# taz.de -- Corona in Flüchtlingsunterkünften: „Die Leute haben Angst“ | |
> „Durchseuchung wird in Kauf genommen“: Pro Asyl, Landesflüchtlingsräte | |
> und Seebrücke-Bewegung fordern Auflösung der Flüchtlingsunterkünfte. | |
Bild: Zwei Meter Abstand: Wie soll man das bitte in einer Sammelunterkunft einh… | |
BERLIN taz | Die Landesflüchtlingsräte, Pro Asyl und die Seebrücke-Bewegung | |
fordern die sofortige Auflösung aller Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland | |
und die Aufnahme aller Schutzsuchenden aus den sogenannten Hotspots in | |
Griechenland. Die „katastrophalen Auswirkungen“ von Massenunterkünften | |
zeigten sich jetzt in der Coronakrise besonders deutlich, erklärte Helen | |
Deffner vom Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt für die Landesflüchtlingsräte am | |
Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. Viele Heime in Deutschland | |
stünden inzwischen unter Vollquarantäne. „Zu Hunderten werden Geflüchtete | |
auf engstem Raum untergebracht und dadurch zwangsläufig dem gefährlichen | |
Virus ausgesetzt. Die Durchseuchung der Lager wird in Kauf genommen.“ | |
Ein Beispiel dafür ist die Situation in Hennigsdorf bei Berlin. Die | |
Großunterkunft für mehrere hundert Menschen steht [1][seit dem 18. April | |
unter Quarantäne]. Die BewohnerInnen würden keinerlei Informationen und | |
Hilfe bekommen – „außer von der Kirchengemeinde“, berichtete Nde Nzongou | |
Barthelemy, ein Bewohner, auf der Video-Pressekonferenz. „Die Leute haben | |
Angst, die Polizei ist immer da.“ | |
In seinem Haus (es gibt insgesamt fünf Häuser in dem Heim) seien 78 | |
Menschen positiv getestet worden, nur drei negativ. „Aber in den | |
Mehrbettzimmern für zwei bis vier Leute waren alle immer zusammen.“ Und | |
seit die Quarantäne für sein Haus 2 am Samstag beendet worden sei – die | |
anderen Häuser seien weiterhin isoliert –, müssten die BewohnerInnen grüne | |
Bändchen am Handgelenk tragen, wenn sie das Heim verlassen wollen. Als er | |
am Wochenende mit dem Bändchen „draußen“ war, habe auf der Straße prompt | |
eine Frau auf ihn gezeigt. | |
## Recht auf Gesundheit | |
Günter Burkhardt von Pro Asyl betonte, das Recht auf Gesundheit gelte für | |
alle Menschen: „Es gibt kein Menschenrecht 2. Klasse!“ Daher fordere seine | |
Organisation schon seit März die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten. | |
Er verwies auf mehrere Gerichtsurteile, etwa vom Verwaltungsgericht Leipzig | |
[2][(Az.: 3 L 204/20.A)], die klagenden Flüchtlingen zuletzt Recht gegeben | |
haben, dass ihre Gesundheit durch die Unterbringung in Massenunterkünften | |
gefährdet sei und sie das Recht hätten, dort auszuziehen. Die Politik müsse | |
nun entsprechend handeln, forderte Burkhardt. „Es kann nicht sein, dass man | |
für jeden Fall einzeln vor Gericht gehen muss.“ | |
Dasselbe gelte auf europäischer Ebene, erklärte Tareq Alaows von der | |
Seebrücke-Bewegung. Obwohl es inzwischen mehr als 50 Kommunen gebe, die | |
sich zu „sicheren Häfen“ erklärt haben und bereit seien, Flüchtlinge aus | |
Griechenland, aufzunehmen, setze die Bundesregierung weiter auf | |
Abschreckung und stehle sich mit dem Verweis, es brauche eine „europäische | |
Lösung“ aus der Verantwortung. Dass sie nach Monaten der Diskussion gerade | |
mal bereit sei, 47 Kinder aufzunehmen, sei absurd – zumal 19 von ihnen | |
Familienangehörige in Deutschland hätten und daher ohnehin das Recht, | |
hierherzukommen. | |
Angesichts dieses Unwillens müssten nun die Bundesländer vorangehen, | |
forderte Alaows. Die Länder Berlin und Thüringen, die bereits eigene | |
Landesaufnahmeprogramme für Schutzsuchende in Griechenland vorbereitet | |
haben, „müssen das jetzt starten und notfalls gegen den Bund klagen“, wenn | |
er die Zustimmung zur Aufnahme weiterhin verweigert. „Wir fordern echte | |
Solidarität und ein Europa, an dessen Grenzen Menschen nicht beschossen, | |
zurückgeschoben oder eingesperrt werden.“ | |
11 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Corona-in-Hennigsdorfer-Fluechtlingsheim/!5681127&s=Marina+Mai/ | |
[2] https://www.saechsischer-fluechtlingsrat.de/wp-content/uploads/2020/04/VG-L… | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Pro Asyl | |
Seebrücke | |
Geflüchtete | |
Quarantäne | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Geflüchtete | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
R2G Bremen | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Besserer Schutz vor Corona gefordert: Geflüchtete ins Internet | |
Könnte man Geflüchtete wegen Corona statt in engen Heimen nicht besser in | |
leeren Hotels unterbringen? Bezirke und Land streiten über Zuständigkeit. | |
Corona in Flüchtlingsheimen: Separate Wohnung als bester Schutz | |
25 Geflüchtete in Heim in Buch sind mit Corona infiziert. In Brandenburg | |
mahnt Flüchtlingsrat Unterbringung in Wohnungen an. | |
Corona in Flüchtlingsunterkünften: Dem Virus wehrlos ausgeliefert | |
In mindestens sieben Flüchtlingsheimen in NRW grassiert das Coronavirus. | |
Das Ansteckungsrisiko ist dort noch größer als auf Kreuzfahrtschiffen. | |
Geflüchtete in Corona-Krise: Integration unmöglich | |
Beratungsangebote und Sprachkurse fallen aus, Arbeitsverträge werden | |
gekündigt: Die Krise macht es Geflüchteten schwer, Fuß zu fassen. | |
Aus der Tiefe der katholischen Kirche: Zum Teufel mit Corona | |
Einen „Aufruf für die Kirche und die Welt“ haben bislang auch 100 Berliner | |
unterschrieben. Das Erzbistum Berlin kommentiert6 diesen Aufruf nicht. | |
Geflüchtete fürchten Ansteckung: Auf der Flucht vor Corona | |
Geflüchtete demonstrierten in Hamburg gegen die Unterbringung in | |
Gemeinschaftsunterkünften. Die Stadt hat neue Kapazitäten für Erkrankte | |
geschaffen. | |
Corona in Hennigsdorfer Flüchtlingsheim: Ohne WLAN in der Quarantäne | |
Corona-Ausbruch in brandenburger Gemeinschaftsunterkunft: Bewohner eines | |
Flüchtlingsheims fühlen sich ungeschützt, schlecht informiert und isoliert. | |
Geflüchtete in der Corona-Krise: Grüne im Ermittlungsfieber | |
Jeder dritte Geflüchtete in der Bremer Erstaufnahme ist mit Corona | |
infiziert. Nun soll die Senatorin zurücktreten. Lob bekommt sie von ganz | |
rechts. | |
Medizinische Versorgung für Geflüchtete: Die gleiche Angst vor dem Virus | |
Keinen Notarzt zu rufen, wenn ein Mensch Hilfe braucht, und die zu | |
bestrafen, die dagegen protestieren, ist zynisch. |