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# taz.de -- Neue Bremer Unterkunft für Geflüchtete: Schutz für jene, die imm…
> 40 Bewohner des coronadurchseuchten Flüchtlingsheims Lindenstraße ziehen
> um. Sicherer wird die Unterkunft so nicht: Die 40 sind schon immun.
Bild: Demo zur Schließung der ZASt Lindenstraße in Bremen
Bremen |taz | Bis zu 40 Bewohner*innen der „Zentralen Aufnahmestelle“ für
Geflüchtete (ZASt) in der Lindenstraße sollen ab sofort ins „Zollhaus“
umziehen. Das ehemalige Hostel hat von 2014 bis Mai 2019 bereits als
Unterkunft für minderjährige Flüchtlinge gedient; nun kommen Erwachsene
[1][aus der coronadurchseuchten Lindenstraße] hier unter.
Die Massenunterkunft war [2][bereits zu Beginn der Coronakrise in große
Kritik] geraten, da die Abstandsregeln für die Geflüchteten in den
Mehrbettzimmern und den Gemeinschaftsräumen schwer einzuhalten seien.
Tatsächlich hat sich mittlerweile fast die Hälfte der Geflüchteten dort
infiziert: [3][Bis Mittwochnachmittag wurden 146] von den derzeit noch 310
Bewohner*innen positiv auf Corona getestet. Die ersten 33 von ihnen waren
bis Mittwoch wieder genesen.
Mit der Wiedereröffnung, so Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne), „fahren
wir unseren Kurs fort, angesichts des Ansteckungsrisikos in der Pandemie
möglichst viele Menschen aus der Erstaufnahme ausziehen zu lassen.“ Der
aktuelle Umzug hat dabei allerdings einen Schönheitsfehler: Er trägt gar
nicht dazu bei, die ZASt Lindenstraße als Infektionsherd zu entlasten. Die
Betroffenen, die nun umziehen dürfen, haben alle die Coronainfektion
bereits durchlaufen und sind damit [4][nach bisherigem Wissensstand immun].
Gerade ihnen hätte also in der Lindenstraße keine Gefahr der Ansteckung
mehr gedroht – allen anderen schon.
Die Sozialbehörde begründet die Auswahl unter anderem mit einer
Unsicherheit darüber, wer eigentlich infiziert ist – und wer nicht. In den
ersten Tagen der Infektion schlagen Tests nicht immer positiv an,
Infizierte können aber schon ansteckend sein. Negativ Getestete aus der
Lindenstraße müssten daher, so die Argumentation, auch im Zollhaus auf
ihren Zimmern in Quarantäne bleiben.
## Der Umzug betrifft nur immune Bewohner*innen
Wer „drei, vier negative Tests“ bestanden habe und keine kürzlich
Infizierten unter den Kontaktpersonen habe, könne künftig eventuell auch
ins Zollhaus kommen, so Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin. „Wir
werden nicht auf Dauer nur Genesene hier unterbringen.“ Es gibt nach
Behördenangaben allerdings jeden Tag neue positiv Getestete.
Das „Zollhaus“ wird auch künftig nur für wenige eine Alternative zur
Lindenstraße sein. Das liegt zum einen an der Größe: Das ehemalige Hostel
hat in der Vergangenheit bis zu 60 Jugendlichen Obdach gegeben, soll aber
nun höchstens 40 Menschen aufnehmen. Die Zimmer sollen größtenteils von nur
je einer Person belegt werden, drei Räume sollen als Zwei-Bett-Zimmer
genutzt werden.
Vor allem aber soll das Hostel auch rechtlich für die meisten nicht als
Wohnort in Frage kommen. Geflüchtete mit schlechter Bleibeperspektive haben
laut Sozialbehörde nach dem Bundesasylgesetz eine „Wohnverpflichtung“ in
der ZASt. Da das „Zollhaus-Hostel“, anders als die Bremer Jugendherberge,
nicht als Dependance der Lindenstraße gilt, sollen hier nur Leute aus einem
anderen Stadium des Asylprozesses unterkommen – konkret Männer, die gerade
die Bundesrepublik wegen einer angekündigten Umverteilung verklagen.
Bis auf die 33 wieder Genesenen stehen momentan alle Bewohner*innen der
Lindenstraße unter Quarantäne, in unterschiedlichen Stufen. Niemand darf
das Gebäude verlassen. Positiv Getestete und häufig auch ihre direkte
Familie leben in einem Flügel, der unter absoluter Quarantäne steht.
Auch die negativ Getesteten gelten allerdings als Kontaktpersonen und
stehen unter Quarantäne der zweiten Stufe. Sie dürfen ihre Wohnflure zwar
verlassen, jedoch nur kurz und nur in Begleitung von Security, etwa, um zu
rauchen. Auch zahlreiche Kinder leben in der Unterkunft.
## Tests sorgen für Polizeieinsatz
Die Sozialbehörde lässt alle Bewohner*innen wiederholt testen. „Nur so
können wir neu Infizierte und Gesunde voneinander trennen“, erklärt
Schneider. Am Mittwoch war es zu einem großen Polizeieinsatz in der
Einrichtung gekommen, der indirekt mit dieser Testpraxis zusammen hing:
Fünf Männer wurden unter großem Polizeieinsatz in eine Extra-Quarantäne in
einer anderen Unterkunft gebracht – laut Unterstützer-Netzwerk handelt es
sich dabei um ein Containerheim für Obdachlose in Bremen-Tenever.
Laut Sozialbehörde hatten zuvor die fünf Männer die Wiederholung des Tests
abgelehnt. Als negativ Getestete lebten sie in einem Quarantäneflur der
zweiten Stufe, in dem nach neuerlichen Tests doch Coronafälle aufgetreten
waren. Das Gesundheitsamt habe deshalb die Quarantäne-Maßnahme für die
Bewohner*innen des Flurs verlängert. Die erneute Testung sei sinnvoll, um
abschätzen zu können, wie lange die Quarantäne aufrechterhalten werden
müsse.
„Diese Tests sind völlig sinnlos“, habe dagegen Armin, einer der
Betroffenen, per Whatsapp geschrieben, teilt das Unterstützer-Netzwerk
BIPOC (Black, Indigenous and People of Color) mit. „Sie testen uns und dann
trennen sie die Kranken doch nicht von den Gesunden. Und am Ende stecken
wir uns alle an. Bei dieser Sinnlosigkeit machen wir nicht mehr mit“,
begründete er die Weigerung.
## Anschlag auf Betreiber Awo
Zuvor war es in der Nacht auf Mittwoch [5][auf einen Anschlag auf das Büro
der Arbeiterwohlfahrt (Awo)] gekommen, die die Unterkunft in der
Lindenstraße betreibt. Eingangstür und Schriftzug wurden zerstört, die
Fassade mit rosa und schwarzer Farbe bombardiert. Laut Polizei entstand ein
Schaden von rund 1.000 Euro.
Bisher unbekannte „autonome Gruppen“ veröffentlichten dazu ein
Bekennerschreiben [6][auf indymedia:] Man wolle den „Druck weiter erhöhen“,
um zu vermitteln, „dass wir mit dieser Politik alles andere als
einverstanden sind“, heißt es. Glasbruch und Farbe an einer Hauswand seien
dafür „ein legitimes wütendes Zeichen. Schon zuvor hatten Awo und
Sozialsenatorin Stahmann öffentlich vermutet, dass es sich um einen
politisch motivierten Anschlag handele.
4 May 2020
## LINKS
[1] /In-Unterkunft-jeder-Dritte-infiziert/!5678268/
[2] /Bremens-Polizei-geht-gegen-Demo-vor/!5672634/
[3] https://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?gsid=bremen146.c.334233…
[4] https://www.ndr.de/nachrichten/info/36-Die-Rolle-von-Kindern-ist-nicht-gekl…
[5] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/kurz-notiert/vandalismus-awo-gesch…
[6] https://de.indymedia.org/node/79895
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
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