursacht durch die schlechte Luft der Heizungsanlagen, sei | |
keine Seltenheit. | |
Viele der Jugendlichen haben das Gefühl, dass ihnen von den Behörden | |
mutwillig ihre Zukunft verbaut wird. „Es ist, als ob wir überhaupt nicht im | |
System sind“, sagt Amir. „Aber wir sind motiviert, wir möchten | |
weiterkommen“, ergänzt ein anderer Bewohner. | |
* Namen geändert | |
7 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Teresa Wolny | |
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