Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geflüchtete in der Corona-Krise: Grüne im Ermittlungsfieber
> Jeder dritte Geflüchtete in der Bremer Erstaufnahme ist mit Corona
> infiziert. Nun soll die Senatorin zurücktreten. Lob bekommt sie von ganz
> rechts.
Bild: Flüchtlingsinitiativen fordern seit langem die Schließung des Lagers �…
Bremen taz | Der [1][Streit um die Bremer Erstaufnahme für Geflüchtete]
eskaliert. In der für 750 Menschen ausgelegten Massenunterkunft leben
derzeit 374 Menschen – 133 wurden positiv auf Corona getestet. Mindestens
ein Geflüchteter ist in stationärer Behandlung, das ganze Lager steht unter
Quarantäne.
Das [2][Netzwerk Afrique-Europe-Interact] fordert nun den Rücktritt der
grünen Sozialsenatorin Anja Stahmann, weil sie mit dem
[3][Krisenmanagement] „politisch und persönlich überfordert“ sei. Der
[4][Flüchtlingsrat] wirft ihr Rassismus vor – und fordert eine
Entschuldigung. Auch in den eigenen Reihen gibt es offene Kritik am Kurs
der Grünen-Politikerin: Die ehemalige Landesvorsitzende Kai Wargalla
stellte sich auf die Seite der zahlreichen Flüchtlingsinitiativen, die seit
langem eine Räumung des Lagers fordern.
Das Sozialressort habe „zu spät“ und nicht entschlossen genug gehandelt, so
ihr Vorwurf auf Facebook: „Viel zu lange“ sei „viel zu wenig“ getan wor…
„Es ist im derzeitigen Zustand keine Unterbringung dem Infektionsschutz
entsprechend möglich“, so Wargalla. Das bestreitet die Sozialbehörde. Seit
Ende März sind 250 Menschen aus der Unterkunft ausgezogen.
Anja Stahmann hatte sich gleichwohl wiederholt gegen eine Schließung der
Einrichtung und gegen die von Flüchtlingsinitiativen geforderte dezentrale
Unterbringung der Geflüchteten ausgesprochen. Bringe man die Menschen wie
gefordert etwa in leerstehenden Hotels unter, so die Behörde, „wird das
Problem nur verlagert“.
## Umstrittener Gastkommentar
Ihren zahlreichen KritikerInnen hielt Stahmann [5][in einem Gastkommentar
im Weser-Kurier] vor, es handele sich um „eine kleine, lautstarke Gruppe“,
die eine „vornehmlich ideologisch begründete Kontroverse“ führe. „Diese
Proteste sind legitim. Sie sollten ernst genommen werden“, sagt dagegen die
frühere Landesvorsitzende und Bürgerschaftsabgeordnete Wargalla. Sie wirft
Stahmann eine „anmaßende Fehleinschätzung“ der Proteste vor. Und die
[6][Grünen-Fraktionsvorsitzende Henrike Müller], lobte auf Facebook die
„kritische Zivilgesellschaft“.
Stahmann macht unterdessen den InsassInnen des Lagers schwere, indes
unbelegte strafrechtlich relevante Vorwürfe. Nachdem dort wiederholt
Papierkörbe in den Sanitäranlagen in Brand gerieten, verbreitete die
Behörde eine Pressemitteilung mit dem Titel: [7][„Senatorin Stahmann mahnt
dringend Rückkehr zu legitimen Formen des Protests an“]. Nur: Bislang gibt
es weder Belege dafür, dass es überhaupt Brandstiftung war, noch dafür,
dass eine solche von den Geflüchteten ausging, noch dafür, dass diese
gegebenenfalls ein Form des Protestes war.
Es gebe „keine Beweise“ für die Anschuldigungen, räumt der Sprecher der
Sozialsenatorin ein – aber die Sicht der Behörde sei die „wahrscheinlichste
Erklärung“. Eine andere könne er aber „nicht ausschließen“, so der
Behördensprecher.
„Die Brandstiftungen wurden offenbar in voller Absicht so abgepasst, dass
die Sicherheitskräfte bei ihren regelmäßigen Rundgängen den jeweiligen
Bereich gerade verlassen hatten“, mutmaßt seine Presseerklärung. Wegen
„mehrfacher schwerer Brandstiftung“ sei nun Strafanzeige gegen Unbekannt
erstattet worden. [8][Die rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ lobt], dass
Stahmann nun „gegen randalierende Asylsuchende“ vorgehe.
Die Rücktrittsforderungen und Rassismus-Vorwürfe der Flüchtlingsinitiativen
will die Behörde indes nicht kommentieren, auf die Kritik aus der eigenen
Partei reagiert die Behörde mit Hinweisen auf „Gespräche auf allen Ebenen�…
Ausschlaggebend für die Rücktrittsforderung sei nicht, dass es der
Sozialbehörde nicht gelungen sei, den massenhaften Corona-Ausbruch zu
verhindern, so Afrique-Europe-Interact. Da trage Stahmann „nicht die
alleinige Verantwortung“ – die mit zuständige Gesundheitssenatorin Claudia
Bernhard kommt von der Linken.
Die linke Parlamentsfraktion hatte schon im März die sofortige Auflösung
der Massenunterkunft gefordert, ihre Fraktionschefin kritisiert das
Krisenmanagement. Dennoch trägt Bernhard das Vorgehen ihrer Kollegin
Stahmann bisher mit. Mit Hilfe der von der rot-grün-roten Koalition gerade
vereinbarten „[9][Maßnahmen zur Belegungsreduzierung] wird eine Situation
herzustellen sein, in der der Infektionsschutz gewährleistet werden kann“,
heißt es von der Gesundheitssenatorin.
Afrique-Europe-Interact begründet seine Forderung mit der Art und Weise,
wie Anja Stahmann über das von ihr „maßgeblich mitverantwortete
Infektionsgeschehen“ spreche. „Am dramatischsten“ sei ihr „völliges
Unverständnis für die persönliche und psychologische Situation der
Geflüchteten und Migrant*innen“. Diese hätten in der Vergangenheit „extrem
belastende Erfahrungen“ gemacht – die aktuelle Situation könne
posttraumatischen Belastungsstörungen „erheblich Vorschub leisten“.
Stahmanns Worte über die hohe Zahl an Corona-Infektionen waren
„verantwortungslos“, so der Flüchtlingsrat: [10][Ihre Aussage, die Lage in
der Einrichtung sei für Virologen interessant], sei „rassistisch“ und
degradiere Betroffene zu „Forschungsobjekten“. Stahmann solle sich davon
distanzieren.
27 Apr 2020
## LINKS
[1] /In-Unterkunft-jeder-Dritte-infiziert/!5678268
[2] https://afrique-europe-interact.net/1904-0-Ruecktritt-Stahmann-Bremen-26042…
[3] /Gefluechtete-in-der-Corona-Krise/!5675445
[4] https://www.fluechtlingsrat-bremen.de/
[5] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-erstaufnahme-in-de…
[6] https://www.facebook.com/henrike.muller.7
[7] https://www.senatspressestelle.bremen.de/sixcms/detail.php?id=334057&as…
[8] https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2020/proteste-und-brandstiftun…
[9] https://gruene-bremen.de/gemeinsame-information-der-koa-parteien-fuer-die-p…
[10] /In-Unterkunft-jeder-Dritte-infiziert/!5678268
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
R2G Bremen
Schwerpunkt Coronavirus
Flüchtlinge
Gesundheitswesen
Geflüchtete
Schwerpunkt Coronavirus
Sozialbehörde Hamburg
Lager
Schwerpunkt Coronavirus
R2G Bremen
R2G Bremen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Corona in Flüchtlingsunterkünften: „Die Leute haben Angst“
„Durchseuchung wird in Kauf genommen“: Pro Asyl, Landesflüchtlingsräte und
Seebrücke-Bewegung fordern Auflösung der Flüchtlingsunterkünfte.
Corona in Flüchtlingsunterkunft: Warnung nur auf Deutsch
Geflüchtete in Hamburg-Bahrenfeld protestieren dagegen, dass sie spät über
einen Coronafall im Haus informiert wurden und sich nicht isolieren können.
Politische Kommunikation in Bremen: Völlig vergaloppiert
Bislang galt Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) nicht als
xenophob. Wie sie nun gegen Kritik auskeilt, wirkt Ressentiment geladen.
In Unterkunft jede*r Dritte infiziert: Lecker Essen gegen Corona
In einem Bremer Flüchtlingsheim sind 120 Bewohner*innen mit Corona
infiziert. Statt das Lager aufzulösen, speist man Betroffene mit besserem
Essen ab.
Geflüchtete in der Corona-Krise: Grüne loben Lagerhaltung
Die umstrittene Massenunterkunft für Geflüchtete in Bremen ist für die
Grünen alternativlos. „In Zukunft“ soll aber ein Mindestabstand möglich
werden.
Bremens Polizei geht gegen Demo vor: Konsequent – gegen Geflüchtete
Als 50 Geflüchtete gegen ihre Massenunterkunft demonstrierten, wurden sie
wegen fehlenden Abstands angezeigt. Anderswo in Bremen ist man großzügiger.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.