# taz.de -- Geflüchtete fürchten Ansteckung: Auf der Flucht vor Corona | |
> Geflüchtete demonstrierten in Hamburg gegen die Unterbringung in | |
> Gemeinschaftsunterkünften. Die Stadt hat neue Kapazitäten für Erkrankte | |
> geschaffen. | |
Bild: Ein prominenter Ort zum demonstrieren: Jungfernstieg | |
HAMBURG taz | Gut sichtbar, im Herzen der Hamburger Innenstadt haben sie | |
sich versammelt: Bewohner*innen einer Geflüchtetenunterkunft in Bahrenfeld, | |
wo bereits eine Corona-Infektion bestätigt wurde, demonstrierten am | |
Donnerstagabend am Jungfernstieg, um eine Schließung von | |
Gemeinschaftsunterkünften zu fordern. Weil sich nach Angaben der | |
Geflüchteten oft mehr als zwanzig Menschen Küche und Sanitäranlagen teilen | |
müssen, fürchten sie eine Ansteckung. | |
Mit Unterstützung des Hamburger Flüchtlingsrats und des Café Exil, einer | |
Beratungsstelle für Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund, hatten | |
die Geflüchteten auf offiziellem Wege eine Versammlung angemeldet, nachdem | |
sie vergangene Woche spontan vor ihrer Unterkunft demonstriert hatten. Die | |
unangemeldete Versammlung war von der Polizei aufgelöst worden. Jetzt | |
dürfen sie auf dem Flaggenplatz ihre Kundgebung mit 50 Menschen | |
durchführen. | |
Auf dem Jungfernstieg sind an dem sonnigen Nachmittag für Coronazeiten | |
viele Menschen unterwegs, die um die Alster spazieren oder in den | |
wiedereröffneten Läden shoppen. Einige bleiben kurz stehen und lesen die | |
Plakate der Demonstrierenden, die hinter einem Absperrband auf markierten | |
Positionen stehen. | |
„Meine Eltern sind krank. Ich mache mir Sorgen um ihr Leben“ steht auf | |
einem der Plakate. Der Junge, der es hochhält, ist vielleicht zwölf Jahre | |
alt. Die Beiträge auf der Kundgebung werden aus verschiedenen Sprachen ins | |
Deutsche übersetzt. | |
## Polizei wegen Plakatemalens gerufen | |
Rosa S. erzählt, dass sie am Nachmittag mit ihrem Mann und ihrem Sohn | |
Transparente für die Demo im Innenhof der Unterkunft gemalt habe. Der | |
Leiter der Unterkunft des städtischen Betreibers Fördern und Wohnen habe | |
daraufhin ohne Vorwarnung die Polizei gerufen. Die Beamten seien jedoch | |
wieder gegangen, als sich herausstellte, dass sich die Familie auf eine | |
angemeldete Versammlung vorbereitet. | |
„Den Sozialmanager haben wir danach nicht mehr gesehen“, sagt Rosa S. Die | |
Polizei habe sie sehr verunsichert. „Wir hatten Angst! Dabei haben wir doch | |
nichts Verbotenes gemacht“, schildert sie. Sie wolle lediglich sich und | |
ihre Familie schützen. | |
Die Sozialbehörde hat an der Horner Rennbahn eine Jugendherberge | |
angemietet, um Erkrankte aus öffentlichen Gemeinschaftsunterkünften bei | |
Bedarf isolieren und versorgen zu können. 60 Menschen können dort | |
untergebracht werden. Wenn nötig, seien „Reservekapazitäten“ verfügbar, | |
sagt Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde. | |
Doch dies reicht den Betroffenen nicht aus. Sie fordern die Umverteilung | |
auf leer stehende Wohnungen und Hotelzimmer, um die Isolierung insbesondere | |
von Menschen aus Risikogruppen zu ermöglichen. „Wir fordern, dass die Stadt | |
endlich handelt“, sagt ein Sprecher des Flüchtlingsrates. Geflüchtete seien | |
doppelt bestraft, weil sie über lange Zeiträume in Heimen leben müssten | |
„und dies nun auch noch in Furcht und Angst“. | |
Nach etwa zwei Stunden wird es leerer am Jungfernstieg. Nur noch wenige | |
Aktivist*innen, Interessierte und Geflüchtete tauschen sich aus, vernetzen | |
sich und packen die Transparente ein. Dann gehen sie getrennte Wege. Die | |
einen nach Hause, die anderen zurück in die Unsicherheit. | |
8 May 2020 | |
## AUTOREN | |
Sarah Zaheer | |
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